Das Jahr 2000. Edward Bellamy

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Название Das Jahr 2000
Автор произведения Edward Bellamy
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783969876534



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darauf, unbemerkt zu bleiben, um sich des Lebens freuen zu können. Die Eisenbahnen hatten sich konsolidiert, bis einige große Syndikate jede einzelne Schiene im Lande kontrollierten. In Fabriken beherrschte ein Syndikat jede Ware von Bedeutung. Diese Syndikate, Pools, Trusts, oder wie sie hießen, bestimmten Preise und erdrückten alle Konkurrenz, außer wenn Kombinationen von gleicher Stärke erstanden. Dann entstand ein Kampf, der wieder in einer größeren Vereinigung endete. Der große Bazar in der Stadt hungerte durch Zweiggeschäfte seinen Konkurrenten auf dem Lande aus und absorbierte in der Stadt selbst seine kleineren Rivalen, bis das Geschäft eines ganzen Viertels unter einem Dach konzentriert war, wo hundert frühere Ladeninhaber als Ladendiener fungierten. Da der kleine Kapitalist kein eigenes Geschäft hatte, in dem er sein Geld anlegen konnte, trat er in den Dienst der Kombination, legte seine Kapitalien in ihren Papieren an und wurde so doppelt abhängig von ihr.

      Die Tatsache, dass der verzweifelte Widerstand des Volkes gegen diese Vereinigung des Geschäfts in wenigen Händen ohnmächtig war, derselben Einhalt zu tun, ist ein Beweis dafür, dass starke wirtschaftliche Gründe dafür gesprochen haben müssen. Die kleinen Kapitalisten mit ihren zahllosen kleinen Geschäften waren den großen Verbindungen von Kapital gewichen, weil sie einer Zeit mit kleinlichen Verhältnissen angehörten und völlig unfähig waren, den Ansprüchen einer Dampf- und Telegraphenära mit riesigen Unternehmungen zu genügen. Zu der alten Ordnung der Dinge zurückzukehren, hätte soviel geheißen, als zu den Tagen zurückkehren, wo wir mit der Post reisten. So drückend und grausam die Herrschaft der großen Kapitalverbindungen war, so mussten selbst ihre Opfer, wenn auch unter Verwünschungen, den wunderbaren Aufschwung, den die nationale Industrie durch sie genommen, die ungeheuren Ersparnisse in Betrieb und Organisation anerkennen und eingestehen, dass seit Einführung des neuen Systems der Reichtum der Welt in einer Weise zugenommen hatte, wie man sich vorher nicht hatte träumen lassen. Zwar ist dadurch nur der Reiche reicher und die Kluft zwischen ihm und dem Armen weiter geworden, aber die Tatsache blieb stehen, dass das Kapital in seiner Vereinigung sich als wirksames Mittel erwiesen hatte, Reichtum zu schaffen. Die Rückkehr zum alten System mit seinen Unterabteilungen des Kapitals würde zwar eine größere Gleichheit in den Verhältnissen mit mehr individueller Geltung und Freiheit zurückgebracht haben, aber um den Preis allgemeiner Verarmung und Rückganges des allgemeinen Fortschrittes.

      Gab es denn nun kein Mittel, sich der Dienste der allmächtigen, Reichtum erzeugenden Kapitalvereinigung zu versichern, ohne sich vor einer Plutokratie, wie die Karthagos war, zu beugen? Sobald die Menschen anfingen, sich solche Fragen vorzulegen, fanden sie auch leicht die Antwort darauf. Das Streben nach einer Geschäftsführung mit immer wachsenden Kapitalverbindungen, nach Monopolen, das so heftig, aber erfolglos bekämpft worden war, wurde endlich in seiner wahren Bedeutung, als ein Prozess anerkannt, der nur seine logische Entwicklung zu vollenden brauchte, um der Menschheit eine goldene Zukunft zu eröffnen.

      Im Anfang dieses Jahrhunderts wurde diese Vollendung vollzogen, indem sich das ganze Kapital der Nation konsolidierte. Die Industrie und der Handel des ganzen Landes hörten auf, von einer Anzahl Korporationen und Syndikaten von Privatpersonen ohne Verantwortlichkeit, nach eigenem Belieben zu eigenem Vorteil geführt zu werden, und wurden der Leitung eines einzigen Syndikats, das die Nation vertrat, anvertraut, um im allgemeinen Interesse und zum allgemeinen Vorteil betrieben zu werden. Die Nation, nämlich die eine große Geschäftskorporation, in welcher alle anderen Korporationen aufgegangen waren, wurde der einzige Kapitalist, der einzige Arbeitgeber, das einzige Monopol, welches alle früheren und kleineren Monopole verschlungen hat, ein Monopol, in dessen Gewinne sich alle Bürger teilen. Mit einem Worte, das Volk der Vereinigten Staaten beschloss, die Führung seines Geschäftes selbst in die Hand zu nehmen, grade wie es vor hundert und mehr Jahren die Leitung seiner Regierung selbst in die Hand genommen hatte, und organisierte die industriellen Verhältnisse nach denselben Grundsätzen als die politischen. Endlich hatte man begriffen - leider etwas spät - dass kein Geschäft so wesentlich Gemeingeschäft ist, als die Industrie und der Handel, von denen der Unterhalt des Volkes abhängt, und dass es eine ebensogroße, wenn nicht größere Torheit ist, sie Privatpersonen zu überlassen, um ihren Privatvorteil daraus zu ziehen, als Königen und Fürsten die Funktionen der Staatsgewalt zu überlassen, zum Zwecke ihrer persönlichen Verherrlichung.«

      »Jedenfalls hat aber auch eine solche fabelhafte Veränderung furchtbares Blutvergießen und Revolution verursacht«, sagte ich.

