Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Название Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman
Автор произведения Friederike von Buchner
Жанр Языкознание
Серия Toni der Hüttenwirt Paket
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783740950989



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träume, mir mein Brautdirndl vorstelle, wie kann mich dann der Anblick eines anderen Menschen so verwirren?

      Bin ich nur verliebt in die Liebe?

      Finde ich das Gefühl einfach nur schön, weil es neu ist?

      Am meisten beunruhigte Gundi der Gedanke: Wenn du liebst, wenn du wirklich mit ganzem Herzen liebst, dann darf kein Gefühl für einen anderen Burschen darin Platz haben. Dann ist das Herz ganz von dieser einen glühenden Liebe ausgefüllt und nichts kann dich an dieser Liebe zweifeln lassen.

      Ich habe Julian geküßt. Seine Küsse waren wunderbar. Der Blick in seine Augen versprachen so viel. Ich konnte darin lesen wie in einem Buch. Und wenn ich ehrlich bin, hat Julian auch mich schon Wochen beobachtet. Er muß sich viele Gedanken gemacht haben. Er hat sich alles genau überlegt. Sicherlich habe ich es bemerkt. Auch ich habe mir Gedanken gemacht. Trotzdem bin ich jetzt nicht hundertprozentig glücklich. Das gestand sich Gundi ein.

      Gundi war wirklich nicht glücklich. Sie setzte ihren Weg fort und überlegte, ob es möglicherweise daran lag, daß sie, als sie Urs begegnet war, noch nicht geküßt worden war? Bringt ein Kuß von seinem Liebsten eine Art Schutz, so wie bei einer Impfung?

      Das war ein interessanter Gedanke. Er gefiel Gundi. Ganz langsam, wirklich ganz langsam reifte in ihr eine Überlegung. Ich muß mich doch eigentlich nur von diesem Urs Wildbacher küssen lassen. Dann müßte ich doch spüren, ob er mir etwas bedeutet. Wenn Julians Küsse wie eine Impfung waren, dann müssen mich Urs’ Küsse kalt lassen. Doch ist das Julian gegenüber fair? Das fragte sich Gundi. Im nächsten Augenblick überlegte sie, daß Julian ihr gegenüber im Vorteil war. Er war schon richtig verliebt gewesen und hatte auch andere Frauen geküßt. Gundi rechnete Julian die Ehrlichkeit hoch an. Müßte er ihr gegenüber nicht dann auch nachsichtig sein? Er hat Maßstäbe für die Liebe. Ich nicht. Was kann daran schlimm oder schlecht sein, wenn ich es probiere? Nur dann kann ich es wirklich herausfinden.

      Ja, so ist es! Wenn ich Urs’ Lippen berühre, dann muß ich es wissen. Ich werde es spüren, tief in meinem Herzen. Es müßte einen Unterschied geben zwischen den Küssen von Julian Perner und denen von Urs Wildbacher.

      Wie stellt man das an? Ich muß ihn irgendwie verführen! Was ist, wenn er mich nicht küssen will? Was mache ich dann? Überhaupt, was wird er von mir denken? Auf der anderen Seite bleibt mir doch keine Wahl.

      Gundi lächelte still vor sich hin. Sie dachte an das Sprichwort:

      ›Wer die Wahl hat, hat die Qual!‹

      Gundi seufzte tief und ging weiter. Die Sonne über den Bergen neigte sich dem Abend zu. Der Himmel war blau. Adler kreisten hoch in der Luft. Mit weit ausgebreiteten Schwingen ließen sie sich von Luft und Wind tragen. Am Berghang auf der anderen Talseite hasteten Gemsen den Fels hinauf. Alles hat seinen Platz in der Schöpfung. Da werde ich meinen Platz auch finden, hoffte Gundi.

      Sie ging weiter. Unterwegs kam sie an Schutzhütten vorbei. Sie waren voller Wanderer, die nichts unversucht ließen, das junge fesche Madl einzuladen. Aber Gundi blieb standhaft, lächelte, grüßte und ging weiter.

      Endlich erreichte Gundi die Abzweigung. Rechts bog der schmale Pfad ab. Er führte über die markante Stelle, die die Waldkogeler nur das ›Erkerchen‹ nannten, zur Berghütte. Gundi wußte, daß in Waldkogel alle erzählten, Liebespaare kämen sich dort besonders schnell nah. Auch Gundis Eltern hatten sich beim ›Erkerchen‹ das erste Mal geküßt. Das wußte Gundi von ihrer Mutter. Ihre Großmutter und ihr Großvater hatten sich dort ebenfalls getroffen, wie viele Liebespaare seit langer, langer Zeit.

      Vielleicht genügt es auch, wenn ich mich alleine hierhersetze und an Julian denke und an Urs. Vielleicht kommt dann schon etwas Klarheit in mein Herz. Gundi blieb einen Augenblick stehen. Dann dachte sie an die Eier. Pflichtbewußt, wie Gundi war, entschied sie sich, zuerst die Eier bei Toni und Anna abzuliefern. So setzte sie ihren Weg fort.

