"Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können". Sigrid-Maria Größing

Читать онлайн.
Название "Wir hätten in einem Rosengarten sitzen können"
Автор произведения Sigrid-Maria Größing
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783902998712



Скачать книгу

des Königspaares anhielten, war man hocherfreut und fühlte sich geehrt. Allerdings waren zwei Mädchen schon fest versprochen: die Älteste sollte den König von Portugal heiraten und die zweite, Catalina, war mit dem Thronfolger von England, Arthur, verlobt. So blieb nur die Jüngste Tochter Juana übrig, die man dem Kaiser und seinem Sohn anbot. Für Maximilian wäre selbstverständlich die älteste Tochter Isabel als Schwiegertochter willkommener gewesen, hätte er doch – und so überlegte man in diesen Zeiten stets – bei einem frühen Tod des spanischen Infanten für seinen Sohn Aussicht auf die spanischen Gebiete mit den überseeischen Kolonien gehabt. Für alle Herrscher war die Mitgift eine wesentliche Sache, und der Kaiser wußte, daß die spanischen Prinzessinnen gut ausgestattet waren.

      Die Tragik des Schicksals wollte es, daß ausgerechnet Juana die Auserwählte für den Habsburgerprinzen war, ein Mädchen, das schon in seiner Jugendzeit durch Introvertiertheit und Zurückgezogenheit aufgefallen war, das nichts von seinen dynamischen Eltern geerbt hatte. Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragon galten als das ideale Paar auf dem Königsthron, beide zusammen hatten es fertiggebracht, Spanien zu einigen, die spanischen Granden davon zu überzeugen, daß nur ein einiges Land stark sein konnte im europäischen Konzert der Mächte, daß aber zu einer politischen Einheit auch die religiöse vonnöten war. Und so hatten sie von allen Seiten starke Unterstützung erhalten, als vor allem Isabella begann, gegen die Mauren und Juden in Südspanien vorzugehen und versuchte, das Kalifat von Granada zu stürzen. Im Jahre 1492 war es dann endlich soweit, die letzten Mauren, die die schweren Kämpfe überlebt hatten, wurden vor die Wahl gestellt, entweder die katholische Religion anzunehmen oder das Land zu verlassen. Grausam ging man auch gegen die Juden vor, denen man Geschäftemacherei und Wucher vorwarf. Die katholischen Majestäten zeigten wenig christliche Nächstenliebe, sondern hielten Feuer und Schwert für probate Mittel im Kampf gegen die Andersgläubigen.

      Aber sie hatten Erfolg: ein einiges Spanien war ihr Ziel gewesen, und das hatten sie erreicht. Und Isabella war es auch, die mit ihrem Weitblick die Fähigkeiten eines Christoph Kolumbus erkannt hatte, die dem Genuesen, der schon überall abgewiesen worden war, drei Schiffe zur Verfügung stellte, mit denen er neue Länder für die spanische Krone entdecken konnte.

      Ferdinand hingegen stand, solange seine Frau am Leben war, fast in ihrem Schatten, und viele bezeichneten ihn gar als einen Pantoffelhelden, der seine Talente erst zeigen konnte, als Isabella ihr Reich Kastilien ihrer Tochter Juana vererbt hatte.

      Maximilian hatte bei der Wahl der spanischen Prinzessin natürlich angenommen, daß eine Tochter aus einem solchen Elternhaus sicherlich auch besondere Begabungen besitzen müsse. Er wußte wenig über die spanischen Prinzessinnen, nur so viel, daß die jüngste Tochter nicht ohne Reiz war, und das war wichtig für seinen liebesdurstigen Sohn Philipp.

      Juana, die im November 1479 das Licht der Welt erblickt hatte, war schon als kleines Kind anders als ihre Geschwister; sie spielte am liebsten allein in den weiten Parkanlagen, las, sobald sie konnte, Bücher, die eigentlich nicht ihrem Alter entsprachen und war von großem Ernst. Außerdem war das Kind ungewöhnlich fleißig und sprachbegabt, es dauerte nicht lange, und sie konnte sich mit ihren Lehrern in den Sprachen unterhalten, die eben unterrichtet worden waren. So sprach sie fließend Latein, außerdem natürlich Spanisch, Portugiesisch, Französisch und später Flämisch. Für Politik allerdings interessierte sich Juana überhaupt nicht, sehr zum Leidwesen ihrer Mutter, die immer wieder versuchte, sie in politische Dinge einzuweihen. Das Mädchen hörte gar nicht erst zu, wenn die Mutter es belehren wollte, es beschäftigte sich nur mit den Dingen, für die es Interesse hatte, und Politik gehörte nicht dazu.

      Ganz anders war es mit der Religion. Juana war durch ihre Eltern fest im Glauben erzogen worden und befolgte alle Regeln genau. So wurde mindestens dreimal am Tag gebetet, sämtliche religiösen Feiertage wurden mit allen vorgeschriebenen Zeremonien begangen, und Juana dachte und tat nichts, was Priester und Bischöfe verboten hatten. Sie war in allem eine typische Spanierin, auch äußerlich. Dunkles Haar umrahmte ein ungewöhnlich apartes Gesicht, in dem die merkwürdig grünen Augen als Besonderheit auffielen und auf alle, die sie sahen, faszinierend wirkten. Sie sah ihrer Großmutter väterlicherseits, Johanna von Kastilien, sehr ähnlich, und ihre Mutter Isabella nannte sie manchmal scherzhaft »Schwiegermutter«. Sittenstreng, wie Juana erzogen worden war, fügte sie sich auch ganz dem Wunsch ihrer Eltern, als sie hörte, daß sie Philipp, den Sohn des Kaisers, heiraten sollte.

