Название | Gesammelte Kindergeschichten & Romane von Agnes Sapper |
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Автор произведения | Agnes Sapper |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027208784 |
»Das kann Berta längst selbst,« meinte der Vater.
»Aber nicht so schön, wie die Mutter,« fiel Berta eifrig ein.
»Für die Nacht doch wohl schön genug,« entgegnete der Vater.
»Aber nicht so fest,« behauptete nun Berta. Der Mutter fiel diese Beharrlichkeit auf. Ihr Blick haftete fragend auf Berta. »Ich will ihr gerne das Haar flechten,« versicherte sie und rasch, ehe der Vater noch einmal etwas einwenden konnte, sprach Berta: »Dann sage ich dir gleich gute Nacht, Vater« und sie verließ das Zimmer.
Auf das Tischchen an ihrem Bett legte sie ihr Tagebuch offen hin, daneben die Schlüssel zum Schreibtisch und dann schlüpfte sie so schnell wie möglich ins Bett; sie wollte schon darin sein, ehe die Mutter kam, gerade wie am Hochzeitstag. Mit Herzklopfen wartete sie nun auf die Mutter. »Schon im Bett?« fragte diese ganz erstaunt, als sie nach wenigen Minuten ins Zimmer kam. »Eigentlich hätte ich dein Haar besser machen können, wenn du dich nicht vorher gelegt hättest.«
»Mutter,« sagte jetzt Berta in großer Bewegung, »das Haar kann ich wohl selbst machen; ich möchte dich nur bitten, daß du liest, was ich heute in mein Tagebuch geschrieben habe, sieh, da liegt das Buch.« Und die Mutter las den Satz: »Die Mutter ist jetzt hier, man kann sie mit gar keiner Haushälterin vergleichen; ich habe sie sehr lieb, wenn sie mich nur auch lieb hätte, aber ich glaube es gar nicht bis jetzt.«
»Und das hast du vor mir verbergen wollen, dies Geständnis, das mich so glücklich macht?« rief die Mutter, beugte sich über Berta, zog sie an ihr Herz und küßte sie so innig und warm, wie es Berta nie mehr erlebt hatte seit ihrer Mama Tod.
»Muß ich dir jetzt noch sagen, daß ich dich auch lieb habe, mein Kind, oder fühlst du es?« fragte die Mutter und sah mit einem Blick voll Liebe auf Berta.
»Ich fühle es, Mutter,« sagte Berta, »aber ich habe noch eine Bitte: nimm jetzt die Schlüssel zu dem Schreibtisch und lege deine Sachen hinein, damit ich ganz gewiß weiß, daß du mir glaubst, wie gerne ich dir alles geben möchte, was ich nur habe!«
»Ja, mein Kind, jetzt nehme ich sie gern, weiß ich doch, daß es einem guten Herzen eine Lust ist, denen, die es liebt, ein Opfer zu bringen.«
»Ich möchte dich auch noch etwas fragen, Mutter,« sagte Berta, und errötend flüsterte sie: »Gingest du jetzt nicht mehr von uns fort, wenn es eine Stelle wäre, die man verlassen kann, wenn man will, wie du am Hochzeitsabend zu mir gesagt hast?«
»O, du törichtes Kind, wie kannst du nur so etwas denken! Habe ich nicht Liebe gefunden und kann es etwas Besseres geben auf Erden?«
Noch manch inniges Wort wurde zwischen Mutter und Kind gewechselt, da ließ sich plötzlich draußen des Vaters Stimme vernehmen: »Ist das Haar noch nicht geflochten?«
»Das Haar, ach ja, das Haar!« riefen die beiden und lachten, denn das Haar war ganz und gar vergessen worden. »Nein, wir kommen gar nicht zurecht mit dem Haar,« rief die Mutter, »komm nur herein und hilf uns!«
»Ich soll helfen?« fragte der Vater, aber beim Eintreten sagte ihm der erste Blick, daß es sich nicht in Wahrheit um den Zopf handle. Er sah, daß auf einmal alles anders geworden war zwischen Mutter und Tochter, die sich bis jetzt, zu seinem Kummer, so kühl und zurückhaltend gegenüber gestanden waren. Die Mutter, die gerade noch so fröhlich gelacht hatte, ergriff des Vaters Hand und sagte in sichtlicher Bewegung:
»Daß Berta und ich uns einmal in Liebe begegnen würden, habe ich sicher geglaubt; aber daß wir uns so schnell finden könnten, hätte ich noch heute abend nicht zu hoffen gewagt!«
»Gott sei Dank,« sagte der Vater; und die drei, die da beisammen im stillen Schlafkämmerchen waren, sahen viel glücklicher aus, als damals im strahlenden Hochzeitssaal.
