Название | DIE SIDHE |
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Автор произведения | John Matthews |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954474585 |
Ein kalter Luftzug traf mein Gesicht – was, hätte ich in dem Moment darüber nachgedacht, recht sonderbar war. Normalerweise waren solche Hügelanlagen nicht sehr tief oder großräumig, so dass eigentlich keine solche Luftströmungen auftraten. Aber ich gestehe, dass ich derartige Überlegungen nicht anstellte. Ich spürte eine steigende Erregung, während ich mich gebückt in die Dunkelheit hineinschob. Meine Hände fühlten überall rauen Stein. Tastend suchte ich nach dem Sims und der Taschenlampe.
Das ging recht schnell, und im nächsten Moment erhellte der breite, goldene Lichtstrahl der Lampe die Dunkelheit. Ich sah einen schmalen Gang, dessen Wände und Decke aus riesigen Steinplatten bestanden. Vor mir befand sich eine zweite Öffnung, und wieder bemerkte ich einen kalten, feuchten Lufthauch. Die Decke war zu niedrig, um aufrecht zu stehen. Also war ich gezwungen, mich kriechend der zweiten Öffnung zu nähern.
Kapitel 2
Gortnasheen
»Wir sind die Sídhe.«
Damit Sie verstehen, was als Nächstes geschah, was ich sah und empfand, muss ich mir einen Moment Zeit nehmen und Ihnen erklären, was ich an einem solchen Ort vorzufinden erwartete.
In weiten Teilen Westeuropas gibt es zahlreiche Megalith-Bauwerke. Errichtet wurden sie in der Steinzeit und bis hinein in die Eisenzeit, also etwa von 4500 bis 1500 v. Chr. Dazu gehören die großen Steinkreise wie Avebury und Stonehenge in Berkshire, Brodgar auf den Orkneys und Callanish auf den Hebriden. Hinzu kommen die großen Hügelfiguren wie der Lange Mann von Wilmington in Sussex und das Weiße Pferd, das in die Kreidelandschaft der Marlborough Downs eingraviert wurde. Auch gibt es zahllose Grabstätten, von denen viele aus der Frühzeit stammen und in späteren Zeitaltern erneut genutzt wurden – manche für Beisetzungen, andere für rituelle Zwecke. Stätten wie Wayland’s Smithy in Wiltshire oder das zurecht berühmte Newgrange in Irland sind, trotz der dort durchgeführten intensiven Ausgrabungen und der zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, noch immer von Geheimnissen umgeben, und vielleicht wird das auch ewig so bleiben.
Viele dieser Stätten sind stumme Zeugen erstaunlicher Ingenieurleistungen. Gewaltige Steinblöcke wurden bewegt und mit äußerster Genauigkeit aufgestellt. Ihre schiere Größe und Massivität kündet von einer Mentalität der Erbauer, die etwas Einschüchterndes, Beängstigendes hat. Und natürlich gibt es eine der mysteriösen Natur der Monumente adäquate Vielzahl an Theorien über ihren Gebrauch und Zweck. Von Landemarkierungen für außerirdische Raumschiffe zu komplexen astronomischen Observatorien wurden in den letzten Jahren alle möglichen Erklärungen präsentiert. Manche dieser Ideen wurden von akademischen Forschern anerkannt, die meisten jedoch nicht. Tatsächlich wissen wir über die wahre Verwendung dieser gewaltigen Baudenkmäler so wenig wie über Sinn und Zweck jenes prozentual sehr großen Teiles unserer Gehirnmasse, den wir nie zu benutzen scheinen.
Diesen Hintergrund hatte ich im Kopf, als ich das Monument von Gortnasheen betrat. Keith hätte es vermutlich als »Ganggrab« bezeichnet, und wir beide hätten Hunderte solcher Grabstätten auflisten können, die verstreut über Irland und Schottland anzutreffen waren. Manche hatte man in völlig intaktem Zustand entdeckt – sie enthielten noch die dort bestatteten Toten, zusammen mit oft kunstvollen Grabbeigaben. Andere – die geheimnisvollsten – waren auf den Innenwänden mit kunstvollen Ritzbildern ausgestattet: Spiralmuster, Zickzackformen, Dreiecke und Kreise von bislang ungeklärter Bedeutung. Dass sie aber für die Menschen, die sie anfertigten, sehr wichtig gewesen sein mussten, galt weithin als unumstritten.
Das vermittelt Ihnen eine Vorstellung, was ich erwartete: eine steinerne Kammer von vielleicht ein Meter achtzig bis zwei Meter vierzig Länge und sechzig bis neunzig Zentimetern Breite, vielleicht ein oder zwei Ritzbilder, und (je nachdem, wie weit Keith mit seiner Arbeit war) ein paar verstreut herumliegende Knochen.
