Название | CLOWNFLEISCH |
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Автор произведения | Tim Curran |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783958355187 |
Die nächsten zwanzig Minuten sind dankbarerweise deutlich ruhiger.
Schließlich kämpft sich der Toyota über eine Kuppe und Gina kann Craw Falls in dem Tal vor sich sehen. Die Lichter der Stadt funkeln wie auf einem kitschigen Gemälde und das Ganze wirkt beinahe wie eine Fata Morgana in der Wüste, denn innerhalb von Sekundenbruchteilen ist die Aussicht wieder im Blizzard verschwunden.
Ich bin fast zu Hause, denkt sie. Bald bin ich da.
Als sie nur noch fünf Minuten vom Stadtrand entfernt ist, rollt sie einen Hügel hinunter und muss sich anschließend durch zehn Zentimeter hohen Schnee kämpfen, der die Straße komplett bedeckt.
In diesem Moment tritt eine Gestalt in ihren Scheinwerferkegel. Sie schreit erschrocken auf und tritt auf die Bremse. Der Toyota schaukelt hin und her, rutscht aber auf dem gefrorenen Untergrund beinahe ungebremst weiter. Es gibt ein grauenhaftes, dumpf klingendes Geräusch, als die Person von der Stoßstange erfasst und dann ins Schneegestöber geschleudert wird.
Das Nächste, was Gina mitbekommt, ist, dass der Toyota bis zur Windschutzscheibe in einem Schneehaufen steckt. Sie legt den Rückwärtsgang ein, aber die Räder drehen einfach durch. Sie versucht sich zu beruhigen, schaltet die Warnblinkanlage an und öffnet dann unter hohem Kraftaufwand die Tür. Anschließend torkelt sie in den Sturm hinaus.
Der eiskalte Wind peitscht auf sie ein und sofort fühlt sich ihr Gesicht taub an.
Ihr ganzer Körper zittert, doch nicht nur wegen der Kälte. Sie hat jemanden angefahren, und es gibt absolute keine Chance, dass diese Person noch einmal aufsteht. Sie muss sofort die 911 wählen und die Leiche suchen. Allein der Gedanke daran, lähmt sie, denn sie hat ganz genau gesehen, wen sie gerammt hat, oder besser gesagt, was. Daran gibt es überhaupt keinen Zweifel.
Sie hat einen Clown überfahren!
Kapitel 5
»Jetzt beruhigt euch doch endlich mal!«
Die Stimme von Sheriff Teague dröhnt aus den Boxen der Karaoke-Anlage. Sogar die Biker, die im Nebenraum Billard spielen, halten inne und stützen sich auf ihre Queues auf. In der gesamten Kneipe kehrt jetzt Stille ein, niemand im Broken Bottle macht auch nur das leiseste Geräusch. Die Gäste haben ihre Biergläser vergessen und fassen auch die Schnäpse nicht mehr an. Die fettigen Pizzastücke auf den Papptellern werden langsam kalt.
»Also«, setzt Teague erneut an. »Ich habe nicht gesagt, dass ich das Broken Bottle schließen will. Dazu habe ich gar nicht die Autorität, und …«
»Da kannst du aber einen drauf lassen, dass du die nicht hast«, erwidert einer der Gäste lautstark, was zu Jubelrufen und Klatschen führt.
Teague schüttelt den Kopf. »Danke, Carpy. Wenn ich dich das nächste Mal anhalte, weil du Schlangenlinien fährst, dann nehme ich dir nicht nur den Schlüssel weg, dann verfrachte ich dich direkt in eine Zelle.«
Auf einmal ist der Enthusiasmus von George Carp drastisch gedämpft. Er starrt in sein Bierglas, als würde er irgendwo in dem Sud seinen verlorenen Mut wiederfinden können.
Teague fährt fort: »Niemand will das Broken Bottle dichtmachen, ich informiere euch lediglich über den Ernst der Lage, denn es ist wirklich verdammt ernst. Draußen braut sich gerade der Blizzard des Jahrhunderts zusammen. Wir werden bis Mitternacht garantiert dreißig Zentimeter Schnee haben und bis zum Morgengrauen einen Meter. Die State Police hat bereits den Highway dichtgemacht und auch wir von der örtlichen Polizei werden nicht versuchen, die Nebenstraßen offen zu halten. Diejenigen unter euch, die also weiter draußen wohnen – wie du zum Beispiel, Carpy – sollten sich deshalb sofort auf den Weg nach Hause machen, oder sich wenigstens darum kümmern, dass sie bei irgendwem im Ort übernachten können.«
Im ganzen Raum entsteht daraufhin Gemurmel und Gebrummel.
