Ein Traumpferd für Petra. Torbjörg Hagström

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Название Ein Traumpferd für Petra
Автор произведения Torbjörg Hagström
Жанр Языкознание
Серия Petra
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711786857



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ihm alles zu erklären.

      Während der Schulstunden dachte sie immer wieder an den Pferdetransport. Beim hellen Tageslicht kam ihr das morgendliche Abenteuer fast unwirklich vor, und es erschien ihr plötzlich albern, daß sie sich so gefürchtet hatte. Daß ein Pferdetransportwagen im Schnee steckenblieb, war ja nicht weiter seltsam. Sicherlich hatten die beiden Männer Streit miteinander gehabt, doch daran war wohl nichts Verdächtiges? Wahrscheinlich lag es an der Dunkelheit, daß ihre Phantasie mit ihr durchgegangen war.

      Als Petra nach Hause kam, schlüpfte sie in ihre Reitsachen. Es war Freitag, und für Samstag hatte die Reitschule einen sogenannten „Reklametag“ mit Vorführungen und Reitstunden für Kinder geplant. Petra wollte bei der Quadrille mitreiten, und heute stand die Generalprobe bevor.

      Sie nahm die Abkürzung durch den Wald; einen Pfad, den sie früher viele Male geritten war. Wie sehr wünschte sie, sie könnte den Weg auch diesmal auf dem Rücken eines Pferdes zurücklegen! Fast fünf Jahre lang hatte sie ein eigenes Pony gehabt und konnte so oft reiten wie sie nur wollte. Nun mußte sie sich mit ein oder zwei Reitstunden pro Woche begnügen. Doch sie mochte die Pferde der Reitschule gern; vor allem Polly, das schimmelfarbene Vollblut, das sie in der Quadrille reiten sollte.

      Karin, die Reitlehrerin, war an diesem Nachmittag sehr streng mit ihren Schülern. Trotz der Kälte kamen sowohl Pferde als auch Reiter ordentlich ins Schwitzen.

      „Danke für heute, ihr habt gut gearbeitet!“ rief sie schließlich. „Reitet noch etwas im Schritt, bis die Pferde trocken sind, und bringt sie dann in den Stall. Wenn morgen auch alles so gut klappt, können wir zufrieden sein.“

      Rosemarie, ein munteres, dralles Mädchen mit dunklen Augen und dunklem Haar, ritt neben Petra.

      „Wie steht’s mit dem Pferdekauf?“ fragte sie.

      „Papa und ich wollen übermorgen zu einem Pferdehändler fahren“, erwiderte Petra. „Ich hoffe wirklich, daß wir endlich das richtige Pferd finden.“

      „Freilich, du suchst ja schon seit Anfang Herbst. Gibt es denn wirklich so wenig gute Pferde?“

      „Ach, es gäbe mehr als genug, aber die sind viel teurer, als ich anfangs glaubte“, sagte Petra und streichelte Pollys Hals.

      Rosemarie warf ihr einen Seitenblick zu, erwiderte jedoch nichts. Petra wußte auch so, was sie sagen wollte: Warum hast du nur Svala verkauft? Ja, alle ihre Freunde von der Reitschule wunderten sich. Und Petra war es mit der Zeit müde geworden, immer wieder gefragt zu werden und Erklärungen abgeben zu müssen. Außerdem wollte sie es auch gar nicht erklären! Es ging niemanden etwas an, weshalb sie ihr Pony an die blinde Astrid verkauft hatte.

      „Darf ich am Sonntag mitkommen?“ fragte Rosemarie in ihre Gedanken hinein.

      „Ja, natürlich, wenn du magst.“

      Rosemarie ritt auf Ballade zur anderen Seite der Reithalle, und Petra grübelte weiter über Svala nach.

      Ja, wie konnte man ein Pony wie Svala verkaufen? Ein wunderschönes New-Forest-Pony, das nicht nur gute Leistungen im Dressurreiten und im Springen zeigte, sondern außerdem auch klug, liebenswert und folgsam war. Sicher hatten alle, die wußten, wie sehr Petra an ihrem Pony hing, sie für verrückt gehalten, als sie von dem Verkauf erfuhren.

      Nein, es war schon zu verstehen, daß die Freunde von der Reitschule ihre Fragen gestellt hatten, Anfangs hatte Petra natürlich nicht einmal im Traum daran gedacht, Svala herzugeben. Als sie sich die Sache jedoch genauer überlegte, sah sie ein, daß es das einzig Richtige war, was sie tun konnte.

      Agneta und Charlotte Verelius, die Töchter des Reitschulbesitzers, waren die einzigen, die sich über den Verkauf nicht gewundert hatten. Ihrer Meinung nach sollte man kein Pony mehr reiten, wenn man älter als zehn Jahre war. Natürlich nahmen sie an, daß Petra nur froh war, Svala zu verkaufen und dadurch Geld für ein größeres Pferd zu bekommen.

      Petra ließ die beiden bei diesem Glauben. Die Zwillinge Verelius hätten sie sowieso nie verstanden!

