Название | Gesammelte Werke: Historische Romane, Märchen, Abenteuerromane & Autobiografie |
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Автор произведения | Georg Ebers |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788075836854 |
»Wunderbar!« unterbrach Hystaspes den Erzähler.
»Vielleicht allzu wunderbar, um glaubhaft zu sein,« fügte Kambyses hinzu. »Nimm Dich in Acht, Hellene, und bedenke, daß mein Arm weit reicht! Ich werde die Wahrhaftigkeit Deiner Erzählung prüfen lassen!«
»Ich bin gewöhnt,« versetzte der Athener, sich tief verneigend, »der Lehre des weisen Pythagoras, dessen Ruhm vielleicht auch bis zu Dir gedrungen ist, zu folgen, und stets, ehe ich rede, mit mir zu beratschlagen, ob das, was ich sage, mich nicht in der Zukunft reuen könnte.«
»Das klingt schön und weise; aber, beim Mithra, ich habe ein Wesen gekannt, das den Namen desselben Lehrers oftmals im Munde führte und sich in seinen Thaten als treueste Schülerin des Angramainjus bewährte. Du kennst die Verrätherin, welche heute noch gleich einer giftigen Natter von der Erde getilgt werden soll.«
»Wirst Du mir verzeihen,« fragte Phanes, welcher den tiefen Schmerz, der die Züge des Königs erfüllte, bemerkt hatte, »wenn ich Dir einen andern Spruch unseres großen Meisters zurufe?«
»Rede!«
»Jedes Gut wird eben so schnell verloren als gewonnen; darum trage, wenn Dir die Götter Schmerzen bereiten, Dein Geschick in Geduld. Murre nicht unwillig, sondern bedenke, daß niemanden von den Göttern schwerere Lasten auferlegt werden, als er zu tragen vermag. Hast Du eine Herzenswunde, so berühre sie eben so wenig, als ein leidendes Auge. Gegen Schmerzen der Seele gibt es nur zwei Arzneimittel: ›Hoffnung und Geduld!‹«
Kambyses folgte diesen, den goldenen Sprüchen des Pythagoras entlehnten Worten und lächelte bitter, als er das Wort »Geduld« vernahm. Aber die Rede des Atheners hatte ihm gefallen, und er forderte ihn auf, weiter zu erzählen.
»Wir trugen,« fuhr Phanes sich tief verneigend fort, »den leblosen Jüngling in meinen Wagen und brachten ihn zum nahe gelegenen Stationshause. Dort schlug er die Augen auf und fragte, mich ängstlich anschauend, wer ich sei und wo er sich befinde? Der Wirth des Stationshauses stand neben uns: darum mußte ich, um den Freipaß, durch den ich neue Pferde bekam, nicht Lügen zu strafen und keinen Verdacht in dem Manne aufkommen zu lassen, mich für Gyges, den Sohn des Krösus, ausgeben.
»Der verwundete Jüngling schien Denjenigen, für welchen ich gehalten zu werden wünschte, zu kennen, denn er schüttelte bei meinen Worten das Haupt und murmelte: ›Du bist nicht Der, für den Du Dich ausgibst!‹ Dann schloß er abermals die Augen und verfiel in ein heftiges Fieber. Nun entkleideten wir ihn, öffneten ihm eine Ader und verbanden seine Wunden. Mein persischer Diener, der Bartja am Hofe des Amasis, woselbst er als Stallaufseher gedient, gesehen hatte, leistete, unterstützt von dem ägyptischen Greise, der mich begleitet, hülfreiche Hand und wurde nicht müde zu betheuern, der Verwundete sei niemand anders als Dein hoher Bruder. Auch der Wirth des Stationshauses schwur, als wir das Angesicht des Jünglings vom Blute gereinigt hatten, der Ueberfallene sei ohne jeden Zweifel der jüngere Sohn Deines großen Vaters. Indessen war mein ägyptischer Begleiter hinausgegangen und hatte aus der Reiseapotheke409, ohne die ein Aegypter nur ungern seine Heimath verläßt, ein Tränkchen geholt, das er dem Kranken reichte. Die Tropfen wirkten so wunderbar, daß sich das fiebernde Blut in wenigen Stunden beruhigte und der Jüngling, als die Sonne aufging, wiederum die Augen öffnete. Nun verneigten wir uns vor ihm, als vor Deinem Bruder, und fragten ihn, ob er in den Palast nach Babylon gebracht zu werden wünsche. Er verneinte dies mit Heftigkeit und versicherte, daß er nicht Der sei, für den wir ihn hielten, sondern . . .«
»Wer kann Bartja so ähnlich sehen? Rede! Ich bin neugierig, dies zu erfahren!« unterbrach der König den Sprecher.
