Privatdetektiv Joe Barry - Hände weg von Nancy. Joe Barry

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Название Privatdetektiv Joe Barry - Hände weg von Nancy
Автор произведения Joe Barry
Жанр Языкознание
Серия Kommissar Y
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711668917



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Mund klappte zu. Der Getroffene verdrehte die Augen und ging lautlos zu Boden. Joe fing das Mädchen auf.

      „Das war verdammt leichtsinnig, Miß“, sagte er kopfschüttelnd.

      Gleich darauf wimmelte es auf der Pier von Polizei. Dem Gangster wurden Handschellen verpaßt, dann verschwand er im Innern eines Polizeiwagens. Captain Starr stürmte heran. Sein Gesicht war rot vor Empörung.

      „Warum haben Sie sich nicht an die Absperrung gehalten?“ fuhr er das Mädchen an. Sie blickte erschrocken hoch, und der Captain bremste seine Empörung. Die Kleine war hübsch, verteufelt hübsch sogar. Das lange schwarze Haar umgab das zarte Gesicht wie ein Schleier. Ihre Augen erinnerten an die Lichter eines Rehs.

      „Ich habe Mr. Barry gesucht“, sagte sie leise.

      „Und da platzen Sie mitten in eine Verbrecherjagd hinein? Sind Sie lebensmüde? Wissen Sie nicht, daß der Mann, den wir eben festgenommen haben, unter mehrfachem Mordverdacht steht?“ fragte Tom streng.

      „Jedenfalls hat sie eine überzeugende Erklärung“, schaltete Joe sich ein und sah das Mädchen an. „Ich bin Joe Barry.“

      „Tut mir leid, daß ich Ihnen Ungelegenheiten bereitet habe“, sagte sie leise. „Aber ich muß Sie wirklich dringend sprechen, Mr. Barry.“

      „Reizend“, schnaubte der Captain. „Ich möchte dich dringend bitten, deine zarten Bande in Zukunft an friedlicheren Orten zu knüpfen, Joe.“ Er wirbelte herum und schnappte sich Leutnant Myers, der auf der Pier das Kommando geführt hatte. „Und du, Ron, paßt in Zukunft gefälligst besser auf. Wenn ich eine Absperrung anordne, darf kein Floh mehr durchhuschen, compris?“

      „Nun, laß mal langsam Luft ab“, riet ihm Joe. „Schließlich ist noch alles gutgegangen. Pannen kann es immer mal geben.“ Er sah das Mädchen an. „Wenn es wirklich so dringend ist, können wir uns gleich unterhalten. Ich kenne hier in der Nähe ein Lokal.“

      „Augenblick“, sagte Tom, „was wird aus dem de Soto-Fall?“

      „Ich komme später vorbei und unterschreibe das Protokoll.“

      „Meinetwegen“, brummte der Captain, und dann fiel ihm noch etwas ein. „Woher wußten Sie überhaupt, daß Barry hier ist, Miß?“

      „Ich war in der Gun Hill Road. Der Hausmeister hat mich hierhergeschickt.“ „Mac hat wohl das Ohr in der Leitung gehabt, als wir dich verständigten?“ wandte Tom sich an Joe.

      „Er hat noch nie von dem, was er zufällig aufgeschnappt hat, falschen Gebrauch gemacht“, stellte Joe klar. „Und er kann beurteilen, wann etwas wirklich dringend ist. „Er nahm das Mädchen am Arm. „Kommen Sie, Miß.“

      „Shaw“, sagte sie. „Nancy Shaw.“

      „Wir setzen uns in eine ruhige Ecke, und Sie erzählen mir, was Sie auf dem Herzen haben.“

      Sie fanden einen freien Tisch in einer Pizzeria, zwei Blocks weiter. Joe bestellte und lächelte ihr dann aufmunternd zu. Er spürte, wie mühsam sie sich beherrschte und wie verzweifelt sie war.

      „Hoffentlich habe ich Ihnen nichts verpatzt“, sagte sie tonlos.

      „Nein, nein“, sagte Joe. „Wir waren hinter einem Gangster namens de Soto her. Der Bursche hat mehrere Morde auf dem Gewissen. Ich wurde von einer Versicherungsgesellschaft in den Fall eingeschaltet.“

      Sie sah ihn an.

      „Sie sehen müde aus“, sagte sie plötzlich.

      Joe lächelte.

