Название | Traum aus Eis - Der Kalte Krieg 3 |
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Автор произведения | Dirk van den Boom |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783864027529 |
Eine Veröffentlichung des
Atlantis-Verlages, Stolberg
Oktober 2020
Druck: Schaltungsdienst Lange, Berlin
Titelbild und Schriftzüge: Dirk Berger
Umschlaggestaltung: Timo Kümmel
Lektorat und Satz: André Piotrowski
ISBN der Paperback-Ausgabe: 978-3-86402-720-8
ISBN der E-Book-Ausgabe (EPUB): 978-3-86402-752-9
Dieses Paperback/E-Book ist auch als Hardcover-Ausgabe direkt beim Verlag erhältlich.
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Widmung
Für Ulrich Bettermann
Ich habe ihm erzählt, wie die Geschichte ausgeht.
Er weiß Bescheid.
1
»Eine Gefangene, ja?«
Der Offizier sah Horton Vigil an, mit dieser Mischung aus Misstrauen, Respekt und Angst, die die umfassenden Legitimationen immer auslösten, die der Agent vorlegte. Was davon die Oberhand erhielt, war noch nicht ausgemacht und Vigil wartete nicht auf den natürlichen Lauf der Dinge. Initiative war alles.
Sein Auftauchen war natürlich überraschend und nichts war verdächtiger als eine Überraschung. Da erschien ein Schiff im Zentralsystem und an Bord war jemand, der vor lauter Berechtigungen, Einstufungen und Freigaben kaum aufrecht laufen konnte. Gewiss, alle diese Legitimationen waren absolut in Ordnung und es wäre so viel einfacher gewesen, wenn sich daran ein Makel gefunden hätte. Der Offizier musste annehmen, dass nur der Imperator über größere Vollmachten verfügte, jedenfalls war er jemandem wie Vigil noch nie begegnet.
Er fühlte sich überrumpelt, zweifellos. Das war exakt Vigils Absicht gewesen. Je länger der Offizier über alles nachdachte, desto eher wurde sein Misstrauen genährt. Er würde möglicherweise sogar auf die Idee kommen, seine Vorgesetzten um Rat zu fragen. Der Reflex, die Verantwortung abzugeben, war tief in jedem Offizier verwurzelt, der so nah am Zentrum der Macht agierte. Diese Leute hatten Angst vor jedem Fehler, der eventuell dazu führen könnte, dass sie das verhältnismäßig sichere Leben mit all seinen Privilegien, das der Dienst im Zentralsystem ihnen bot, verlieren würden. Vigil hatte dafür volles Verständnis. Er hatte aber keine Zeit.
»Was soll diese unnötige Verzögerung? Ich habe Befehle, eine Gefangene und bin legitimiert!«, sagte er mit seiner Kommandostimme, legte alle Autorität eines hochgeheimen Spezialisten hinein, zu der er noch in der Lage war. Tatsächlich war er sehr müde, viel mehr, als er sich selbst oder sogar Ildaya gegenüber zugeben wollte. »Wenn Sie mich noch viel länger aufhalten, wird das Konsequenzen haben – für die Sicherheit des Imperiums und für Sie!«
Das saß. Vigil war das unmerkliche Zusammenzucken des Mannes keinesfalls entgangen. Konsequenzen zu vermeiden, war ein zweiter Grundpfeiler der Existenz dieses Offiziers. Und jemand wie Vigil war sicherlich imstande, solche auszulösen.
Es gab einen sanften Pington und sie erhielten die Landefreigabe. Das Gesicht des Mannes verschwand vom Schirm. Vigil machte sich keine Illusionen über das, was jetzt passieren würde. Natürlich machte er Meldung. Aber da Vigils Autorität absolut rechtmäßig war, würden erst einmal keine Alarmglocken läuten. Es half, dass er für seinen selbstsicheren Auftritt eine seiner zahlreichen Tarnidentitäten benutzt hatte, ebenfalls alle absolut authentisch, nur eigentlich nicht dazu gedacht, sich Zugang zu einer der am besten geschützten KI-Anlagen des Imperiums zu verschaffen.
Ach was! Es war besser, sich keine Illusionen zu machen. Es war die am besten geschützte Anlage und er wusste nicht, wie lange ihm seine Freigaben helfen würden. Je näher er an den Kern kam, desto aufmerksamer wurden die Leute – und waren weniger bereit, sich beeindrucken zu lassen. Selbst der Kaiser würde sich scannen lassen und ausweisen müssen, wollte er zum Allerheiligsten vordringen. So weit wollte Vigil zum Glück nicht. Eine Zugangskonsole des Geheimdienstes war absolut ausreichend.
