Название | Von Gottes Gnaden - Band I |
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Автор произведения | Nataly von Eschstruth |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711469972 |
Vier Jahre lang habe ich mir den Schwindel mit angesehen und massenhaftes Geld zum Fenster hinausgeworfen, nun endlich riss mir die Geduld. Ich wollte Erfolge sehen.
Die Erfolge bestehen in ein paar Dudeldidums, welche bildschöne Titel führen und merkwürdig an einen gewissen, ausländischen Finanzminister erinnern; Anleihen, lauter Anleihen. Ein solches Ding hat er auch „Ouverture“ (zu einer noch nicht ersonnenen Oper) getauft, und rührte mich hauptsächlich die Thatsache daran, wie hörbar der junge Künstler alter Meister gedenkt. Na, Schwamm darüber, lieber Wigand. Wie gesagt, es steckt absolut kein Genie von Gottes Gnaden hinter dem Jungen; ist alles nur Mache und mühselig zusammengeklexte Unsterblichkeit.
Um hie und da mal ein paar Phantasien und Tonleitern zu hören, ist mir dieser Kunstsport zu teuer, es muss ein Ende gemacht werden, und wenn Elly Tag und Nacht ihre Krämpfe haben sollte, einmal wird sie die Anstrengung schon satt bekommen. Da der berühmte Sohn bereits gewaltig verbummelt ist, ausserdem nichts gelernt und kein Examen bestanden hat, um einen Beruf zu ergreifen, bleibt nichts anderes übrig, als ihn Schollenhüpfer (pardon, lieber Junge) werden zu lassen. Ich will ihm seinerzeit ein Gut kaufen, damit der Bengel festsitzt, vorher aber soll er tüchtig und praktisch lernen. Damit kommen wir endlich auf des Pudels Kern. Du weisst, dass ich grosse Stücke auf dich halte, Wigand.
Dein Einfluss auf Joël war stets ein vorzüglicher, dein musterhaftes Vorbild muss auch ferner auf den Jungen einwirken, wenn noch etwas aus ihm werden soll.
Auch den biedern alten Koltitz achte ich sehr hoch und sehe auch in ihm gerade den richtigen Mann, welcher den allzu weltlich gearteten „Künstler“ zur Vernunft bringen würde. Also kurz heraus, ich möchte meinen Schlingel gern als Volontär zu euch nach Ellerndörp schicken. Wollt ihr ihn? Frage Koltitz und schicke mir bald Bescheid.
Auf dein Wort musst du mir versprechen, dass du den Jungen stramm herankriegst, tüchtig gedrillt und gezwiebelt muss er werden, damit mal die Flausen unter den Künstlerlocken ’rausgeklopft werden.
Das wird ihm gut thun, „fern von Madrid“, ohne Oper, Austernlokale, Café chantant und elegante Weiber welche dem hübschen Bengel vollends den Kopf verdrehen. Hübsch ist Joël nämlich, sehr hübsch sogar, leider Gottes.
„Na, mein wackerer Wigand, nun ist’s gesagt, und nun bitte ich um offene und ehrliche Antwort, ob ihr den Herrn Volontär zum April haben wollt, denn bis dahin habe ich ihm noch Galgenfrist gegeben. Bekommt er bis Ostern eine anständige Stellung als Kapellmeister, Dirigent oder so etwas, von welcher er später mal leben kann, bon, dann mag er in Gottes Namen unsterblich werden, andernfalls bin ich von Stahl und Eisen und stutze dem Musenjüngling die Götterschwingen.
Und somit Gott befohlen. Grüss mir die ganze liebe Familie Koltitz und lege ein gutes Wort bei ihr für deinen Pflegebruder ein. Du selber aber, mein braver, lieber Sohn, sei in alter Liebe umarmt, von deinem getreuen
Pflegevater Eikhoff.