      „Bin ich auch. Wir haben de Soto seit achtundvierzig Stunden pausenlos gejagt. Heute früh ist er uns entwischt. Ich fuhr nach Hause, um ein paar Stunden zu schlafen; zehn Minuten später kam ein Anruf. Eine Polizeistreife hatte ihn hier am Hafen gesichtet. Also fuhr ich wieder los. Jetzt ist der Fall ausgestanden. Der Rest ist Schreibarbeit.“ Er sah sie an. „Sie sehen auch nicht gerade munter aus.“

      „Ich glaube, ich habe seit einer Woche nicht mehr richtig geschlafen.“

      „Und was hat Ihnen den Schlaf geraubt?“

      Sie öffnete ihre Handtasche und zog ein Foto hervor. Es zeigte einen jungen Mann von etwa dreißig Jahren in Marineuniform. Er hatte ein offenes, sympathisches Gesicht.

      Joe warf einen Blick auf ihren Brillantring und fragte: „Ihr Verlobter?“

      Sie nickte. „Sein Name ist Jeff. Jeff Baxter.“

      „Was ist passiert?“ fragte Joe.

      „Er ist tot!“

      Ein paar Sekunden schwiegen sie. Nur das eine Wort stand in der Luft. Ein Wort, das alles sagte: tot.

      „Wie geschah es?“ fragte Joe.

      „Vor zehn Tagen trat Jeff sein erstes Kommando als Kapitän an. Eigentlich war es nur ein Aushilfsjob. Er sprang für einen erkrankten Kollegen ein.“

      „War er nicht etwas jung für ein selbständiges Kommando?“ hörte Joe sich fragen. Er mußte die Tatsachen erforschen, systematisch fragen, auch wenn der Takt vielleicht etwas anderes geboten hätte. Aber Nancy Shaw war nicht zu ihm gekommen, um Trost zu finden.

      „Normalerweise hätte er noch etliche Jahre warten müssen“, bestätigte sie. „Er hatte zwar das Kapitänspatent, aber die großen Reedereien verlangen etliche Jahre Fahrpraxis als Erster Offizier, ehe sie einem ein selbständiges Kommando über ein Schiff anvertrauen. Das hier war etwas anderes. Es war ein altes Schiff, das Maschinenersatzteile nach Mexiko bringen sollte. Aber immerhin — es war ein Schiff. Jeff nahm diese Chance wahr.“

      „Und weiter?“ fragte Joe.

      „Das Schiff hieß Hennessy. Vor zehn Tagen lief es von Galaxy Port aus.“

      „Galaxy Port — liegt das nicht irgendwo in Texas?“

      „Südlich von Galveston.“

      „Ah ja, ich war vor Jahren einmal dort. Ein ziemlich heißer Ort. — Was geschah weiter?“

      „Die Ladung war für Algeciras bestimmt.“

      „Sie wären also quer über den Golf gelaufen.“

      „Das Wetter war gut“, sagte sie. „Windstärke 1—2. Man hätte mit einer Luftmatratze hinüberfahren können. Von den sonst da unten üblichen Stürmen war nichts zu spüren.“

      „Aber das Schiff ist verschwunden“, sagte er.

      Sie sah ihn überrascht an.

      „Woher wissen Sie das?“

      „Wozu hätten Sie sonst auf die Wetterverhältnisse hingewiesen?“

      „Ich habe mich genau erkundigt. Ich war in Galveston im Wetteramt und habe alle Unterlagen studiert, weil es doch irgendeine Erklärung geben muß. Aber es gibt keine. Ein Schiff mit zehn Mann Besatzung ist einfach verschwunden — spurlos verschwunden. Das heißt …“ Sie schluckte.

      „Was?“

      „Man hat Jeffs Leiche gefunden. Sie wurde auf Rockney Island angeschwemmt, neun Meilen vor der Küste von Texas.“

      „War er ertrunken?“

      „Ja. Ich mußte die Leiche identifizieren.“

      „Schlimm“, sagte er. „Was sagen die Behörden dazu?“

      „Die Behörden stehen vor einem Rätsel. Man hat eine Untersuchung in Gang gebracht, aber bisher ist nichts herausgekommen. Keines der Schiffe, die zu dieser Zeit in dem fraglichen Gebiet waren, hat irgend etwas bemerkt.“

      „Und wie steht es mit der Reederei?“

      „Niemand hat eine Erklärung dafür, was da geschehen sein könnte.“

      Joe sah sie an.

      „Glauben Sie an ein Verbrechen, Miß Shaw?“

      Sie