Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

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Название Die Eroberung von Plassans
Автор произведения Emile Zola
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726683301



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Steuerpflichtigen.“ Dieser Scherz entzückte ihn. Er stellte das leere Glas, das er in der Hand hielt, auf den Kamin; und näherrückend, sich niederbeugend, fuhr er fort: „Was es hier an Vergnüglichem gibt, sind die fortwährenden Komödien, die sich abspielen. Wenn Sie die Personen kennen würden! — Dort hinten sehen Sie Madame Rastoil zwischen ihren beiden Töchtern, diese etwa fünfundvierzigjährige Frau, die einen Kopf wie ein blökendes Schaf hat . . . Nun ja! Haben Sie das Zucken ihrer Augenlider bemerkt, als sich Delangre ihr gegenüber hingesetzt hat? Jener Herr, hier links, der wie ein Hanswurst aussieht . . . Sie haben sich vor einigen zehn Jahren intim gekannt. Es heißt, eines der beiden Fräulein sei von ihm, aber man weiß nicht mehr recht, welches . . . Das drolligste ist, daß Delangre um die gleiche Zeit herum kleine Sorgen mit seiner Frau gehabt hat; man erzählt, daß seine Tochter von einem Maler sei, den ganz Plassans kennt.“

      Abbé Faujas hatte geglaubt, eine ernste Miene aufsetzen zu müssen, um solche vertraulichen Geständnisse entgegenzunehmen; er schloß die Lider gänzlich; er schien nicht mehr zuzuhören.

      Herr de Condamin fuhr fort, als wollte er sich rechtfertigen: „Wenn ich mir erlaube, so von Delangre zu sprechen, so deshalb, weil ich ihn gut kenne. Er ist verflixt tüchtig, dieser Teufelsmensch! Ich glaube, sein Vater war Maurer. Vor etwa fünfzehn Jahren führte er die kleinen Prozesse, von denen die anderen Rechtsanwälte nichts wissen wollten. Madame Rastoil hat ihn tatsächlich aus dem Elend herausgezogen; sie schickte ihm sogar das Winterholz, damit er es schön warm hatte. Durch sie hat er seine ersten Gerichtsfälle gewonnen . . . Beachten Sie, daß Delangre damals die Geschicklichkeit besaß, keinerlei politische Meinung zu zeigen. Als man 1852 einen Bürgermeister suchte, hat man deshalb auch unverzüglich an ihn gedacht; er allein konnte eine solche Stellung annehmen, ohne einen der drei Stadtteile in Schrecken zu versetzen. Seit jener Zeit ist ihm alles gelungen. Er hat die schönste Zukunft. Das Unglück ist, daß er sich mit Péqueur nicht sehr versteht. Sie streiten zusammen immer über Dummheiten.“ Er hielt inne, als er den großen jungen Mann zurückkommen sah, mit dem er eine Weile zuvor geplaudert hatte. „Herr Guillaume Porquier“, sagte er und stellte ihn dem Abbé vor, „der Sohn von Doktor Porquier.“ Als Guillaume sich gesetzt hatte, fragte er ihn grinsend: „Na! Was haben Sie da nebenan Schönes gesehen?“

      „Wahrhaftig nichts“, antwortete der junge Mann in scherzhaftem Ton. „Ich habe die Paloques gesehen. Madame Rougon bemüht sich immer, sie hinter einen Vorhang zu verstecken, um Unheil zu verhüten. Eine schwangere Frau, die sie eines Tages auf dem Cours Sauvaire erblickt hat, hätte beinahe eine Frühgeburt gehabt . . . Paloque läßt Präsident Rastoil nicht aus den Augen, weil er zweifellos hofft, ihn vor Angst, die nach innen schlägt, umkommen zu lassen. Sie wissen, daß dieses Scheusal Paloque damit rechnet, als Präsident zu sterben.“

      Beide erheiterten sich. Die Häßlichkeit der Paloques war in der kleinen Beamtenwelt Gegenstand ewiger Spötteleien. Die Stimme senkend, fuhr der junge Porquier fort:

      „Herrn de Bourdeu habe ich auch gesehen. Finden Sie nicht, daß der Mann seit der Wahl des Marquis de Lagrifoul noch magerer geworden ist? Bourdeu wird sich nie darüber hinwegtrösten, nicht mehr Präfekt zu sein; er hat seinen Orleanistengroll in den Dienst der Legitimisten gestellt, in der Hoffnung, das würde ihn geradewegs in die Kammer bringen, wo er die so sehr vermißte Präfektur wieder ergattern könnte . . . Deshalb ist er auch darüber fürchterlich gekränkt, daß man ihm den Marquis vorgezogen hat, einen Dummkopf, einen Erzdummkopf, der überhaupt nichts von Politik versteht, während er, Bourdeu, sehr tüchtig, ungemein tüchtig ist.“

      „Er ist todlangweilig, der Bourdeu, mit seinem zugeknöpften Gehrock und seinem flachen Altliberalenhut“, sagte Herr de Condamin mit einem Achselzucken. „Ließe man diese Leute gehen, machten sie aus Frankreich eine Sorbonne von Advokaten und Diplomaten, in der man sich gewaltig langweilen würde, versichere ich Ihnen . . . Ach! Ich wollte Ihnen sagen, Guillaume, man hat mir von Ihnen erzählt; Sie scheinen ein hübsches Leben zu führen.“

      „Ich?“ rief der junge Mann lachend.

