Der Pfirsichkern. Inger Frimansson

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Название Der Pfirsichkern
Автор произведения Inger Frimansson
Жанр Книги для детей: прочее
Серия
Издательство Книги для детей: прочее
Год выпуска 0
isbn 9788711441275



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blöd und unmöglich er doch war.

      Aber das tat sie nicht.

      Schließlich musste Sibban etwas sagen. Die Worte füllten ihren Mund, sie schmeckten schlecht auf der Zunge.

      »Verdammt, wie kommen wir jetzt rein?«, hörte sie ihre eigene Stimme.

      Normalerweise fluchten sie nicht, Lollo und sie. Wenn eine von ihnen es doch tat, musste sie eine Krone in eine bestimmte Dose legen. Von dem Geld kauften sie sich Rubbellose. Wenn man Glück hatte, konnte man eine Million gewinnen. Sie wollten sich von dem Geld ein Pferd kaufen.

      Sibban fluchte. Ja, sie tat es ganz bewusst.

      Lollo fuhr sich mit den Fingern durch ihr dichtes Haar.

      Zuckte mit den Schultern.

      »Scheiße, das weiß ich doch nicht.«

      Sie gingen weiter. Wind war aufgekommen. Sibban dachte, dass sie lieber einen Pullover hätte anziehen sollen, nicht nur die Jacke. Sie hob die Hände vor den Mund und hauchte darauf. Ihre Hände waren so steif, dass die Gelenke richtig schmerzten. Plötzlich entdeckten sie ein Loch im Zaun. Sie sahen es beide gleichzeitig und beiden war klar, dass jemand das Loch dort gemacht hatte, um hineinzugelangen ohne zu bezahlen. Genau wie sie.

      Es war kein Problem, durch das Loch zu kommen. Man legte sich nur auf den Rücken und rollte einmal herum. Als Sibban sich aufrichtete, hörte sie einen Ratsch. Ihre Jacke hatte sich festgehakt, ein langer Riss war entstanden. Aber in dem Moment interessierte sie das nicht.

      Sie waren drinnen, Lollo und sie.

      Die Pferde erkannten sie wieder, das war offensichtlich. Skessa warf ihren schönen Kopf und schnaubte leise. Sibban wurde es ganz warm ums Herz.

      Dann fiel ihr ein, dass das der letzte Tag war. Bald würde M. Johansson kommen und die beiden Pferde zu einem Transporter führen, sie zu sich nach Hause fahren und sie würden sie nie wieder sehen. Sie holte den Hufkratzer heraus und hob Skessas Huf. Er war ganz sauber, es gab nichts herauszukratzen, aber sie stocherte doch ein bisschen darin herum, einfach so.

      Während sie vorgebeugt dastand und Skessas linken Hinterhuf hochhielt, kam Jessica Leander mit ihrer Cousine vorbei. Jessica Leander ging in ihre Klasse. Sibban mochte sie nicht. Sie war eingebildet und hochnäsig, musste immer alles bestimmen. Jetzt beugte sie sich in die Box hinein. Sie hatte sich geschminkt, ihre Augen waren schwarz umrahmt, ihr Mund rot verschmiert.

      »Hallo!«, sagte sie in dieser arroganten Art, die typisch für sie war.

      Sibban nickte nur kurz. Zu ihrer Verwunderung hörte sie, wie Lollo den Gruß richtig fröhlich erwiderte.

      »Mein Gott, was für schöne Pferde!«, rief Jessica Leanders Cousine aus.

      »Dürft ihr euch um sie kümmern?«, fragte Jessica.

      »Ja«, sagte Lollo. »Das dürfen wir.«

      »Und wem gehören die?«

      »Einem, der heißt Johansson. Mein Vater kennt ihn.«

      Jessica Leander öffnete ihren knallroten Mund und machte ihn gar nicht wieder zu. Dann fragte sie, ob Lollo nicht mit diesem Johansson reden könnte und fragen, ob sie sich nicht auch um ein Pferd kümmern dürfte.

      »Mal sehen«, sagte Lollo.

      Mach, dass sie gehen, dachte Sibban. Lieber Gott, wenn es dich gibt, dann sorge dafür, dass sie gehen!

      Es war nervig, dass sie hier herumhingen, sie störten. Aber das war nur die Ruhe vor dem Sturm.

      Tatsächlich gingen Jessica Leander und ihre Cousine nach einer Weile. Sie waren nicht mehr da, als M. Johansson kam. Und das war in gewisser Weise eine Erleichterung.

