Der Onyxpalast 4: Schicksalszeit. Marie Brennan

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Название Der Onyxpalast 4: Schicksalszeit
Автор произведения Marie Brennan
Жанр Языкознание
Серия Der Onyxpalast
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783966580762



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Kraft aus ihm, um die eiserne Bedrohung zu überleben, die seinen Zerfall weitertrieb, und es war immer schlimmer, nachdem er nach oben gegangen war – notwendige Ausflüge, um seinen sterblichen Verstand zu erhalten, obwohl er sie so selten machte, wie er es wagte. Aber der Rest seiner plötzlichen Schwäche …

      Es war überwältigende, berauschende Hoffnung.

      Wenn sie Elemente der Feenrealität in jegliche Form weben konnten, die sie mit jenen Kristallplättchen beschrieben, dann konnten sie neues Material für den Onyxpalast weben.

      Der Dschinn stützte ihn mit einem Arm unter der Schulter und rief, dass jemand einen Stuhl bringen solle. Hodge gestattete, dass er darauf gesetzt wurde, zu benebelt, um sich Sorgen über Würdelosigkeit zu machen. Ungeachtet der Flügel und Roboter und alles anderen, war dies seit ihrer Gründung vor mehr als hundert Jahren das Hauptprojekt der Galenischen Akademie gewesen. Einen Weg zu finden, um den Onyxpalast zu reparieren. Den Zerfall aufzuhalten, der seit Beginn des achtzehnten Jahrhunderts fortgeschritten war, oder noch besser rückgängig zu machen.

      Schon bevor er Prinz geworden war, hatte Hodge gewusst, dass das wahrscheinlich nicht passieren würde. Die Erschaffung des Palasts war ein legendäres Werk, vor Ewigkeiten von einer Feenfrau und einem sterblichen Mann ausgeführt. Aber sie waren schon lange tot, und ebenso waren es die Mächte, die ihnen geholfen hatten: Gog und Magog, die Riesen von London, ermordet. Vater Themse, von Eisen zum Schweigen gebracht. Hodge durfte sich nicht erhoffen, es ihnen gleichzutun. Er widmete seine Zeit und Energie dem Bremsen des Zerfalls des Palasts, hielt zusammen, was von Londons Feenhof übrig war, und bereitete den Exodus vor, der, wie er wusste, unausweichlich kommen würde.

      Einen Exodus, den sie – vielleicht – doch noch vermeiden konnten.

      Jemand drückte ihm eine Tasse in die Hand, und er trank instinktiv. Met, süß und stärkend, floss seinen Hals hinunter. Dann war Magister Wrain da und wirkte verstört, was Hodge überhaupt nicht verstand. »Mein Lord …«

      Wenn er förmlich blieb, dann war etwas wirklich schiefgegangen. »Was?«

      Mit tiefem Widerwillen sagte der Irrwisch: »Es ist nicht dauerhaft.«

      Hodges Blick wanderte an ihm vorbei auf den Löwen, der nun beinahe vollständig war. Der Schwanz peitschte, und die Pfoten traten auf der Stelle. Es war seltsam, etwas so offensichtlich Reales zu sehen, dem immer noch der Großteil des Kopfes fehlte. Kein Anzeichen eines Zerfalls – aber es war im geschützten Raum der Galenischen Akademie. Das seltsam verzerrte Verhältnis zwischen der Stadt und dem Palast, der sie spiegelte, bedeutete, dass die Akademie unangenehm nahe an den Gleisarbeiten lag, die selbst jetzt die Cannon Street hinunter fortschritten – aber nicht so nahe, dass es einer der zerstörten Flecken des Palasts war, wo der Zerfall am schlimmsten war.

      Was der Webstuhl produzierte, war reines Feenmaterial. Es würde nicht lange überleben, wenn es in Kontakt mit sterblichen Bedrohungen käme.

      »Wie lange?«, fragte er und nahm einen weiteren Schluck Met.

      Niklas antwortete für Wrain und Ch’ien Mu, in einem ruppigen Tonfall, der immer noch die Spuren eines deutschen Akzents trug. »Wirr haben es noch nicht prrobierrt. Es würrde das Prroblem verrlangsamen …«

      »Aber zu einem Preis«, endete Wrain, als Niklas zögerte. »Es würde sich nicht einfach auflösen. Die Elemente, aus denen es besteht, würden zerstört. Und wir können die nicht aus dem Nichts erschaffen. Um neue Teile des Palasts zu bauen, müssten wir die Grundsubstanz aus existierenden Materialien destillieren.«

      In anderen Worten, den Inhalt des Palasts zermahlen. Falls das überhaupt reichen würde. Hodge war der Met ausgegangen. Er starrte missmutig in die leere Tasse. Mit genug Zeit würden sie es vielleicht schaffen, andere Quellen zu finden – aber sogar mit dieser Maschine fehlte ihnen schmerzlich die Zeit.