      Schon von weitem sah Gundi, daß die Terrasse vor der Berghütte voller Gäste war. Einige lagerten sogar auf dem Geröllfeld in der schönen Abendsonne, die jetzt schon sehr tief stand. Die Gipfel der Berge leuchteten im Schein der untergehenden Sonne rosa bis glutrot. Es war eine Farbenpracht, die jeden Betrachter ergriff und Ehrfurcht hervorrief. Das bemerkte Gundi auch, als sie zur Berghütte kam. Obwohl es sehr voll war, war es leise. Es sprach kaum jemand. Und wenn, dann wurde nur geflüstert, um die Erhabenheit des Augenblicks nicht zu stören.

      Gundi stieg die Stufen zur Terrasse hinauf. Sie betrat die Berghütte. Der alte Alois saß am Kamin. Er sprach leise mit Hüttengästen, die sich um ihn geschart hatten. Bello, der junge Neufundländerrüde, lag vor dem Kamin, seinem Lieblingsplatz. Neben ihm hockten Sebastian und Franziska. Auch sie hingen an Alois’ Lippen.

      Toni stand hinter dem Tresen und zapfte Bier. Durch die offene Tür dahinter konnte Gundi Anna sehen, wie sie in der Küche hantierte.

      »Grüß Gott, Toni!«

      »Grüß Gott, Gundi! Mei, fein, daß du schon da bist! Gib die Eier bitte gleich der Anna! Mei, ist des heute ein Hochbetrieb. Ich habe schon die Ute angerufen und gefragt, wann du kommst. Wir sind wirklich knapp. Alle – viel mehr als sonst – wollen Eier mit Speck!«

      Gundi ging in die Küche der Berghütte. Trotz der vielen Arbeit sah Anna fröhlich und glücklich aus.

      »Grüß Gott, Anna! Hier sind die Eier! Ich hoffe, sie reichen.«

      »Grüß dich, Gundi! Ich habe noch Eier. Aber es brauche immer eine große Reserve. Hier oben kann ich nicht schnell in den Supermarkt fahren und einkaufen gehen. Das ist nicht möglich!«

      »Du hast viel Arbeit? Kann ich dir etwas helfen?«

      »Das ist lieb! Aber ich habe alles im Griff! Danke! Das ist nicht nötig!«

      Behende huschte Anna zwischen Tisch und Herd hin und her. Plötzlich hielt Anna inne. Sie musterte Gundi, die immer noch in der Küche stand.

      »Was ist, Gundi? Warum schaust du mich so an? Bin ich irgendwo schmutzig?«

      Anna fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht.

      »Nein, nein! Das ist es ja gerade! Du hast so viel Arbeit und du strahlst und schaust einfach wunderbar aus.«

      »Danke für das Kompliment! Ich bin so wie immer.«

      »Nein, du siehst wunderbar aus. So wirklich glücklich schaust du aus. Dabei rennst du hin und her.«

      Anna lächelte.

      »Es ist ein wunderbarer Tag. Wir haben heute besonders liebe Hüttengäste, alles richtige Bergwanderer und Bergsteiger, die Ehrfurcht vor der schönen Natur haben. Viele waren schon zum alten Alois gekommen, als der noch die Berghütte bewirtschaftete. Jedenfalls macht uns, Toni und mir, die Arbeit heute besondere Freude. Toni ist glücklich. Wir haben Hüttengäste, mit denen Toni als Bub gewandert war, es sind richtige Bergkameraden. Toni ist so glücklich und ich bin glücklich, daß Toni so froh ist, Gundi. Wenn man im Herzen glücklich ist, dann strahlt das nach außen. Dann leuchtet man wie eine Laterne in der Dunkelheit.«

      »Dann bist du sehr glücklich mit Toni?«

      »Ja, ich bin sehr glücklich. Warum fragst du?«

      Gundi seufzte tief.

      »Weil ich im Augenblick auf der Suche nach dem Glück und der Liebe bin. Es mag für dich seltsam klingen, aber ich bin auf der Suche nach der absoluten Gewißheit, daß ich den Richtigen liebe.«

      Anna lachte.

      »Das kann dir niemand sagen, Gundi! Sicherlich wirst du heute nicht mehr runter nach Waldkogel wollen. Du kannst bei uns im Wohnzimmer schlafen. Später, wenn die Sonne untergegangen ist und alle gegessen haben, dann habe ich etwas Zeit. Wenn du magst, dann setzen wir uns zusammen und reden ein bisserl, so wie es eben nur Frauen tun, willst du?«

      Gundi zögerte.

      »Was ist?« fragte Anna und schob die große Bratpfanne auf die Feuerstelle.

      »Ich frage mich, ob es etwas bringt, wenn ich alleine eine Weile zum ›Erkerchen‹