Название | Vae Victis - Band II |
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Автор произведения | Nataly von Eschstruth |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711448267 |
Dazu kam die schiefe Stellung, welche er plötzlich in der Gesellschaft einnahm, die Enttäuschung, die Triumphe des Goldes nicht in dem Kreise, welchem er angehörte, derart feiern zu können, wie es ihm seine Selbstüberhebung vorgegaukelt.
Er ärgerte sich, er trotzte, er ward mehr und und mehr in Empfindungen hineingedrängt, welche sehr bald auf falsche Wege führen. Warum und für wen noch Rücksichten nehmen? Warum als Tugendheld sein Leben vertrauern, wenn ringsum die Freude lockt und glüht? Warum an reicher Tafel fasten, wenn ihm so voll eingeschenkt wird und er Geld, viel Geld hat, um seine Sinne zu berauschen? Ja, berauschen! Das war das rechte Wort! Wie Fieberdurst glühte es plötzlich in seinen Adern, immer brennender und begehrlicher, je mehr sich die Tore schlossen, welche in die „heiligen Hallen“ der exklusiven Geselligkeit führten.
Die Saison war vorüber — ein Tete-a-tete mit seiner Gemahlin war für beide kein Genuss mehr — sie hatten jeglichen Reiz für einander verloren und lebten in recht ungestörter, äusserlich bestharmonischer Ehe — modernsten Musters.
„Sie sagt ‚Monsieur!‘
Er sagt ‚Madame!‘
Ganz nach Pariser Art!“
Und jedes amüsierte sich auf seine Fasson.
Da schmeichelten die glitzernden, gleissnerischen Wogen des grossstädtischen Sündenpfuhls um die Füsse des jungen Mannes, da stiegen sie höher und höher an ihm empor bis zu seinem Herzen, welches im Fiebertraum der Lust nur allzuschnell Ellinors Sprache lallte — keinen Gott und keinen Herrn! —
Höher und höher ... bis es nur noch des letzten, unheilvollen Aufbrausens bedurfte, um über seinem Haupt zusammenzuschlagen.
Vae victis! —
Der Winter war vergangen — der Sommer war nicht auf den Gütern, sondern in den elegantesten Bädern verlebt, welche den Ruf haben, sehr schick, sehr teuer und sehr amüsant zu sein. —
Erst im Herbst kehrte man nach der Residenz zurück, und die amerikanische Villa erblickte dasselbe Leben und Treiben, wie in dem vergangenen Jahr, als die gute Gesellschaft immer spärlicher in den fürstlichen Räumen vertreten war und das Kunstmäzenatentum ein immer durchsichtigeres Deckmäntelchen für die extravaganten Gelüste und Passionen des jungen Paares wurde!
In dem Getreibe einer Grossstadt bleibt manches unbemerkt und geht vieles in dem Trubel und Strudel der Menge unter, bis die einzelnen Gerüchte dennoch durchsickern, bis Frau Fama doch plötzlich auf verbotenen Wegen nachschleicht und dann die Lärmtrompete an die Lippen setzt, um jählings auf Markt und Gassen bekannt zu machen, was man zuvor nur als geheimnisvolles: „Man sagt“ — von Lippe zu Lippe raunte! —
Herr und Frau von Völkern standen immer isolierter auf ihrer goldenen Höhe. —
Ihr spöttisches Lachen und sein ingrimmiges Zürnen, welches anfänglich die „Spiessbürger“ und „Mucker“ geisselte, verstummte, und das Scherzen und die tolle Fröhlichkeit ihres so köstlichen Auslebens klang mehr und mehr gewaltsam, wie bei einem Trunkenen, welcher die erschlaffenden Lebensgeister noch einmal mit doppelt starken Dosen von Alkohol aufpeitscht, ehe sie vollends in sich zusammensinken. —
Sowohl die amerikanische Villa wie das so viel durchärgerte Leben in der Residenz hatten ihren Reiz verloren.
Auch der zweite Sommer ward durch weite Reisen in das Ausland ausgefüllt, und im Spätherbst kehrte man nur noch einmal für ganz kurze Zeit nach Paris zurück, um für eine Winterkampagne in Ägypten zu rüsten.
Fünfzehntes Kapitel.
Die Sonne war in wunderbarer Klarheit untergegangen und löste mit dem letzten Scheidegruss eine Farbenpracht aus, wie sie nur in Märchenträumen oder dem Orient zu finden sind.
Der Himmel flammte in Lichtgluten, welche vom grellen Schwefelgelb bis in das feurigste Orange spielten, durchblitzt von Purpurstreifen, welche, gleich dem königlichen Banner des Tages, zur letzten Huldigung für den Scheidenden gehisst waren! —
Nach Osten lagerte noch das tiefe Azurblau über dem Horizont, sich in köstlichem Farbenspiel abtönend, bis das Feuermeer des Sonnenuntergangs die Regenbogenskala verschlang und wabernde Lohe über die wehenden Schleier der Lichtgöttin triumphierte. — Aus dem Niltal stieg es zart und duftig wie ein Hauch empor.