Ich schob mich also durch den engen Gang, halb kriechend, halb gebückt, bis der Boden sich abwärts neigte. Gleichzeitig öffnete sich die Decke steil nach oben, so weit, dass ich mich aufrichten konnte. Ich schwenkte den Lichtkegel der Taschenlampe und erlebte meine erste Überraschung des Tages.
Die Kammer musste ungefähr drei Meter lang sein und mindestens zwei Meter hoch. Durch den abfallenden Boden befand sie sich mindestens zur Hälfte unter der Erdoberfläche. Ich ließ den Lichtkegel wandern und erlebte meine zweite Überraschung – sie war so groß, dass ich laut aufstöhnte.
Wie schon erwähnt, finden sich auf den Wänden dieser Bauwerke oft Ritzbilder, aber normalerweise nur wenige Dutzend. Hier waren die Wände, wohin man schaute, mit Ritzzeichnungen bedeckt – ein scheinbares Gewirr von Spiralen, Zickzackmustern und ineinander verwobenen Formen, manche miteinander verknüpft, andere freistehend.
Ich muss gestehen, dass meine Knie in diesem Moment nicht wenig zu zittern anfingen. Schneller als beabsichtigt, setzte ich mich auf den Boden aus festgestampfter Erde. Von dort sah ich, dass die Ritzbilder sich bis an die Decke fortsetzten, die als Kraggewölbe ausgeführt war, so gekonnt wie die beste Kirchenarchitektur, aber mehrere Jahrtausende älter.
Dann fiel mein Blick auf eine einzelne Glyphe, größer als die anderen Motive. Sie dominierte die Ostwand der Kammer. Für einen Moment glaubte ich, sie würde aus sich heraus leuchten, bis ich entdeckte, dass sie von Kristallen gesäumt war, die den Lichtschein der Lampe reflektierten. (Eine spätere genauere Untersuchung zeigte, dass Hunderte winziger Kristalle auf dem Stein angebracht worden waren, um die Bedeutung der großen Glyphe zu betonen.)
Als ich auf das Ritzbild starrte, überkam mich wieder dieses kribbelnde Gefühl – stärker als je zuvor. Für einen Moment flimmerte es mir vor den Augen, so dass die in den Stein eingravierte Glyphe zitterte. Dann klärte sich mein Blick wieder. Ich saß immer noch auf dem Boden der Kammer, und meine Uhr zeigte an, dass nur wenige Sekunden vergangen waren – doch es fühlte sich an, als wäre ich für eine viel längere Zeit an einem anderen Ort gewesen. Was dieser »andere Ort« war, vermochte ich nicht zu sagen, aber das Gefühl war trotzdem da.
Langsam stand ich auf, um mir die große Glyphe aus der Nähe anzusehen. Ich strich mit den Fingern darüber wie jemand, der Blindenschrift liest. Es war keine besonders komplexe Form: eine Spirale mit fünf Windungen, bei der eine senkrechte Linie ausgehend vom oberen Ende durch das Zentrum nach unten verlief. Dieses Muster kam mir irgendwie bekannt vor. Später fand ich heraus, dass in mehreren prähistorischen Stätten in Irland, England und (sonderbarerweise) den Vereinigten Staaten dieses Spiralmuster entdeckt worden war.
Ich stand noch einen Moment da, versuchte meine durcheinander gewirbelten Gedanken zu ordnen und mir darüber klarzuwerden, welcher Natur dieses sonderbare Erlebnis wenige Momente zuvor wohl gewesen war. Doch so sehr ich mich auch bemühte, es wollte mir nicht gelingen, mich wieder in dieses Gefühl hineinzuversetzen. Außerdem war mir bewusst, dass Keith draußen darauf wartete, dass ich ihm meine Eindrücke schilderte.
Etwas widerstrebend ging ich in die Hocke und kroch durch den engen Gang zurück.
Das Tageslicht blendete mich, trotz der dichten Wolkendecke. Keith erwartete mich sichtlich ungeduldig, sein Gesicht ein Fragezeichen.
»Du hast recht«, sagte ich. »Es ist erstaunlich, sogar einzigartig. Seit Jahren habe ich nichts so Großartiges gesehen.«
Sein Gesicht hellte sich auf, und er fing an zu reden, schneller als ich es je bei ihm erlebt hatte. Ich erinnere mich nicht genau, was er alles sagte – Einzelheiten darüber, wie ein örtlicher Anwohner das Monument entdeckte hatte, seine eigene Aufregung, als sie den Eingang freilegten, und er zum ersten Mal in die Kammer kroch und den Reichtum