Die Halskette von Worms. Franziska Franke

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Название Die Halskette von Worms
Автор произведения Franziska Franke
Жанр Языкознание
Серия Krimi
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958132290



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erkundigte sie sich in dem vorwurfsvoll-resignierten Tonfall, mit dem sie wohl früher ihren Ehemann bedacht hatte, wenn er wieder einmal nach Agrippina fuhr.

      »Du kennst doch den Schmied, der hinter deinem Haus wohnt?«, fragte ich und lehnte mich auf dem Stuhl zurück, um das Gesicht meiner Gesprächspartnerin besser sehen zu können. Ich wollte die Geschichte auch aus ihrem Munde hören. Daher behielt ich vorerst für mich, dass ihr Nachbar tot war.

      »Ich weiß, dass er existiert und das ist schon zu viel!«, stieß die Hausherrin unerwartet heftig hervor.

      Ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie gewöhnlich kein Blatt vor den Mund nahm. Böswillige Menschen könnten diese Bemerkung jedoch als Morddrohung auslegen.

      »Was hast du eigentlich gegen ihn?«, vergewisserte ich mich scheinheilig.

      »Dass er seinen lärmenden, stinkenden Betrieb erweitern möchte. Es war typisch für Probus, dieses Bauland in Nachbarschaft einer Schmiede zu erwerben, nur weil es preiswert war. Immer mehr Schein als Sein! Aber was sollte man schon von ihm erwarten. Schließlich war er ein entflohener Sklave.«

      Ob ihr eigentlich klar war, dass ich ein Freigelassener war? Ich nahm zu ihren Gunsten an, dass ihr es im Eifer des Gefechtes entfallen war. Im gleichen Augenblick kehrte das Dienstmädchen mit einem Tablett zurück, auf dem ein einfacher Tonkrug, zwei ebenso schlichte Becher und Keramikschalen mit gekochten Eiern, Oliven und Pinienkernen standen. Um mich zu bewirten, war der Hausherrin offenbar ihr gutes Service zu schade. Die Dienerin platzierte das Geschirr auf einem runden Marmortisch und goss Wasser in die Becher. Dann nahm sie wieder ihren Platz hinter dem Korbstuhl ihrer Herrin ein.

      »Du bist also mit deinem Nachbarn verfeindet«, fasste ich die Erkenntnisse der letzten Stunden zusammen, griff nach einem Ei und biss vorsichtig ein Stück ab. Doch meine Achtsamkeit war überflüssig, es war hart gekocht.

      »Dieser Mensch drängt mich, ihm das Grundstück zwischen unseren Anwesen zu überlassen. Aber wie soll ich meine Villa zu einem anständigen Preis verkaufen, wenn sich dahinter eine Baustelle oder ein lärmender Handwerksbetrieb befindet? Er muss sich schon gedulden, bis ich ausgezogen bin.«

      Ich hatte das Ei vertilgt und spülte mir mit einem Schluck Wasser den Mund aus, bevor ich einen Vorstoß wagte.

      »Es erstaunt mich, dass die Villa deinem Mann gehörte. Ich dachte, du hättest das ganze Geld mit in die Ehe gebracht.« Ich rechnete nicht mit einer Antwort auf meine Frage, doch ich täuschte mich.

      »Na ja, ein klein wenig besaß er auch und davon hat er das Grundstück gekauft. Die Gebäude ließ er dann auf Kredit errichten und auch sonst lebte er gern auf großem Fuß«, gab Julia Marcella widerwillig zu und ich befürchtete schon, dass sie sich über den errungenen und wieder zerronnenen Reichtum ausließ. Doch sie richtete sich wortlos in ihrem Sessel auf und kniff die Lippen aufeinander.

      »Aber was kümmert dich das? Du solltest meine Kette wiederfinden und nicht meine Vermögensverhältnisse auskundschaften.«

      Es hatte erstaunlich lang gedauert, bis sie mich in die Schranken wies.

      »Das habe ich eher zufällig erfahren. Deine diebischen Gäste haben übrigens bei deinem Nachbarn logiert«, informierte ich die Hausherrin, eine Neuigkeit, die sie sichtlich schockierte.

      »Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich Ariovist auf die beiden gehetzt, statt sie in meinem Heim herumzuführen. Bestimmt sollten sie meine Villa im Auftrag des Schmieds erwerben«, ereiferte sie sich.

      Dieser Gedanke war auch mir bereits gekommen, aber dann hätten sie weder lange Finger gemacht, noch fluchtartig das Haus verlassen.

      »Du sprichst in der Vergangenheitsform? Hast du Lucretia Calpurnia und Aulus Calpurnius also nicht mehr angetroffen?«, erkundigte sich die Hausherrin.

      »Nein, leider nicht. Sie sind heute Morgen überraschend abgereist, ohne ihr Ziel zu nennen. Aber es kommt noch schlimmer«, kündigte ich an und berichtete vom Tod des Werkstattinhabers.