Die graziösen Blätterkronen der Palmen schimmerten violett und taubengrau; breite, blendende Reflexe lagen auf den langsam rollenden Wogen des Flusses, und in dem eleganten Luxor blitzten die ersten Lichter auf, begann das interessante und internationale Leben der grossen Hotels.
Auf den Terrassen des Savoyhotels trank man nach dem Diner den Kaffee und träumte, in den bequemen Sesseln liegend, ein Märchen aus Tausend und einer Nacht, dessen Mittelpunkt jedoch das hochmoderne Abendland mit all seinem verschwenderischen Luxus, seinen Errungenschaften der Neuzeit und seinen lebensfrohen Menschen bildete, welche es per Dampfer und Extrazug hinausgetrieben, die Wunder des Südens mit eignen Augen zu schauen. In dem Garten mit all seiner tropischen Pflanzenpracht huschten die schlanken, braunen Gestalten der Ägypter, welche, zum Teil sehr malerisch kostümiert, ihre Verkaufsartikel feilboten oder träge hingelehnt, einer Bestellung für Reittier oder Wagen warteten. —
An einem kleinen Tisch, auf welchem die eleganten Mokkatassen dufteten und erlesene Liköre in farbigen Kelchgläschen glühten, hatte eine kleine Gesellschaft Platz genommen. Baronin von Völkern, in einer Toilette, welche der Poesie dieser Umgebung und dem Geschmack der Trägerin alle Ehre machte, war an dem Arm ihres schönen Gemahls über die Terrasse geschwebt, um sich lässig in einen der niederen Sessel gleiten zu lassen — Mattfarben blauer Crêpe de Chine floss wie ein Spinngewebe in weichsten Falten an der überschlanken Direktoirfigur nieder und verlor sich in langer Schleppe, von deren Saum eine schwere Silberstickerei emporstieg und sich über das ganze Vorderteil des Kleides emporrankte.
Schalartig gebundene Schärpen, durch breite Silberfranzen beschwert, schlangen sich, über der Brust kreuzend, um die kurze Taille und rieselten lang auf die Schleppe hernieder; Sträusse von frischen, weissen Hyazinthen dufteten sehr stark an dem Ausschnitt der tief dekolletierten Taille, und um den Hals wand sich ein vielreihiges Perlenhalsband, durch die erlesensten Brillantspangen zusammengehalten.
So wenig hübsch auch das Gesicht der jungen Frau war, und so unsympathisch es durch seinen Ausdruck sentimentaler Arroganz ward, wirkte die ganze Erscheinung dennoch verblüffend schick und reizte die abenteurlustige Männerwelt, dieser Dame, welche durchaus nicht abgeneigt schien, Romane zu erleben, die Schleppe zu tragen.
Bonaventura war nicht im mindesten eifersüchtig, nicht einmal auf den so hochinteressanten und eigenartigen Syrier, den Grafen Nicodemo Cassarate, dessen Anblick bereits seine extravagante Gattin in einen wahren Taumel der Begeisterung versetzte. Sie brachte die Lorgnette gar nicht von den Augen, wenn der eigenartige Mann in dem Speisesaal oder auf der Terrasse erschien, bis sich der so stark Provozierte schliesslich mit einem wunderlichen kleinen Lächeln Herrn von Völkern vorstellte mit der lakonischen Bitte: „Führen Sie mich zu madame la baronne.“
Dies geschah selbstverständlich sofort.
Seit jener Stunde war Graf Nicodemo Cassarate der tägliche Begleiter Ellinors — ja, man hätte sagen können, ihr Verehrer, wenn dieser Titel für den wunderlichen Herrn gepasst hätte. —
Richtiger war es, die Baronin seine Verehrerin zu nennen, deren schmachtende Bewunderung der interessante Mann so nachsichtig huldvoll, beinahe resigniert erduldete, wie der Mond sich anbellen lassen muss, weil er es leider nicht verbieten kann. —
Graf Nicodemo war kein schöner Mann in des Wortes eigentlichster Bedeutung, aber er war eigenartig, so ganz aussergewöhnlich und hinreissend originell, dass er selbst die schönsten Engländer und Franzosen, welche in Luxor für unwiderstehlich galten, fraglos in den Schatten stellte.
Ein schmales, fleischloses, sehr scharfgeschnittenes Gesicht, mit kühn gebogener Nase und zwei tiefliegenden Schwarzaugen, welche in unbändiger Leidenschaft wie ein Höllenbrand glühten — grosse,