      „Ja, Sie, mein Bester; und ich habe diese Dinge wohlgemerkt von Ihrem Vater. Er ist untröstlich, er beschuldigt Sie zu spielen, die Nacht im Klub und anderswo zu verbringen . . . Stimmt es, daß Sie hinter dem Gefängnis ein anrüchiges Café entdeckt haben, wo sie mit einer ganzen Schar von Strauchdieben hingehen, um Ihr Geld zu verjuxen? Man hat mir sogar erzählt . . .“

      Da Herr de Condamin zwei Damen hereinkommen sah, sprach er leise weiter dicht an Guillaumes Ohr, der mit dem Kopf nickte und losprustete vor Lachen. Dieser beugte sich seinerseits nieder, um zweifellos einige Einzelheiten hinzuzufügen. Und näher aneinanderrückend, ergötzten sich beide längere Zeit mit funkelnden Augen an diesem Geschichtchen, mit dem man sich vor Damen nicht herauswagen konnte.

      Abbé Faujas war währenddessen dort geblieben. Er hörte nicht mehr zu; er verfolgte Herrn Delangres Bewegungen, der im grünen Salon hin und her lief und Liebenswürdigkeiten verschwendete. Dieses Schauspiel nahm ihn derart gefangen, daß er nicht sah, wie ihn Abbé Bourrette zu sich heranwinkte. Der Abbé mußte herkommen, ihn am Arm berühren und ihn bitten, ihm zu folgen. Er führte ihn mit den Vorsichtsmaßregeln eines Mannes, der irgendeine heikle Angelegenheit zu sagen hat, bis in das Spielzimmer.

      „Mein Freund“, flüsterte er, als sie in einer Ecke allein waren, „Sie sind zu entschuldigen, es ist das erste Mal, daß Sie hierherkommen; aber ich muß Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie sich überaus kompromittiert haben, indem Sie solange mit diesen Leuten sprachen, von denen Sie eben weggegangen sind.“ Und da Abbé Faujas ihn sehr überrascht ansah, fuhr er fort: „Diese Leute sind nicht gut angesehen . . . Gewiß, ich beabsichtige nicht, ein Urteil über sie zu fällen, ich will an keinerlei übler Nachrede teilhaben. Aus Freundschaft für Sie mache ich Sie darauf aufmerksam, das ist alles.“

      Er wollte sich entfernen, aber der andere hielt ihn zurück und sagte lebhaft:

      „Sie beunruhigen mich, lieber Herr Bourrette. Drücken Sie sich bitte deutlich aus. Es scheint mir, daß Sie mir auch ohne üble Nachrede Aufklärung verschaffen können.“

      „Nun gut!“ erwiderte der alte Priester nach einigem Zögern, „der junge Mann, Doktor Porquiers Sohn, betrübt seinen ehrenwerten Vater aufs tiefste und gibt der studentischen Jugend von Plassans die schlimmsten Beispiele. In Paris hat er nichts als Schulden zurückgelassen, hier stellt er die Stadt auf den Kopf . . . Was Herrn de Condamin angeht . . .“ Er hielt abermals inne, weil ihn die ungeheuerlichen Dinge, die zu erzählen hatte, in Verlegenheit brachten; dann fuhr er fort und senkte dabei die Lider: „Herr de Condamin ist mit Worten sehr leichtfertig, und ich fürchte, er hat kein Gewissen. Er verschont niemanden, er erregt bei allen ehrbaren Seelen Ärgernis . . . Kurzum, ich weiß nicht recht, wie ich Ihnen das beibringen soll, man sagt, er habe eine wenig rühmliche Ehe geschlossen. Sehen Sie diese junge, noch nicht dreißigjährige Frau, die so umringt ist. Nun ja! Er hat sie uns eines Tages nach Plassans gebracht, man weiß nicht recht woher. Vom Tage nach ihrer Ankunft an war sie hier allmächtig. Sie war es, die ihrem Mann und Doktor Porquier Orden verschafft hat. Sie hat Freunde in Paris . . . Ich bitte Sie, erzählen Sie diese Dinge nicht weiter. Madame de Condamin ist sehr liebenswürdig, sehr mildtätig. Ich gehe manchmal zu ihr, ich wäre untröstlich, wenn sie mich für ihren Feind hielte. Wenn sie Fehler hat, die zu verzeihen sind, so ist es unsere Pflicht, ihr zu helfen, zum Guten zurückzukommen, nicht wahr? Was den Gatten anbelangt, so ist er ein schlechter Mensch, unter uns gesagt. Seien Sie ihm gegenüber kühl.“

      Abbé Faujas sah dem würdigen Bourrette in die Augen. Er hatte eben bemerkt, daß Frau Rougon mit besorgter Miene ihrem Gespräch von ferne folgte.

      „Hat Madame Rougon Sie nicht gebeten, mir einen guten Wink zu geben?“ fragte er plötzlich den alten Priester.

      „Sieh mal einer an, wieso wissen Sie das?“ rief dieser sehr erstaunt aus. „Sie hatte mich gebeten, nicht von ihr zu sprechen; aber da Sie ja erraten haben . . . Sie ist eine gute Frau und wäre sehr bekümmert, wenn sie sähe, daß ein Priester bei ihr eine schlechte Rolle spielt. Sie ist leider gezwungen, alle möglichen Leute zu empfangen.“

      Abbé Faujas dankte und versprach, vorsichtig zu sein. Die Spieler rings um die beiden hatten nicht aufgeblickt. Er ging in den großen