Die Mutter aber richtete sich nun auf und sprach: »Mein Kind muß jetzt schlafen,« und schnell ergriff sie die Haarbürste und begann ihr Werk. »Morgen wollen wir es besser flechten, daß es sicher nicht mehr aufgeht.«
»Ist nicht nötig, Mutter,« sagte Berta und lachte die Mutter dabei so schelmisch an, daß dieser auf einmal klar wurde, welche Bewandtnis es mit dem Haar gehabt hatte.
»Von jetzt an sollst du solche kleine List nicht mehr nötig haben, ich komme von selbst an dein Bett.«
»Und du, Mutter, sollst nicht nötig haben, die Lisette auf den Wunschzettel zu setzen; ich will nicht, daß du meinetwegen die Christine fortschickst, die dich so gern hat!«
»So, solche Pläne sind da geschmiedet worden?« sagte der Vater. »Du wolltest wohl Lisette wieder ins Haus bringen? Das wäre euch aber nicht gelungen, sie heiratet!«
»Ist es dir leid?« fragte die Mutter.
»O nein,« antwortete Berta, »jetzt kann ich sie entbehren, jetzt, Mutter, wo du da bist!«
Die Feuerschau.
Die schönste Straße im Städtchen ist die Ringstraße, das schönste Haus in der Ringstraße ist das Eckhaus mit der Altane; und das schönste Stockwerk im Eckhaus ist der erste Stock. In diesem ist alles neu hergerichtet, frisch tapeziert und gestrichen, alle Möbel in den Zimmern sind nagelneu, alles Geschirr in der Küche blinkt und glänzt. Auch die junge Frau, die an dem feinen Nähtischchen sitzt und strickt, ist noch ein Neuling. Seit acht Tagen erst ist sie Hausfrau, eine recht jugendliche Hausfrau; und noch ein paar Jahre jünger als sie ist das Evchen, das kleine Dienstmädchen, das in frischer, weißer Schürze am Herd steht, ein Liedchen singt und zusieht, wie das Fleisch kocht, das sie und ihre junge Frau miteinander zugesetzt haben.
Die kleine Magd am Herd wurde mitten in ihrem Gesang unterbrochen. Sie hörte ihren Namen rufen durch das offene Küchenfenster. Vom Hof herauf kam der Ruf. Sie sprang ans Fenster. Unten stand das Dienstmädchen der Hausfrau.
»Was gibt’s?« fragte das Evchen hinunter.
»Die Feuerschau ist bei uns, sie kommt gleich zu euch hinauf, du sollst es deiner Frau ansagen.«
Das Evchen ging eiligst zu ihrer jungen Frau, den wichtigen Auftrag auszurichten. »Frau Assessor, die Feuerschau wird gleich zu uns kommen.«
»Die Feuerschau? Was will die wohl?«
Das Evchen wußte es nicht, denn in Weilerdinkelbach, wo sie her war, gab es keine Feuerschau. Die Frau Assessor hatte auch noch nie damit zu tun gehabt; aber es zeigte sich doch, daß sie drei Jahre älter war als ihr Dienstmädchen, denn sie sagte: »Ich kann mir schon denken, warum die Feuerschau kommt, sie wird den neuen Ofen im Besuchzimmer ansehen wollen, oder vielleicht muß sie alle Öfen nachsehen.«
Es währte auch gar nicht lange, da klingelte es draußen und als das Evchen öffnete, standen zwei Herren vor ihr. Die Feuerschau war es nun freilich nicht, sondern zwei Freunde des Herrn Assessor, die ihn besuchen und seine junge Frau kennen lernen wollten. Das konnte aber das Evchen nicht wissen; sie dachte, sie habe die Feuerschau vor sich. »Der Herr Assessor ist nicht zu Hause,« sagte sie auf die Frage des Herrn, »aber kommen Sie nur in das Besuchzimmer.« Nachdem sie die beiden Herren hineingeführt hatte, eilte sie zu ihrer jungen Frau und meldete: »Die Feuerschau ist schon im Besuchzimmer.«
Als die Frau Assessor eintrat, standen zwei fremde Herren vor ihr, und stellten sich vor: der eine nannte sich Ingenieur Maier, von dem andern, dem Archivar Rau, verstand sie nur etwas wie Wau wau; es war ihr auch nicht so wichtig, wie die Herren von der vermeintlichen Feuerschau hießen. Diese aber freuten sich, das hübsche junge Frauchen ihres Freundes kennen zu lernen, sprachen es auch aus und fragten, ob sie sich schon ein wenig heimisch fühle im Städtchen? Die Frau Assessor antwortete darauf sehr freundlich. Sie fand es nett und auch ganz natürlich, daß sogar die Feuerschau teilnahm an ihrem jungen Eheglück, und es wurden einige verbindliche Worte gewechselt. Freilich, zum Sitzen wurden die Herren nicht aufgefordert, dagegen sagte die Frau Assessor: