Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte. Auerbach Berthold

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Название Die Geschichte des Diethelm von Buchenberg. Eine Schwarzwälder Dorfgeschichte
Автор произведения Auerbach Berthold
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788726614541



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ihm, theils fühlte er auch wohl, wie ungemäss diese Erscheinungsart für die Fränz war. Der Wirth suchte ihn zu beschwichtigen, aber eine Stimme aus der Ecke rief:

      ,,Der Herr Diethelm hat ganz Recht: die gewohnte Tracht ziert den Bauersmann am besten, und ist auch die nützlichste, weil sie nicht aus der Mode kommt.“

      Zu seinem Schreck erkannte Diethelm den Kastenverwalter und doch that er rasch freundlich zu ihm und rühmte sich beim Glase sehr viel, wie stolz er darauf halte, ein schlichter echter Bauersmann zu sein.

      ,,Dreieckiger Hut, dreifache Versicherung, hat ehemals bei uns gegolten,“ sagte ein hagerer Stammgast mit langer Pfeife, der neben dem Kastenverwalter sass und sich als Kaufmann Gäbler aus der Stadt zu erkennen gab. Und wo Drei im Vaterlande heutigen Tages beisammen sitzen, sprechen sie über die fortschreitende Noth und Verarmung des mittleren Bürger- und Bauernstandes. So auch hier.

      Leicht aber nehmen solche Gespräche eine selbstische Wendung, die mehr oder minder ausdrücklich darauf hinausläuft, sich am eigenen Wohlgefühl zu erquicken. Diethelm verstand es dabei meisterlich, eine bescheidene Grossthuerei an den Tag zu legen; und als der Kastenverwalter die sichern Hypotheken lobte, gab Diethelm zu verstehen, dass er deren auch manche habe, dass er sie aber für den Handel nicht angreife. „Das wäre ja,“ sagte er, „wie wenn man einen Balken aus dem Hause nähme, um damit Feuer auf dem Herd zu machen.“ Der Kastenverwalter fand das klug und lobte das Haus Diethelm, und dieser fand ein eigenes Wohlgefühl darin, mit Prahlereien, um sich zu werfen und sie dünkten ihn bald nichts als reine Wahrheit; denn es ist ja gleich was man besitzen mag, wenn nur die Menschen daran glauben: der Glaube macht selig und der Glaube macht reich. Endlich rückte der Kaufmann Gäbler mit seinem eigentlichen Vorsatze heraus, er war Agent einer Brandversicherungs-Gesellschaft und Diethelm sollte die eingekaufte Waare und all seinen Hausrath versichern. Mit überlautem Widerspruch verneinte Diethelm diese Zumuthung und hatte dafür allerlei unhaltbare Gründe vorzubringen, die der Kastenverwalter mit Siegesstolz widerlegte, wobei er mit besonderem Nachdruck wiederholte: dass nicht der Bauer Diethelm, sondern das Handlungshaus Diethelm versichern müsse. Als endlich auch der Sternenwirth beistimmte, gab Diethelm nach, aber unweigerlich beharrte er gegen den neuen Vorschlag: auch sein Leben zu versichern; ja es wäre vielleicht darob zu einem heftigen Streite mit dem Kastenverwalter gekommen, wenn nicht plötzlich ein Zwischenfall eingetreten wäre, der Diethelm im hellsten Glanze strahlen machte. Ein junger Mann trat ein und fragte nach Diethelm; dieser ging auf ihn zu und begrüsste ihn mit hoher Freude und zwang ihn mit an den Herrentisch zu sitzen. Nach vielem Widerstreben willfahrte der junge Mann, der ein Zeugweber aus der Stadt war, und so viel auch Diethelm abmehrte, bald sprach Alles am Tisch nur Lob und Preis über ihn, denn der junge Handwerker, Kübler mit Namen, war Bräutigam mit der Bruderstochter Diethelms aus Letzweiler, und Diethelm allein war es, der das Mädchen ausstattete, so dass zu Neujahr die Hochzeit sein sollte. Diethelm nickte bejahend, als der Kaufmann Gäbler sagte: „Wenn Der Vetter Diethelm für. Euch gut sagt, Kübler, könnt Ihr bei mir holen, was Ihr wollt.“ Immer aufs Neue erhob sich das Lob Diethelms, der mit fürstlicher Freigebigkeit seinen Verwandten aufhelfe und der Sternenwirth nannte ihn sogar einen Napoleon. Anfangs war Diethelm dieser Ruhm im Beisein seines Gläubigers peinlich gewesen; als aber auch der Kastenverwalter einstimmte, war es ihm, als wachse er immer. Und als endlich der Beginn des Honoratioren-Balls in der Post angekündigt war, trat Diethelm so breit in den Saal, dass die beiden Flügelthüren nicht vergebens aufgemacht waren.

      Diethelm fühlte sich bei all seinem Stolz doch bald nicht recht wohl bei dieser Lustbarkeit. So genehm es ihm auch war, mit Beamten an Einem Tisch zu sitzen, er machte sich doch bald zu dem alten Sternenwirth, der daheim in der untern Stube geblieben war, und hier ging ihm eine neue Hoffnung auf. Der Sternenwirth sagte offen, dass er und Diethelm keine Unterhändler brauchten und erklärte geradezu, dass sein Wilhelm und die Fränz wohl für einander passten; er verbreitete sich sehr über die wirthliche Tüchtigkeit eines klugen Bauernmädchens und wie wohl angelegt hier eine reiche Mitgift sei. Diethelm gab nur abgebrochene Antworten und hielt dabei immer der Art inne, dass der Sternenwirth etwas einschieben musste. Immer wohlgemuther und zutraulicher wurden die beiden Genossen, denn der Sternenwirth bewährte heute an sich seine alte wirthliche Ermahnung: „Der Wein hängt an einander.“ Mit diesem Worte brachte er immer wieder volle Flaschen auf den Tisch.