      »Im Gegenteil«, erwiderte Dr. Leete, »es fand nicht der geringste Gewaltakt statt. Man hatte den Wechsel lange vorhergesehen. Die öffentliche Meinung war reif dafür und die ganze Masse des Volkes unterstützte ihn. Weder Gewalt noch Gründe konnten ihm widerstehen. Auf der anderen Seite fühlte man keine Bitterkeit mehr gegen die großen Korporationen, da man gelernt hatte, dieselben als notwendige Verbindungsglieder und Übergänge in der Entwicklung des wahren industriellen Systems anzusehen. Die bittersten Feinde der großen privaten Syndikate mussten jetzt anerkennen, wie unschätzbar und unentbehrlich ihre Dienste gewesen waren, um das Volk dafür zu erziehen, sein Geschäft selbst in die Hand zu nehmen. Fünfzig Jahre früher würde die Konsolidation der Industrie unter nationale Kontrolle selbst dem Sanguiniker ein sehr gewagtes Experiment geschienen haben. Aber die großen Korporationen hatten dem Volke durch Anschauung ganz neue Begriffe darüber beigebracht. Es hatte viele Jahre lang gesehen, wie Syndikate über Einkünfte verfügten, größer als die von Staaten, wie sie Hunderttausende von Arbeitern mit einer Geschicklichkeit und Wirtschaftlichkeit regierten, die in kleinen Verhältnissen nicht zu erreichen gewesen wären. Man hatte es als ein Axiom anerkannt, dass je größer das Geschäft, desto einfacher die zur Anwendung kommenden Grundsätze seien; dass das System, welches in einem großen Geschäftsbetrieb dasselbe ist, was in einem kleinen des Meisters Auge, zu besseren Resultaten führt. So kam es, dass als der Vorschlag gemacht wurde, die Nation solle die Funktionen der Korporationen selbst übernehmen, selbst der Furchtsame sich der Sache gewachsen fühlte. Gewiss war es ein großer Schritt, aber die Tatsache, dass die Nation die einzige Korporation wurde, befreite das Unternehmen von vielen Schwierigkeiten, gegen welche die einzelnen Syndikate hatten kämpfen müssen.«

      Sechstes Kapitel

      Dr. Leete unterbrach seine Rede, und ich schwieg und versuchte mir ein allgemeines Bild von den Veränderungen in der Gesellschaft zu machen, welche die großartige Revolution, von welcher wir gesprochen, hervorgerufen hatte.

      Endlich sagte ich: »Der Gedanke an eine solche Erweiterung der Regierungstätigkeit ist, um das Geringste zu sagen, wahrhaft überwältigend.«

      »Erweiterung!« sagte er, »wo ist die Erweiterung?«

      »Zu meiner Zeit«, erwiderte ich, »waren die Regierungsfunktionen, streng genommen, darauf beschränkt, für Erhaltung des Friedens zu sorgen und das Volk gegen seine Feinde zu verteidigen, d.h. auf Militär- und Polizeigewalt. «

      »Um des Himmels willen, wer sind diese Feinde?« rief Dr. Leete. »Sind es Frankreich, England, Deutschland, oder Hunger, Kälte und Armut? In Ihrer Zeit waren die Regierungen gewöhnt, bei dem geringsten internationalen Missverständnis sich an den Leibern der Bürger zu vergreifen und sie zu Hunderttausenden dem Tod und der Verstümmelung preiszugeben und ihren Wohlstand wie Wasser zu verschwenden; und alles dies meistens ohne den Schein von Vorteil für die Opfer. Wir haben jetzt keine Kriege und unsere Regierung keine Kriegsmacht, sondern um jeden ihrer Bürger gegen Hunger, Kälte und Armut zu schützen und um für alle seine physischen und geistigen Bedürfnisse zu sorgen, nimmt sie es auf sich, seine Industrie zu leiten. Nein, Herr West, wenn Sie darüber nachdenken, werden Sie zu der Überzeugung kommen, dass in Ihrer Zeit, nicht in der unsrigen die Erweiterung der Regierungsfunktionen ganz ungewöhnlich war. Nicht für die besten Zwecke würden wir jetzt unseren Regierungen solche Gewalten einräumen, wie damals für die schlimmsten eingeräumt wurden.«

      »Ohne Vergleiche anstellen zu wollen«, sagte ich, »in meiner Zeit würden die Demagogie und die Korruption unserer Politiker unüberwindliche Hindernisse für die Regierung gewesen sein, die Leitung der nationalen Industrie zu übernehmen. Wir würden gedacht haben, nichts sei schlimmer, als den Politikern die Reichtum schaffende Maschinerie des Landes anzuvertrauen. Seine materiellen Interessen waren viel zu sehr der Spielball der Parteien.«

      »Sie