      Sie hatten sich in die Box gesetzt. Sibban massierte Skessas Bein, sie hatte im Fernsehen gesehen, wie man das macht, und dem Pferd gefiel das, das merkte sie. Während sie dasaß, die Stirn an den warmen Pferdebauch gedrückt, hörte sie ein Geräusch. Es war die Boxentür, die quietschend aufging. Eine Frau stand in den Hobelspänen. Sie trug eine enge Reithose und glänzende Stiefel. Sie war genauso geschminkt wie Jessica Leander. Und sie war wütend.

      »Was macht ihr denn hier?«, rief sie so laut, dass beide Pferde erschraken und die Ohren nach hinten drehten.

      Sibban fuhr hoch. In ihrem Nacken wurde es heiß und begann zu jucken, genau so ein unangenehmes Gefühl, wie sie es auch ab und zu in der Schule verspürte, wenn Anita Persson, ihre Klassenlehrerin, vertreten wurde.

      Die Frau packte sie beim Arm. Das tat weh. Sie schüttelte Sibban und starrte sie aus kleinen blassen Augen an.

      »Ich habe doch gesagt, dass niemand Unbefugtes zu den Pferden gehen darf. Ich habe sogar dafür bezahlt!«

      »Na und, wir haben uns nur ein bisschen um sie gekümmert«, sagte Lollo.

      Sibban schluckte und räusperte sich. Die Tränen schnürten ihr den Hals ab.

      »Meine Pferde brauchen keine Extrapflege«, fauchte die Frau und ließ sie los. »Haut ab! Verschwindet!«

      Es hatten sich einige Leute vor der Box versammelt. Sie starrten die Mädchen an, als diese aus der Box kletterten. Jemand kicherte. Sibban versuchte ihren Blicken auszuweichen. Ihr Gesicht war heiß und brannte.

      Sie liefen eine Weile herum und schauten sich die anderen Tiere an, die Hühner und ihre kleinen gelben Küken, die Ziegen und die Papageien. Auf einer Bahn gab es einen Weitsprungwettkampf für Kaninchen. Das sah albern aus.

      Nicht ein Wort wechselten sie miteinander. Das kam von dem Schock, wie Sibban später einsah. Sie hatte sie zu Tode erschreckt, die Alte.

      M. Johansson, dachte sie. M. steht für Monster. Die armen Pferde Skessa und Skrukka, deren Besitzer das Monster Johansson ist!

      Sie sahen die Pferde nie wieder. Und wenn Lollo schon vorher sauer war, so wurde sie kaum fröhlicher durch die Begegnung mit Monster Johansson.

      Sie schlüpften durch den Haupteingang hinaus. Der Kontrolleur sah sie mit großen Augen an, als er sie entdeckte.

      »Scheiß drauf«, zischte Sibban.

      Sie zog ihren Fahrradschlüssel hervor.

      »Ja«, sagte sie, »und was machen wir jetzt?«

      »Nun ja ... ich muss nach Hause«, erwiderte Lollo, und sie sagte es ganz schnell, mit harter, rauer Stimme.

      »Nach Hause? Wieso musst du denn nach Hause?«

      »Meine Tante und mein Onkel kommen.«

      Und da fing es ernsthaft an.

      Oder besser gesagt, es hörte auf.

      Das sichere, normale Sibban-Leben.

      3

      Sie war auf den Namen Sibyl getauft worden, wurde aber Sibban genannt. Eigentlich klang das nicht besonders schön. Aber so war es immer schon gewesen. Sibban ging den Leuten leichter über die Lippen als Sibyl. Lollo sagte manchmal Sibylla. Wenn sie sie aufziehen wollte.

      Sibyl oder Sybil war im Grunde ein englischer Name. Ihre Mutter stammte aus England. Aus Portsmouth. Als die Eltern noch jung waren, ungefähr vor hundert Jahren oder so, fuhr Sibbans Vater nach Portsmouth, um das alte Schiff von Lord Nelson anzuschauen. Lord Nelson hatte früher einmal Krieg gegen Napoleon geführt.

      Mama Linda saß an der Kasse und verkaufte Eintrittskarten. Das machte sie als Ferienjob. Sie gab Papa seine Karte, und genau als sie das tat, machte es Klick. Sie verliebten sich ineinander und sie zog nach Schweden. Sibban hatte die Geschichte schon viele, viele Male gehört. Sie hörte sie nur zu gern.

      Ihre Mutter hatte dann Schwedisch lernen müssen. Heute hörte man kaum noch, dass sie aus einem anderen Land stammte. Und als Sibban geboren wurde, da war es ihre Mutter, die den Namen aussuchte.

      Ihr Vater durfte den Namen des kleinen Bruders aussuchen.

      Lollo und Sibban waren