      »Dem weine ich keine Träne nach!«, erklärte Julia Marcella kühl und griff mit einer jähen Bewegung nach ihrem Becher, was ihre Armreifen zum Klimpern brachte.

      Ich hatte nicht erwartet, dass sie vom Tod des Schmiedes erschüttert war, aber mit etwas mehr Überraschung und Anteilnahme am gewaltsamen Tod eines Nachbarn hatte ich schon gerechnet. Gierig trank sie einen Schluck, verzog aber sofort das Gesicht und blickte grimmig in das Trinkgefäß. Offenbar hatte sie vergessen, dass es Wasser enthielt. Auch ich bereute inzwischen, den mir angebotenen Wein ausgeschlagen zu haben.

      »Sein Sohn wird in seine Fußstapfen treten. Die Lage hat sich also für dich nicht verbessert. Aber ich habe noch eine Neuigkeit, die dir nicht gefallen wird«, kündigte ich an, stockte jedoch sogleich, denn ich konnte noch immer Julia Marcellas Verhältnis zu ihrem Angestellten nicht recht einschätzen.

      Ihre Augen weiteten sich und ihre Gesichtshaut wurde noch blasser, falls das überhaupt noch möglich war.

      »Am besten, du trinkst vorher einen Becher Marsala«, schlug ich vor. Ich wusste, dass es im Haushalt eine Amphora des sizilianischen Starkweins gab, weil laut Cicero die Haussklaven bei meinem letzten Besuch Marsala genascht hatten.

      »Nur, wenn du mittrinkst«, stammelte die Hausherrin und als ich nickte, forderte sie ihre Dienerin mit einer fahrigen Handbewegung auf, das Gewünschte herbeizuschaffen.

      Julia Marcella war eine starke Frau, die jede Situation meisterte. Das bewies sie an diesem Abend, indem sie schweigend wartete, bis ihr der Marsala kredenzt wurde. In der Zwischenzeit stopften wir die Happen in den dargereichten Schalen in uns hinein.

      Allmählich machte ich mir Sorgen, dass Pina immer noch nicht zurückgekehrt war. Wo mochte sie wohl stecken? Zu meiner Zeit blieben junge Mädchen nach dem Abendessen zuhause. Aber vielleicht war sie gar nicht unterwegs, sondern hütete ihr Zimmer und man hatte den Türsteher angewiesen, mich anzulügen.

      Endlich kehrte das unscheinbare Dienstmädchen mit einem fein verzierten Krug aus Terra Sigillata zurück.

      Julia Marcella stürzte das restliche Wasser in ihrem Becher herunter, ließ sich dann Rotwein einschenken, den sie nach Barbarenart unverdünnt zu trinken gedachte. Ich hingegen mischte ihn, wie es sich gehörte, mit Wasser.

      »Jetzt spann mich nicht weiter auf die Folter. Betrifft es Probus?«, fragte die Hausherrin, nachdem sie sich einen kräftigen Schluck genehmigt hatte.

      »Nein, Marius Marfilius.«

      »Ich habe von Anfang an bemerkt, dass du ihn nicht leiden kannst«, beschuldigte mich Julia Marcella, während sie den Becher so fest umkrallte, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. In ihrer Stimme lag eine aggressive Schärfe, die mich ärgerte.

      »So wichtig nehme ich ihn nicht. Falls er nicht auf die Idee kommen sollte, Pina den Hof zu machen, ist er mir völlig gleichgültig«, rutschte es mir heraus.

      »Er bevorzugt ältere Frauen«, zischte die Hausherrin und funkelte mich an, als sei dieser durch meine Schuld in seine missliche Lage geraten. Und deren Geld, dachte ich, sprach es jedoch lieber nicht aus.

      »Weißt du, dass er sich gestern mit deinem Nachbarn getroffen hat, um ihm Auskunft über den Wert deines Hauses zu geben?«, erkundigte ich mich, behielt aber für mich, dass Marius Marfilius bezichtigt worden war, ein falsches Spiel zu spielen. Vermutlich hatte er versucht, das Brachland unter der Hand zu verkaufen, vielleicht mit der Auflage, es erst zu bebauen, wenn die Villa ihren Besitzer gewechselt hatte.

      Julia Marcella machte ein bestürztes Gesicht.

      »Warum sollte er das tun?«, fragte sie mit kaum hörbarer Stimme und leerte ihr Glas, das sofort wieder gefüllt wurde.

      »Er wird wohl für die Informationen etwas verlangt haben«, erläuterte ich, obwohl das ja eigentlich naheliegend war. Alle wollten Geld dazuverdienen.

      Unweigerlich musste ich an Cicero denken. Marius Marfilius traute ich sogar zu, in den Diebstahl des Schmuckstücks verwickelt zu sein. Aber das wollte seine Arbeitgeberin bestimmt nicht hören.