»Ganz tolle Aktion, Sheriff«, schimpft Brenda Prechek. »Du ruinierst mir damit mein komplettes Freitagabend-Geschäft! Ich kann schon so kaum die Miete zahlen, damit ruinierst du mich endgültig.«
»Jawohl«, stimmt ihr Ehemann Stew lautstark mit ein.
Teague weiß allerdings ganz genau, dass Stew Prechek seiner Frau immer recht gibt, egal was sie sagt. Ob es nun um die gestiegenen Preise von eingelegten Gurken geht oder um die Konsistenz ihres morgendlichen Stuhlgangs.
»Ich nenne euch hier nur die Tatsachen«, ruft Teague, »ihr könnt alle machen, was ihr wollt, aber schafft gefälligst eure Autos und Trucks von der Straße. Der Schneepflug muss hier ungehindert durchkommen können. Wenn nicht, habe ich keine andere Wahl, als in dreißig Minuten den Abschleppdienst zu rufen.«
Einige der Gäste ziehen sich ihre Jacken über und eilen nach draußen, woraufhin sofort ein eisiger Wind hereinbläst und den einen oder anderen Pappteller durch die Luft wirbeln lässt. Die Stammgäste und Volltrunkenen bleiben allerdings, wo sie sind, und murmeln nur in ihre Bärte, wer zum Henker Will Teague denn zum neuen Weltherrscher ernannt hat.
Brenda Prechek hingegen tobt vor Wut. »Wirklich ganz tolle Aktion, Sheriff. Damit muss demnächst noch ein weiterer Laden in dieser pissigen Stadt dichtmachen!«
»Dreißig Minuten!«, ruft Teague noch einmal, bevor er von der Karaoke-Bühne hinuntersteigt, die kaum größer als ein Bierdeckel ist.
Brenda lamentiert weiter über Cops und Beamte, die jedem die fettigen Finger in den Arsch schieben und damit irgendwann das ganze Land ruinieren. Man darf keine Waffen mehr kaufen, und in der Schule darf man nicht mal mehr beten, behauptet sie. »Das hat man von diesen ganzen Liberalen mit ihrem …«
»Halt doch endlich dein verdammtes Maul, Brenda«, fährt Teague sie schließlich an.
»Lässt du den Kerl etwa so mit mir reden?«, fragt sie ihren Mann empört, der so dünn ist, dass er manchmal mit einem Pfeifenreiniger verwechselt wird.
»Überleg dir gut, was du jetzt sagst«, knurrt Teague.
Stew schaut vom knallroten Gesicht seiner Frau zum Sheriff … zu den gesamten hundertachtzig Zentimetern voller Muskeln, und den breiten Schultern, die in einer Polizeilederjacke stecken.
Er schluckt trocken. »Ja.«
Kapitel 6
Der Blizzard tobt weiter und peitscht weiße Schneewände vor sich her. Gina stopft ihre Handschuhe in die Jackentaschen und zieht ihr Handy hervor. Sie wird jetzt zuerst die 911 wählen und dann den Kerl suchen, den sie überfahren hat.
Durch die Kälte und ihre Angst zittern ihre Hände so stark, dass das Telefon ihr förmlich aus der Hand katapultiert wird. Es fliegt durch die Luft und verschwindet dann in einem Schneehaufen.
»So eine Scheiße!«
Sie geht auf die Knie und wühlt mit eiskalten Fingern in der weißen Masse herum. Eigentlich müsste es doch ganz leicht zu finden sein, doch das ist es nicht. Sie buddelt und tastet weiter, bis sie die Minusgrade irgendwann nicht mehr aushält und sich die Handschuhe wieder anziehen muss. Es sind allerdings nur dünne Lederhandschuhe. Nutzlos gegen die Kälte, aber gut für feinmotorische Bewegungen. Trotzdem kann sie das Telefon einfach nicht finden. Es ist zu dunkel und