      Ob Juana von Philipp vorher schon etwas gehört hatte, ist nicht bekannt; jedenfalls soll sie von seinem Anblick entzückt gewesen sein, als die Gesandten des Kaisers ihr ein Medaillon mit dem Bildnis des Bräutigams überreichten. Man mußte dem jungen Prinzen nicht schmeicheln, wie das die Maler gerne taten, die im Auftrag eines Herrschers ein Konterfei herstellten, das dann dem zukünftigen Ehepartner übersandt werden sollte: Er war ein makelloser junger Mann, und die unerfahrene spanische Prinzessin verliebte sich auf den ersten Blick in ihn. Philipp hingegen war nicht gerade begeistert, als der Hochzeitstermin immer näher kam, erkannte er doch, daß er sein lustiges Leben zumindest vorübergehend aufgeben mußte, und das war etwas, woran er nicht einmal denken mochte. Von frühester Jugend auf war er an allerhand Abwechslungen gewöhnt, die sich ihm in den Niederlanden und im Reich boten. Dazu gehörten nicht nur seine vielfältigen Liebesabenteuer (die manchmal dazu führten, daß der kaiserliche Prinz im letzten Moment aus dem Fenster eines Hauses springen mußte, wenn er den gehörnten Ehemann die Treppen heraufkommen hörte), sondern auch die rauschenden Feste, auf denen er nächtelang tanzte und den Wein in vollen Zügen genoß. Das Leben war bunt und schön für einen freien Mann in Flandern, und Philipp dachte mit Schaudern an die Fesseln, die ihm sein Vater anlegen wollte. Außerdem hörte er, daß seine Braut sehr sittenstreng erzogen worden war, daß sie sich kasteite, wenn die Fastengebote dies verlangten, daß sie streng nach dem katholischen Glauben lebte. All dies war nicht dazu angetan, ihn mit Freude an die Zukunft denken zu lassen. So beschloß er, wenigstens die letzten Monate vor der Hochzeit noch ausgiebig zu genießen. Er verließ die Niederlande, um im Auftrag seines Vaters im Reich nach dem Rechten zu sehen und sich dort, oft vor den Augen der Öffentlichkeit, noch ausführlich zu amüsieren. Mit Philipp trauerte eine Unzahl schöner Mädchen, denen der Prinz die Gunst einer Nacht gewährt hatte, und von denen jede einzelne hoffte, daß er doch einmal zurückkehren würde.

      Philipp war achtzehn Jahre jung, als er heiraten sollte, aber ein Mann mit reicher Erfahrung, was die Frauen betraf. Hinter vorgehaltener Hand flüsterte man auch am spanischen Hof über sein ausschweifendes Liebesleben, und Juana hörte den Erzählungen der Hofdamen fasziniert und abgestoßen zugleich zu.

      Der Tag der offiziellen Hochzeit wurde festgesetzt; zur gleichen Zeit sollte der Bruder Juanas, der Infant von Spanien Juan, Philipps Schwester Margarete heiraten. Wie es zur damaligen Zeit üblich war, wurde die Hochzeit durch Stellvertreter durchgeführt, »per procurationem«; zu Beginn des Jahres 1496 fand die Trauung Juanas in Valladolid statt. Philipp, der nicht anwesend sein konnte, hatte den Bastard von Burgund geschickt, der den Platz des Bräutigams in der Kirche einnehmen sollte. Zuvor hatte man noch in Antwerpen einen offiziellen Vertrag aufgesetzt, in dem die Ziele der Eheschließung genau dargelegt waren und der in Anwesenheit vieler illustrer Persönlichkeiten von Philipp und dem Kaiser unterzeichnet worden war. Die habsburgischen und spanischen politischen Interessen kamen hier klar zutage, und nicht nur die Eingeweihten wußten, daß die Politik der beiden Großmächte eindeutig gegen Frankreich gerichtet war. Der Erzfeind sollte durch diese Einkreisungstaktik endgültig in die Knie gezwungen werden. Daß der junge Philipp dem französischen König gar nicht so schlecht gesonnen war, erkannte der Kaiser zwar mit großem Widerwillen, er hoffte aber, daß sein Sohn allmählich seine Meinung ändern würde.

      Nachdem die ersten Formalitäten vorüber waren und Maximilian sich mit Isabella und Ferdinand verständigt hatte, sollte die kirchliche Eheschließung mit großem Pomp und Prunk in Flandern stattfinden. Von Tag zu Tag wurde Juana aufgeregter, als die Abreise näherrückte. Am meisten fürchtete sie sich vor dem Abschied von ihrem Vater. Obwohl Ferdinand sich nie besonders um seine jüngste Tochter gekümmert hatte, hatte diese doch im Laufe der Jahre eine innige Liebe zu ihm entwickelt, während sie die Mutter eher wie eine Außenstehende betrachtete. Die beiden Frauen hatten einander wenig zu sagen, und so sehr sich Isabella immer wieder um die Tochter bemühte, sie stieß nur auf kühle Ablehnung.

      Tag