Название | Das Wechselspiel von Köln |
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Автор произведения | Franziska Franke |
Жанр | Языкознание |
Серия | Krimi |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783958132283 |
Nach einer Weile säumten Gräber beide Seiten der Straße, was ein gutes Zeichen war, denn Grabanlagen befanden sich selten weit von den Ortschaften entfernt. Manche der Monumente waren mit steinernen Masken geschmückt und auch sonst waren viele aufwändiger als die Grabdenkmäler von Mogontiacum.
Als sich die Veteranenkolonie endlich am Horizont abzeichnete, bestaunte ich ihre gewaltige Stadtmauer aus sorgfältig zugeschlagenen grauen Steinquadern. Sie war von einem Graben umgeben und besaß zahlreiche Tore und runde Wehrtürme. Ihre Aufgabe war nicht nur, die Barbaren abzuwehren, sondern die Mauer sollte auch die Macht und den Glanz des Römischen Reiches demonstrieren.
Je näher die Stadt rückte, desto zahlreicher wurden die Töpfereien. Am späten Nachmittag erreichten wir endlich ein protziges Stadttor mit flankierenden Türmen, das durch Architrave und umlaufende Bögen gegliedert war. Der mittlere Torbogen trug zur Feldseite die Lettern CCAA, wohl als Gedächtnisstütze für vergessliche Besucher. Die dahinterliegende Straße war völlig gerade, was in Mogontiacum eine Ausnahme war, denn die Wege unserer Heimatstadt folgten den natürlichen Gegebenheiten. Der Rauch unzähliger Herdfeuer stieg in den grauen Himmel. Kein Lüftchen rührte sich. Ein Unwetter lag in der feuchten Luft.
»Die Stadt ist noch beeindruckender, als ich erwartet habe«, entfuhr es Lucius, als wir das Tor passiert hatten. Perplex starrte er auf den gepflasterten Boden. Dergleichen gab es in Mogontiacum nur auf dem Forum.
»Hat nicht der Kaiser verordnet, dass Händler, Totengräber und Barbiere nur bis zu ihrer Türschwelle Kunden anwerben dürfen? Trotzdem haben sie die halbe Straße mit ihren Verkauf ständen zugebaut«, knurrte ich und beäugte die kosmopolitische Menschenmasse, die sich durch die für diesen Andrang viel zu engen Straßen quetschte. Man sah jede erdenkliche Haut- und Haarfarbe. Römische Kleidung war vorherrschend, aber dazwischen mischten sich auch keltische, levantinische und sogar orientalische Trachten. Die Köpfe der einheimischen Frauen wurden von auffälligen, fast kreisförmigen Hauben eher verschandelt als verschönert. Es handelte sich bei den Damen wohl um Ubierinnen, denn ich hatte an Bord der Liburne erfahren, dass die Ansiedlung vor Gründung der Veteranenkolonie Oppidum Ubiorum hieß.
»Diese Verordnung wird wahrscheinlich nicht einmal in Rom eingehalten«, meinte mein Bruder, sich ebenfalls mit skeptischer Miene umblickend. »Weißt du eigentlich, wo der Decurio wohnt?«
Ein junger Bursche rempelte mich an und ich griff automatisch nach meinem Geldbeutel, der aber weiterhin an meinem Gürtel baumelte.
»Im Villenviertel am Rheinufer«, entgegnete ich dann. »Mehr weiß ich leider auch nicht.«
Vor uns ertönte der scheppernde Klang einer Kapelle, die auf einem kleinen Platz spielte. Nachdem wir uns durch die das Spektakel begaffende Menge geschoben hatten, passierten wir eine Querstraße, die fast so breit wie die Hauptstraße war. Wie die folgenden Straßen, die unseren Weg kreuzten, war sie so gerade wie ein Zollstock. Offenbar verliefen alle Straßen der Veteranenkolonie rechtwinklig zueinander.
»Hier sieht es überall gleich aus«, beanstandete ich, denn allzu viel Symmetrie war mir nicht geheuer.
»Wenigstens verläuft man sich nicht so leicht, wenn man angeheitert nach Hause geht«, bemerkte mein Bruder.
Trotz der gepflasterten, schnurgeraden Straßen mussten die meisten Einwohner in Agrippina mit engen Streifenhäusern vorliebnehmen, deren Schmalseiten in lückenloser Reihe bis zur Straße reichten. Erst als wir uns dem Rheinufer näherten, lagen vor uns weitläufige kommunale Bauten. Auch ein mächtiger Tempel, der auf einem Podest stand, ragte in den trüben Himmel. Sicherlich handelte es sich um das Kapitol.
Ein junger Straßenhändler mit schmierigen, dunklen Locken, der mit einem Bauchladen voller Happen die Straße abschritt, erregte meine Aufmerksamkeit. Wenigstens sah seine Ware ansprechender aus als der Verkäufer. Zwar vermied es ein vornehmer Römer, auf der Straße zu essen, aber hier kannte mich schließlich niemand.