      Astrid belauscht ein Gespräch

      Die Mädchen saßen auf ihren Pferden, bereit, auf die Bahn zu reiten. Polly tänzelte ungeduldig hin und her, und Petra hatte Mühe, sie zurückzuhalten. Die dunkelbraune Stute Puppe, fast schwarz in ihrem dichten Winterfell, stand ruhig und unbeweglich neben ihr. Es war ein klarer, kalter Wintertag, und der Atem der Pferde stieg wie Rauchwolken aus ihren Nüstern.

      Die Reiter sahen aufmerksam auf Karin, die Reitlehrerin. Nun hob sie leicht die Hand. Das war das verabredete Startzeichen, und während Karin das Tonband anstellte, setzten sich die Pferde in Bewegung. Die Vorführung hatte begonnen.

      Im Stall saß ein Mädchen, das sich nicht im geringsten für die Vorführung interessierte. Es war ja das gleiche Programm wie vor einem halben Jahr, als die Reitschule eingeweiht wurde. Damals hatte Astrid alles „gesehen“ – wenn auch durch Petras Augen –, doch nun zog sie es vor, bei ihrem Pony in der Box zu sitzen.

      Daß Svala wirklich ihr gehörte, erschien Astrid jedesmal wieder unvorstellbar, so oft sie daran dachte. Nie würde sie ihren dreizehnten Geburtstag vergessen, als sie das Pony bekam. Es war der glücklichste Tag ihres Lebens!

      Nun saß sie zusammengekauert in einer Ecke der Box, mit dem Rücken zur geschlossenen Halbtür. Alle Leute waren draußen und sahen sich die Vorführung an, und im Stall war es still und friedlich. Svala fraß so behaglich von ihrem Heu, und vom Hofplatz klang gedämpfte Musik herein.

      Es war kaum ein Jahr her, seit Astrid angefangen hatte zu reiten, doch jetzt fragte sie sich bereits, wie sie früher ohne Pferde leben konnte. Sie hatte Tiere immer gern gehabt, und in der Blindenschule waren ein paar ihrer Mitschüler geritten. Doch Astrid hatte nicht gewagt, es selbst zu versuchen. Erst als ihre kleine Schwester Lena zu reiten begann, faßte sie Mut. Das war zu Beginn der Sommerferien, als sie von der Blindenschule nach Hause kam. Doch Karin war nicht bereit gewesen, die blinde Astrid in eine gewöhnliche Anfängergruppe aufzunehmen.

      Da war Petra gekommen und hatte ihr Privatunterricht auf Svala gegeben. Svala war Petras eigenes Pony, und bald war Astrid überzeugt, daß es kein besseres und lieberes Pferd geben konnte. Doch nicht einmal auf dem besten Pferd lernt man im Handumdrehen Reiten. Astrid hatte den ganzen Sommer lang hart gearbeitet, und Petra war eine gute Lehrerin. Trotzdem hatte das blinde Mädchen manchmal das Gefühl, es nie zu schaffen. Sie kämpfte jedoch weiter, statt aufzugeben, und machte mit der Zeit deutliche Fortschritte.

      Dann hatten ihre Eltern ihr ein eigenes Pony versprochen. Natürlich war Astrid anfangs voller Begeisterung; sie merkte jedoch bald, wie unsicher sie sich auf den Pferden fühlte, die zum Verkauf standen. Zwar konnte sie auf Svala einigermaßen gut reiten, doch ein unbekanntes Pferd flößte ihr soviel Angst ein, daß sie sich ganz hilflos fühlte.

      Astrid vertraute Svala, und Svala liebte sie, doch sie hatte nie zu träumen gewagt, daß dieses wunderbare Pony einmal ihr gehören könnte. Es war die Idee ihres Vaters gewesen, Petra zu bitten, ihm Svala zu verkaufen. Astrid hatte es erst erfahren, als Svala bereits ihr gehörte.

      Dann folgten unzählige Stunden harter Arbeit. Astrid hatte noch immer viel zu lernen, und sie trainierte jeden Tag auf Svala. Petra setzte den Unterricht regelmäßig fort, obwohl er nun in der Reitschule stattfand und nicht mehr auf dem Granberghof. Auch die Reitlehrerin Karin half, wenn sie Zeit hatte.

      Ja, alle halfen Astrid. Und natürlich war sie dankbar dafür, doch es war nicht gerade schön, immer nur zu nehmen und anderen Dank zu schulden.

      Mehr und mehr begann Astrid zu begreifen, was es Petra für Überwindung gekostet haben mußte, Svala herzugeben.

      Eigentlich sollte sich Petra ja von dem Geld, das sie für Svala bekommen hatte, ein neues Pony kaufen. Daß sie es noch nicht getan hatte, machte die Sache für Astrid nicht gerade besser. Irgendwie fühlte sie sich schuldig, weil Petra nun kein Pferd hatte.

      Und noch immer gab Petra ihr Reitunterricht. Ja, ständig war sie es, die nahm, und nie konnte sie etwas geben! Astrid hätte so gern etwas für Petra getan, etwas wirklich Großes. Aber