      Nun, er konnte jemanden auf die Suche schicken und inzwischen versuchen, das zugrunde liegende Problem zu lösen. »Was würde es länger halten lassen?«

      Weil das hier die Akademie war, erntete er keine Welle an hilflosem Schulterzucken. Er erntete eine Flut an spekulativen Antworten, während alle durcheinander redeten. »Die ursprüngliche Verankerung …«, »… in Anbetracht der Kapazität der menschlichen Seele zum Schutz …«, »… einen haltbareren Schussfaden vielleicht …«, »… möglicherweise die orientalischen Elemente …«, »… an Magister Ktistes in Griechenland schreiben, er hat vielleicht …«

      Hodge hielt die Hände hoch, und die Spekulationen verstummten. »Ihr wisst es nicht. In Ordnung. Macht euch daran, es herauszufinden. Wilhas, ist der Kalenderraum noch nutzbar?«

      Niklas’ Bruder, blond statt rothaarig, biss sich in den Tiefen seines Barts auf die Lippen. »Ja. Momentan. Aberr nach der Karrte, die du mirr gezeigt hast, werrden die Schienen sehrr nahe am Monument vorrbeilaufen. Wenn sie die verrlegen, wirrd das den Rraum vielleicht zerrstörren.«

      Und jeden darin mitreißen. Aber sie mussten es riskieren. Der Kalenderraum, eine Kammer unter dem Monument für das Große Feuer, enthielt Zeit außerhalb der Zeit. Damit konnten die Fae monate- oder jahrelang forschen und planen, und es kostete sie auf der Welt bloß Tage. »Ich werde die Zeitungen und Eisenbahnzeitschriften im Auge behalten«, sagte Hodge, als würde er sie nicht schon andauernd lesen. »Wir sollten einige Vorwarnung haben, ehe sie irgendwelche Schienen verlegen.«

      Überall Nicken. Wrain begann, mit den anderen zu diskutieren, wer in den Kalenderraum gehen und wer draußen bleiben würde. Die andere Maschine, ihre Rechenmaschine, konnte möglicherweise genutzt werden, um festzustellen, welche Variable man hinzufügen könnte, um die Haltbarkeit zu steigern. Sie konnten nach Materialquellen suchen. Wenn es zum Schlimmsten kommen sollte, konnten sie ausgewählte Teile des Palasts zerfallen lassen, um einen Schutz um Orte wie diesen zu errichten, die überleben mussten.

      Nichts davon war etwas, wozu er beitragen konnte, nicht persönlich. Hodge unterdrückte ein Stöhnen und stemmte sich auf die Füße. »Gut, macht euch daran. Lasst mich wissen, wenn ihr irgendwelche Antworten habt.« Vorerst war das Nützlichste, was er für sie alle tun konnte, am Leben zu bleiben.

       Erinnerung: 12. April 1840

      Sie fürchtete die Träume so sehr, wie sie sich nach ihnen sehnte.

      Fürchtete sie, weil sie zweifellos Anzeichen des Wahnsinns waren, vor dem ihre Mutter sie warnte, ein schändliches Erbe von ihrem schamlosen und verrückten Vater. Sehnte sich danach, weil sie in diesen Träumen ihrer Kreativität freien Lauf lassen konnte. Ihre Gesprächspartner hießen ihre verrücktesten Fantasien nicht nur willkommen, sondern ermutigten sie und sagten nie auch nur einen Mucks über vererbte Geisteskrankheit.

      »Natürlich wird er sie nie gebaut kriegen«, sagte sie zu den unmenschlichen Kreaturen, die an der anderen Seite des Tischchens saßen. »Ich habe größte Hochachtung vor Mr. Babbage, aber ihm fehlt das soziale Geschick, das ihm die Kooperation anderer einbringen würde, und ohne die wird er nie die Finanzierung oder Unterstützung bekommen, die er braucht.«

      Der größere und schlankere ihrer Gäste grinste in seinen Tee. Der Name von diesem hier war Wrain, und er war in ihren Träumen ein lieber Freund. Sie hatte sich über die Jahre oft Gespräche mit ihm vorgestellt. »Was du nicht sagst«, murmelte der elegante Gentleman mit feiner Ironie. »Wir hatten vor, ihm unsere eigene Unterstützung anzubieten, aber …«

      »Aberr err ist noch unhöflicherr als ich«, sagte der kleinere und kräftigere Kerl fröhlich mit einem deutlichen deutschen Akzent. Angesichts seiner schrecklichen Manieren zögerte sie, diesen hier einen Gentleman zu nennen. Eigentlich hieß er Mr. vom Ticken, aber Wrain nannte ihn meistens einfach Nick.

      Weil es ein Traum war, konnte sie sich gestatten zu lachen. »Ach herrje. Ihr beide und der Versuch, ein Gespräch zu führen … das kann nicht gut ausgegangen sein.«

      »Es ist prächtig gelaufen«, sagte Wrain, »für ganze dreißig Sekunden. Aber wir haben angefangen, die Idee selbst zu verfolgen, weißt du. Es ist eine zu große Herausforderung,