Название | Gesammelte Kindergeschichten & Romane von Agnes Sapper |
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Автор произведения | Agnes Sapper |
Жанр | Книги для детей: прочее |
Серия | |
Издательство | Книги для детей: прочее |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788027208784 |
Einmal war’s ja vorgekommen im Dorf – das mochte aber schon dreißig Jahre her sein – daß einer ein reicher Mann geworden war durch einen besonders hübschen Puppenkopf, den er geformt hatte. Es war Greiner zumute wie einem, der ein Los genommen, auf das er große Hoffnungen setzt, und nun sieht er der Ziehung entgegen – wird’s eine Niete sein, ein Gewinnst oder gar der Haupttreffer? Der schöne Traum mit dem großen Verdienst in Amerika fiel ihm wieder ein, wie schnell war er verflogen! Nun ja, auch der schöne Traum würde wohl heute abend vorbei sein. Seine Frau wird den kleinen Kopf wieder heimbringen, vor ihn hinlegen und sagen: es hat ihn keiner gewollt. Natürlich, sie hatten ja in Sonneberg Formen genug, was sollten sie andere machen? Die alten Puppenköpfe gefielen ihnen vielleicht viel besser, sie lachten seine Frau wohl aus. Mit all seinem Denken und Fühlen war Greiner bei seiner Frau, nur körperlich weilte er unter seinen Kindern. Er sah und hörte kaum, was sie trieben.
Inzwischen hatte Frau Greiner die Stadt erreicht und suchte Mutter und Schwester auf. – Auch bei diesen stockte in dieser Jahreszeit die Arbeit. Die alte Frau saß am Ofen und ruhte, die Schwester flickte, friedlich und still war’s im Stübchen. Aus dem Topf auf dem Ofen wurde Frau Greiner eine große Tasse voll Kaffee eingeschenkt, der sie angenehm erwärmte nach dem langen Marsch durch die Kälte. Sie hatte schon erzählt, was sie heute in die Stadt trieb, aber das Kunstwerk war noch im Korb.
»So zeig doch einmal den Kopf,« sagte nun die alte Frau. Sorgsam nahm ihn Frau Greiner heraus, gespannt sah sie auf der Mutter prüfendes Gesicht. »Da spar’ dir nur die Müh’, Magdalene,« sagte sie jetzt, »das ist kein richtiger Puppenkopf. Der sieht ja aus wie ein Kinderkopf, den nimmt dir kein Fabrikant ab. Jetzt macht der Greiner in die dreißig Jahr Köpf’ und weiß noch nicht, wie sie aussehen müssen! Hättest’s ihm wohl sagen können, hast’s denn du nicht gesehen?«
»Ja,« sagte die Frau kleinmütig, »anders ist er freilich, als sonst die Puppenköpfe sind, aber er hat halt gemeint, so wären sie schöner.«
»Wie, laß mich’s doch auch recht sehen,« sagte die Schwester und stellte den Kopf an das Plätzchen, an dem sie sonst jahraus jahrein den Köpfen ihren Haarschmuck zurechtmachte. »So einer ist freilich noch nie dagestanden,« sagte sie kopfschüttelnd, »aber so unrecht ist er gerade nicht. Bei dem jungen Fabrikanten Weber drüben, da wär’s doch nicht unmöglich, daß du ihn anbrächtest; da ging’ ich hin, der ist fürs Neumodische; wenn der ihn nicht nimmt, dann nimmt ihn keiner.«
»Kennst du den Mann? Gehst du nicht mit mir?« fragte Frau Greiner.
»Bis ans Haus begleit’ ich dich und wart’ unten; hinauf möcht’ ich grad nicht, sie sind oft so barsch.«
Die Schwestern gingen miteinander, es war nicht weit. Das Haus war geschlossen, am Glockenzug blieben sie zögernd stehen. »Meinst du nicht, man lacht mich nur aus mit meinem elenden Köpfchen? Sollt’ ich’s nicht bleiben lassen? Der Mutter hat’s ja gar nicht gepaßt.«
»Wenn der junge Herr so zufällig herauskäm’, wär’s freilich besser, als wenn man so extra und großartig die Glocke zieht.« Eine Weile standen sie zaghaft auf dem kalten Pflaster. Da mußte die junge Frau an daheim denken, und es war, als ob sie es spürte, wie ihr Mann mit all seinem Denken bei ihr war. »Ich muß in Gottes Namen hinein,« sagte sie, »ich könnt’ mich ja vor meinem Elias heut’ abend nicht blicken lassen.« Sie läutete; die Türe wurde aufgezogen; die Schwester ging einen Schritt zurück und Frau Greiner vorwärts bis an eine Türe mit der Aufschrift »Kontor«, und tapfer hinein in das Zimmer, wo an großen Stehpulten zwei Herren schrieben.