»Zwei von diesen geräucherten Fischen, bitte«, sprach ich den Straßenhändler an, bevor er an mir vorbeieilen konnte.
»Gute Idee!«
Es passierte selten genug, dass Lucius und ich einer Meinung waren.
»Was schulden wir dir?«, fragte ich den schwarzhaarigen Händler und er nannte einen exorbitanten Preis.
Lucius wollte protestieren, aber ich machte eine abwehrende Handbewegung.
»Kennst du zufällig den Weg zum Haus des Decurio Junius Petronius?«, erkundigte ich mich, nachdem ich bezahlt hatte. »Angeblich ist es nicht weit vom Rheinufer entfernt.«
Der Gesichtsausdruck des Händlers schwankte zwischen Amüsement und Widerwillen.
»Ihr seid wohl nicht aus Agrippina?«, fragte er gönnerhaft zurück.
Wenigstens wusste ich jetzt, dass die Einheimischen sich weder mit dem vollen Namen der Veteranenkolonie abplagten, noch die hässliche Abkürzung verwendeten.
»Nein, wir kommen aus Mogontiacum.«
Der Straßenhändler taxierte uns mit verächtlicher Miene. Ich fragte mich, ob die barsche Reaktion unserem Gastgeber in spe oder unserer Heimatstadt galt.
»Kennst du den Decurio?«, erkundigte ich mich vorsichtig.
»Selbstverständlich, den kennt hier jeder.«
Sein Tonfall zeigte, dass das Gespräch für ihn damit zu Ende war.
»Und wie komme ich zu seinem Haus?«, hakte ich nach.
»Ihr müsst zum Capitol gehen, dann das Forum überqueren und weitergehen, bis ihr einen kleinen Platz mit einem Weihestein der Aufanischen Matronen erreicht. Dort folgt ihr einem Weg in Richtung Rhein bis zu seinem Ende. Dann biegt ihr links um die Ecke. Das Haus des Decurio ist das dritte auf der rechten Straßenseite«, erläuterte der Straßenhändler erstaunlich präzise und wünschte uns dann mit spöttischem Grinsen einen schönen Abend. Wir vertilgten im Gehen unseren Fisch, der trockener war als er aussah, aber wenigstens den schlimmsten Hunger stillte.
»Ich brauche dringend einen Becher Wein«, sagte ich und steuerte die nächste Schenke an.
»Wollen wir den Wein nicht lieber auf Kosten unseres Gastgebers trinken? Die Höflichkeit gebietet es ihm, uns einen Willkommenstrunk anzubieten«, sagte Lucius mit halbvollem Mund. »Leider bin ich etwas knapp bei Kasse.«
Das war sicherlich eine schamlose Untertreibung. Wie ich ihn kannte, hatte er seinen Sold für mehrere Monate im Voraus verspielt. Ich wies Lucius nicht darauf hin, dass ich unsere Mahlzeit auf die Spesenrechnung setzten wollte, denn er sollte für seinen Leichtsinn büßen.
Leider entpuppte sich die Taverne als miese Spelunke und ich verließ augenblicklich den Schankraum.
»Vielleicht sollten wir uns doch lieber am Forum einen guten Schluck genehmigen«, murmelte ich draußen.
Die Schatten wurden bereits länger, als wir endlich den gewaltigen, von einer halbrunden Exedra abgeschlossenen Platz erreichten. Die meisten Bauten waren mit Marmor verkleidet, dessen Weiß mit dem Hellgrau des Himmels verschmolz. In der Mitte des Forums, das von Ladengeschäften gesäumt wurde, stand ein vergoldetes Bronzestandbild des Kaisers auf einem hohen Podest. Später erfuhr ich, dass man in Agrippina die Handwerker außerhalb der Stadtmauern verbannt hatte, teils wegen der Brandgefahr, die von manchen Werkstätten, wie Töpfereien, Glashütten oder Schmieden ausging, und teils damit die Reisenden bereits vor Betreten der Stadt die heimischen Produkte bewundern konnten. Trotz dieser Beschränkungen war das Forum alles andere als beschaulich: Von Ochsen gezogene Karren mit Lebensmitteln polterten über das Steinpflaster und Müßiggänger standen plaudernd, streitend oder lachend in kleinen Gruppen auf dem Platz. Zwischen ihnen rannten Kinder laut jauchzend herum. Wie mochte es hier erst zur fünften Stunde zugehen, wenn sich in Mogontiacum das Forum am meisten füllte?
Wir kehrten in einer Taverne ein, wo wir unsere von der Wanderung und dem Nieselregen in Mitleidenschaft gezogene Kleidung auf Vordermann brachten.
»Gerade