»Er behauptete, daß er der Bruder Deines Oberpriesters sei, Gaumata heiße, und daß man seinen Namen auf dem Freipasse, welcher in dem Aermel seines Magiergewands stecke, finden müßte. Der Wirth der Herberge fand das bezeichnete Dokument und bestätigte, da er lesen konnte, die Behauptung des Kranken, der bald von neuen Fieberschauern ergriffen wurde, in denen er allerlei zusammenhangslose Reden führte.«
»Hast Du sie verstanden?«
»Ja! Er wiederholte immer dasselbe. Die hängenden Gärten schienen all’ seine Gedanken auszufüllen Er mußte soeben einer großen Gefahr entgangen sein und scheint dort mit einem Weibe Namens Mandane eine Liebeszusammenkunft gehabt zu haben.«
»Mandane,« murmelte Kambyses, »Mandane. Wenn ich nicht irre, so führt die erste Dienerin der Tochter des Amasis diesen Namen.«
Den feinen Ohren des Griechen entgingen diese Worte nicht. Einen Augenblick sann er schweigend nach, dann lächelte er und rief: »Laß die gefangenen Freunde frei, mein König, denn ich bürge Dir mit meinem Kopfe dafür, daß Bartja nicht auf den hängenden Gärten war!«
Der König schaute den kühnen Redner verwundert, aber freundlich an. Das freie, zwanglose, anmuthige Wesen, welches der Athener ihm, dem Könige gegenüber, zeigte, war ihm neu und berührte ihn wie der Hauch der Seeluft, wenn sie die Stirn eines Menschen zum Erstenmal umweht. Während seine Großen, ja selbst seine nächsten Verwandten, ihn nur mit gekrümmtem Rücken anzureden wagten, stand der Grieche schlank und aufrecht vor ihm; während die Perser jedes Wort, welches sie an ihren Herrscher richteten, mit blumigen Phrasen und schmeichlerischen Redensarten zu behängen pflegten, sprach der Athener frei, schlicht und schmucklos. Dabei begleitete er seine Rede mit so anmuthigen Bewegungen und so ausdrucksvollen Blicken, daß sie der König, trotz seiner mangelnden Sprachgewandtheit, besser verstand, als die meist in Gleichnisse gekleideten Berichte seiner eigenen Unterthanen. Nur Nitetis und diesem Fremden gegenüber hatte er je vergessen, daß er König sei. Hier stand der Mensch vor dem Menschen, hier vergaß der stolze Selbstherrscher, daß er mit einem Wesen rede, dessen Leben oder Tod ein Spielball seiner Laune sei. So mächtig wirkt die Würde des Mannes, das Selbstbewußtsein eines sich seines Anspruchs auf Freiheit bewußten Menschen und die überlegene Bildung selbst auf den strengen Despoten. Auch gab es noch etwas Anderes, das Kambyses so schnell für den Athener gewann. Dieser Mann schien gekommen zu sein, um ihm vielleicht den theuersten verloren und mehr als verloren geglaubten Schatz wieder zu geben. Wie konnte aber das Leben dieses ausländischen