Er atmete tief durch. Das wäre alles nicht halb so aufregend, so aufwühlend gewesen, wenn er nicht in der letzten Ruhephase einen Traum gehabt hätte. Nein, der Traum an sich war nicht das Problem gewesen. Er hatte, wie jeder Mensch, manchmal erschütternde Träume. Normalerweise waren dies Episoden, die schnell vorbei waren. Er stand auf, duschte, es gab einen Kaffee und spätestens dann waren die Einbildungen einer unruhigen Nacht bereits wieder vergessen, nur noch eine nachschwingende Emotion, die vielleicht ein leises Unbehagen auslöste, mehr aber nicht. Er hatte niemals Angst gehabt, danach wieder ins Bett zu gehen, und er hatte dem zu keinem Zeitpunkt irgendeine Bedeutung beigemessen. Traumdeuterei und die ganze Küchenpsychologie darum hatte er immer für kruden Hokuspokus gehalten. Doch diesmal hatte das Erlebnis Spuren hinterlassen. In der letzten Ruhephase war sein Traum sehr eindringlich gewesen – und in gewisser Hinsicht eine Folter. Sein Unterbewusstsein entsann sich der Trümmer des Kollapsars, die er untersucht hatte, damals, im Kath-Raum. Er sah sich selbst vor dem vom Eis umhüllten Körper stehen, den er darin entdeckt hatte, und ja, da war das Gefühl von Kälte gewesen, geboren aus der gleichzeitigen Empfindung von Angst und Unverständnis. Doch diesmal war noch etwas hinzugekommen, hatte seine Psyche, befreit von den Bindungen der Realität, ihre eigenen Kapriolen geschlagen. Er sah sich selbst im Eis eingeschlossen, wie die beißende Kälte sich durch seinen Körper fraß, ihn zu lähmen trachtete und das Leben in ihm mit alles erfrierender Unerbittlichkeit verdorren ließ. Er entsann sich seiner wachsenden Panik, wie er alle Kräfte angestrengt hatte, sich zu befreien und die eisige Umklammerung zu sprengen. Wie es so war in Träumen, manchmal gelang es einem, manchmal nicht, und wenn das Ende unausweichlich schien, erwachte man mit klopfendem Herzen, desorientiert, dann aber erleichtert, dass all dies nur die Einbildung eines außer Kontrolle geratenen Gehirns gewesen war. Dusche, Kaffee, Vergessen.
So war es auch diesmal gewesen. Dem Eistod durch Erwachen entronnen, mit einem wilden Gefühl der Befreiung aus endloser Gefangenschaft, war er keuchend hochgefahren, hatte kurz geblinzelt, als das Licht anging, die vertraute Umgebung seiner Kabine in sich aufgenommen, sich beruhigt. Dusche. Kaffee. Dann war er noch einmal zu seinem Bett zurückgekehrt, um es zu richten, eine Tätigkeit, die er selten Robotern überließ, die zu seiner Routine gehörte, mit der er sich auf einen meist anstrengenden Tag vorbereitete. Das Kissen war feucht gewesen. Vigil hatte es verwundert betrachtet, denn er war zwar heftig aus dem Albtraum hochgefahren, aber keinesfalls in Schweiß gebadet. Er hatte sich nach vorne gebeugt, das Kissen berührt – und war zusammengezuckt: Die Nässe war eiskalt gewesen, wie gerade geschmolzener Schnee.
Das war nicht normal. Vigil hatte die Umweltkontrollen überprüft, die Daten der inneren Sensoren und nichts entdeckt, was das Rätsel erklärbar gemacht hätte. Andere Dinge, das Ende ihrer Reise, standen vordringlich an, aber der ungewöhnliche Fund beschäftigte ihn, bis er auf der kleinen Brücke seines Schiffes angekommen war. Ildaya erfuhr davon nichts. Es gab gewiss eine logische Erklärung dafür, aber die Kälte des feuchten Kissens glitt ihm einen Moment den Rücken hinunter. Dann war der Zeitpunkt gekommen, diese Erfahrung in den Hintergrund seines Bewusstseins zu drängen und sich mit dem Ruf des Offiziers zu befassen, und danach dachte er einfach nicht mehr daran.
Es gab jetzt wirklich Wichtigeres zu erledigen.
Die Sylvana glitt unbehelligt durch das System. Im Äther herrschte helle Aufregung. Vigil konnte in alle offiziellen Kanäle hineinhören und das Bild, das sich abzeichnete, war verheerend. Die Katastrophe im Serail war wie ein Donnerhall durch das Imperium gegangen und die Schockwellen hatten auch den letzten Bürokraten aus seinem Schlaf geweckt. Alarmstimmung machte sich breit, trotz aller beruhigenden Propaganda, die an Glaubwürdigkeit massiv eingebüßt hatte. Selbst jene, die sie verbreiteten, machten den Eindruck, ihre eigenen Lügen nicht