»Sie wünschen?« fragte der eine, der nur einen Augenblick den Kopf erhoben hatte, dann aber eifrig weiterschrieb. Schüchtern und unsicher brachte Frau Greiner ihr Anliegen vor. Einen neuen Puppenkopf habe ihr Mann gemacht, weil sie ein so schönes Waisenkind hätten, nach dem hätt’ er’s gemacht, wie’s leibt und lebt; bei Nacht, weil es seiner Schwester Kind sei und Umschläge brauchte bei Nacht.
»Ja, gute Frau, was geht denn das uns an, was wollen Sie denn eigentlich?« fragte der Schreiber.
»Wir haben gemeint, ob Herr Weber den Kopf nicht kaufen würde?«
»Kaufen? Ja, zu was denn?«
»Daß man Formen danach mache zu Papiermasché-Köpfen. Mein Mann ist Drücker in Oberhain.«
»Wenn er Drücker ist, dann soll er nur die Formen schön ausdrücken; aber die neuen Köpfe, das könnt’ er wissen, die bezieht Herr Weber nicht von den Drückern da draußen im Wald, die werden von den Künstlern geliefert, von rechten Künstlern, die ausgebildet sind auf der Kunstschule. So etwas muß gelernt sein, gute Frau. Jetzt gehen Sie nur heim und machen Sie Ihrem Waisenkind Umschläge, das wird besser sein.« Er lachte und der jüngere Herr am nächsten Schreibpult lachte auch. Aber Frau Greiner war nicht empfindlich; es waren eben junge Herrn, die machten sich gern lustig, das nahm sie nicht schwer. Zeigen wollte sie doch wenigstens den Kopf. Sie nahm ihn aus dem Korb. »Das wäre er,« sagte sie; »der Herr Weber ist wohl nicht zu Haus, daß ich ihm den Kopf zeigen könnt’?«
»Nein,« sagte der Herr und schaute nur flüchtig nach dem Köpfchen. »Herr Weber hat genug neue Muster, fragen Sie nur anderswo; Fabriken gibt es ja hier in jedem dritten Haus, jedes Kind auf der Straße kann Ihnen eine zeigen.«
Frau Greiner packte ihren Schatz sorgsam wieder ein, und dabei sagte sie ganz treuherzig: »Es wär’ mir doch recht gewesen, wenn ich den Herrn Weber hätt’ einen Augenblick sprechen können. Weil er doch fürs Neumodische ist, und so neumodisch wie der Kopf ist, ganz weich ist er noch.« Die Herren lachten, da lachte Frau Greiner mit. »Sie haben halt noch gut lachen,« sagte sie, »Sie sind jung. Aber für meinen Mann ist’s schon anders, wenn ich mit leeren Händen heimkomm’. Man könnt’s Geld so nötig brauchen und er hat schon wunder gemeint, wieviel ich ihm heimbring’! Der macht böse Falten hin!«
Halblaut sagte der ältere Schreiber zum jüngeren: »So gehen Sie eben hinauf und bitten Sie Herrn Weber, daß er einen Augenblick herunterkomme.«
Frau Greiner bemerkte mit großer Genugtuung, daß Herr Weber nun auf einmal zu Hause war. Gleich packte sie ihr Köpfchen wieder aus.
So sehr jung war der Fabrikant nicht mehr, der nun eintrat und zu Frau Greiner sagte: »Einen Kopf hat Ihr Mann gemacht? So lassen Sie mal sehen.« Und während er mit dem Köpfchen in der Hand ans Fenster trat, es fortwährend betrachtend, fragte er: »Wie heißt denn Ihr Mann?«
»Elias Greiner.«
»Hat er denn schon mehr verkauft? Nein? Wo hat er’s gelernt?«
»Nur als Bub war er ein halbes Jahr auf der Schul’.«
»So, so, und was verlangen Sie für den Kopf?«
Die letzte Frage war eine feine Frage! Die Augen von Frau Greiner leuchteten ordentlich, aber was sollte sie antworten? »Ich weiß nicht, was ich verlangen soll,« sagte sie. Inzwischen hatte Herr Weber mit seinem Buchhalter leise verhandelt.
»Wer etwas verkaufen will, der muß auch den Preis machen,« sagte der Fabrikant.
Da wuchs Frau Greiner der Mut. »Ich denk’ halt so,« sagte sie; »Fabriken gibt’s hier in jedem dritten Haus, ich könnt’ überall fragen und es dem Herrn geben, der’s am besten bezahlt.«
Die jungen Herren lachten. Aber der Fabrikant wandte sich ernsthaft an sie: »Ich will Ihnen etwas sagen, Frau, und Sie können es Ihrem Mann ausrichten: der Kopf ist ausgezeichnet geformt, ganz nach dem Leben, aber trotzdem, Sie werden ihn doch nicht leicht verkaufen können. Es ist kein Puppenkopf, wie man