      Spät in der Nacht, als die Gäste sich bereits entfernt hatten, sassen Diethelm und Fränz noch bei den Wirthsleuten und es war ihnen Allen so vertraut zu Muthe, dass man sich gar nicht trennen mochte; und doch sprach man nichts von der neuen Familieneinigung, aber diese schien Allen in der Seele zu leben.

      Um dieselbe Zeit sass in Buchenberg noch die Frau Diethelms harrend bei der einsamen Lampe. Es war eine Frau von grosser hagerer Gestalt und feinem fast vogelartigem Gesichte, sie war ersichtlich älter als Diethelm; und wie sie jetzt tief Athem holend. vom Spinnen aufschaute und in die Lampe hinein starrte, sah man, dass ein schwerer Kummer sich in diesem Antlitze heimisch angesiedelt hatte. Sie hatte heute alle heimkehrenden Marktgänger nach ihrem Mann ausgefragt: die Einen gaben nur halben Bescheid, die Anderen verkündeten Dinge die unglaublich waren. Freilich hielt Diethelm streng darauf, dass sie keine volle Einsicht in seine Handelschaft hatte, so viel aber wusste sie doch, dass er jetzt baar Geld brauchte, er konnte also unmöglich eingekauft haben. Mit den heimkehrenden Marktgängern, ihren mitgebrachten Lederspangen, Gewandstoffen, Kinderpfeifen und Kindertrompeten, mit der Musterung der eingekauften Pferde und Kühe, vor Allem aber mit der lärmenden Laune der Angetrunkenen war etwas von dem geräuschvollen Marktgewühl in das stille Dorf gedrungen und die Heimgebliebenen sahen dem verwunderlich zu; vor Allen aber betrachtete die Grobbäuerin — wie Martha Diethelm noch immer nach ihrem ersten Manne genannt wurde — das Alles als wäre es etwas Unerhörtes. Da zeigten die Einen — die neuen Schuhe und Stiefel, die sie in der Hand trugen und liessen um den Preis rathen, oder sie übergaben den Kindern die für sie eingekauften, die damit davon rannten; Andere liessen ihre neuen Hüte mustern, die sie auf dem Kopfe trugen, während sie die alten in der Hand hielten, und mancher Spassvogel stülpte den neuen Hut über den alten auf den Kopf. Der Schmied hatte seinen Weissdornstock quer über den Rücken gelegt und die Arme als Haken darüber geschlungen, Martha wusste nicht, war es die Weinlaune oder Ernst als er ihr berichtete: der Diethelm käme zehnmal so reich wieder heim. Als es wieder still im Dorfe! wurde, in den Häusern die Lichter erflammten und ein Jedes im Kreise der Seinen erzählte, was ihm am heutigen wichtigen Tage begegnet war, sass Martha noch immer im Dunkeln in ihrer Stube; ihr war so bang, sie war wie festgezaubert, dass sie der Magd nicht nach Licht rufen konnte; und als diese endlich von selbst damit kam, heiterte sie sich wieder auf: es war ja nichts geschehen, worüber sie zu, bangen ein Recht hatte, und sie liess sich gern von der Magd berichten, welche neue Kleider u. dgl. in das Dorf gekommen waren. Als endlich Schlafenszeit und noch immer kein Diethelm und keine ausdrückliche Nachricht von ihm kommen wollte, schickte sie die Magd zu Bett und setzte sich an ihren Spinnrocken, um sich wach zu halten. Die Wanduhr schlug neun, die an Ketten hängenden Gewichte rasselten nieder und pochten an den Uhrenkasten. Martha erhob sich und zog die Uhr auf, sie erinnerte sich, wie in der ersten Zeit ihrer Ehe, als Diethelm noch ,,hauslich“ war, er jeden Abend selbst zur bestimmten Stunde die Uhr aufgezogen; sie betrachtete das Zifferblatt: da stand mit grosser Schrift ihr Name und der Diethelms, so wie die Jahreszahl ihrer Hochzeit in einem Blumenkranze. Damals als die Uhr zum Erstenmal hier hing, war grosse Freude, und wie viel schwere Stunden hat sie seitdem geschlagen und wie ist sie selbst ein Erinnerungszeichen des Zerfalls geworden, denn diese einfache Uhr kostete dreitausend Gulden; Diethelm halte für seinen Schwager, der sich mit dem Uhrenhandel beschäftigte, um diese Summe Bürgschaft geleistet, der Schwager war in der Fremde geblieben, und man konnte noch von Glück sagen, dass er seine Familie nachkommen liess, nachdem man sie mehrere Jahre ernähren musste.

      Ach! An Alles knüpften sich traurige Erinnerungen.

      Es war still ringsum, denn das Haus Diethelms lag weitab vom Dorf auf einer Anhöhe. Martha öffnete das Fenster, horchte hinab und schaute hinein in die sternglitzernde Nacht, dann setzte sie sich wieder zur wachhaltenden Arbeit und ihr ganzes Leben zog an ihrem Sinnen vorüber. Jung verheirathet an einen grämlichen, bis zum Hungerleiden geizigen Mann, der nicht umsonst der Grobbauer hiess, hatte sie ein schweres Loos; sie gebar drei Kinder, von denen sie zwei begrub und nur das älteste, eine Tochter, war ihr geblieben als auch ihr Mann starb. Sie verfeindete sich mit