N. S. Meine verdammte Gicht ist wieder toller wie je, bin ein verschrumpfter, krüppliger Invalide. Tante Elly jung, schön, nervös und viel beschäftigt, wie immer, ihr Sohn ... siehe oben.“ — — —
Wigand schwieg und blickte auf, direkt in Erikas Augen. Sie leuchteten — wohl aus Vergnügen über die Nachschrift. Harmlos wandte er sich zu dem Oberst: „Ich habe geredet, lieber Onkel, und harre deiner Entscheidung!“ lächelte er in seiner gutmütigen Weise. „Was der Vater über seinen Einzigen schreibt, braucht ihr nicht allzu wörtlich zu nehmen. Der Geheimrat ist ein Mann, welchem nichts unverständlicher ist, wie Kunst und Genialität. Ob Joël wirklich so wenig begabt ist und so mässiges leistet, wie er behauptet, kann ich nicht beurteilen, da ich ihn seit drei Jahren nicht mehr gesehen; ehemals war er ein seelensguter Junge, welcher nur an der leidenschaftlichen Sucht krankte, berühmt zu werden.“
„Ich kenne Elly“, nickte Frau Henriette nachdenklich, „und glaube es dem Geheimrat gern, dass ihre Eitelkeit den Keim dazu in die Seele des Sohnes legte.“
„Verrückte Weiber! Weiss der liebe Gott, was sie in ihrem Grössenwahn für Unheil stiften.“ Koltitz blies grollend ein paar blaue Dampfwolken und blickte starr vor sich hin. „Aber dass der Alte gerade Ellerndörp zur Besserungsanstalt für den Schlingel ausgesucht hat! Ich — bah — ich! was soll ich wohl für guten Einfluss auf solch einen Allerweltsnarren ausüben!“
Erika legte schmeichelnd den Arm um den Nacken des Oberst. „Papachen, wer weiss, warum es das Schicksal so fügt“, rief sie eifrig. „Wigand sagt, dass der Geheimrat kein Verständnis für Kunst und Musik habe. Denke, wenn er dem unglücklichen jungen Mann unrecht thut, wenn er in seiner Verblendung ein wirkliches Genie, ein gottbegnadetes Talent unterdrückt. Du verstehst so viel, so sehr viel von Musik, Väterchen; denk doch, welch eine herrliche That, wenn du in Joël dennoch einen wahren Künstler entdeckst und ihn, kraft deiner Fürsprache, wieder seinem echten Berufe zuführst.“
Koltitz blies noch dichtere Rauchwolken. Er sah sehr geschmeichelt aus. „Kleine Hexe du“, schmunzelte er, „ich glaube gar, du willst mich zum Kunstmäcen stempeln. Unsinn, mein alter Schädel fasst nichts mehr auf.“
„Väterchen!“
„Schmeichelkatze!“ Er schmunzelte noch mehr. „Ich werfe den Kerl zur Thür hinaus, dass er Hals und Beine bricht.“
„Maus, sei nicht so niedlich!“
„Wie herrlich wird das sein, wenn Joël uns jeden Abend aus deinen Lieblingsopern vorspielt. Dass er sehr gut spielt, gesteht ja selbst sein Vater zu.“
„Wenn man den Lümmel wenigstens mal ansehen könnte, bevor man sich mit ihm copuliert.“
„Kannst du ja, Väterchen. Lass sein Bild kommen.“
„Damit kann ich sogleich aufwarten. Er schickte mir vor wenigen Wochen die neueste Aufnahme.“
„Mag ein guter Hansaff sein.“
„Sehr hübsch wäre er, schreibt der Geheimrat.“
„Der alte Knasterbart scheint ebenso verblendet und vernarrt in den Luftikus, wie die Frau Mutter.“
„So hole ich das Bild.“
„Schnell, schnell.“
Wigand schritt lächelnd zur Thür. Er war kein Diplomat und hatte sich entsetzt vor der Aufgabe, welche ihm der Pflegevater gestellt; jetzt atmete er hoch auf. Seine Angelegenheit lag in den besten Händen, die Tante und Erika warfen sich zum Anwalt seines armen Joël auf. Und welch trefflichen Gedanken hatte die Kleine wieder entwickelt.
Gott im Himmel, wenn Eikhoff seinen Sohn ungerechtfertigterweise