GRAHAMS HOFFNUNG (Survivor 2). A.R. Shaw

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Название GRAHAMS HOFFNUNG (Survivor 2)
Автор произведения A.R. Shaw
Жанр Языкознание
Серия Survivor
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958354333



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ja, sie könnte durchaus auch den einen oder anderen Hintergedanken haben«, äußerte Tala ihren lange gehegten Verdacht.

      »Dazu kommt es auf gar keinen Fall.« Graham fuhr sich mit einer müden Hand durch sein bärtiges Gesicht. »Wenn ihr schon gehen müsst, dann sorge dafür, dass die beiden Turteltäubchen immer schön beschäftigt sind.« Er seufzte. »Ich weiß nicht, wie lange wir Marcy und Mark noch voneinander fernhalten können. Und ich muss mich jetzt auf meine alten Tage auf einmal mit zwei Töchtern im Teenageralter herumschlagen. Sie machen mich wahnsinnig.«

      Tala sah ihn kurz böse an und warf dann Sam einen entschuldigenden Blick zu, während sie sich gegen die Küchentheke lehnte.

      Graham verstand sofort. »Es tut mir leid, Sam. Du darfst mir einen ordentlichen Tritt in den Hintern verpassen.«

      Sam hob die Hände, wie um die Entschuldigung körperlich abzuwehren. Ja, der Schmerz, von seiner Tochter getrennt zu sein, war nach wie vor heftig, aber Mitgefühl half kein Stück.

      »Graham, für den Moment habe ich die Lage akzeptiert, so wie sie jetzt ist. Es geht ihr gut und ich kann sie nach wie vor sehen und mit ihr sprechen. Ich kann nicht bei ihr sein, aber sie ist gesund und gut aufgehoben im Lager der Prepper. Von ihr getrennt zu sein ist die Hölle, aber Clarisse sagt, dass sie weiter nach einem Heilmittel sucht, um das Virus zu bekämpfen. Ich kann nur hoffen, dass sie eines Tages etwas findet, das uns alle heilt. In der Zwischenzeit stecke ich eben bei euch fest. Nehmt es mir nicht übel.« Sams Worten zum Trotz wusste Graham, dass er immer noch einigen Groll gegen sie als Träger des Virus hegte. Zu groß war das Opfer gewesen, das er auf sich genommen hatte, und unterschwellig belastete es auch die Beziehungen zwischen ihnen und den Preppern.

      Tala lächelte. »Wir nehmen dir gar nichts übel, wir freuen uns, dass du bei uns bist. Wir wünschten nur, die Umstände wären andere.« Grahams zustimmendes Nicken schien Sam so aufrichtig zu sein wie sein zerknirschter Gesichtsausdruck, der besagte, dass es ihm leidtat, etwas Unüberlegtes gesagt zu haben.

      Sam entfuhr ein schnaufender Atemzug, der ein Schluchzen hätte verdecken können. Er war sich selbst nicht sicher, in welche Richtung sich seine Gefühle entwickeln würden. »Ich auch. Obwohl es schon einige Zeit her ist, ist der Schmerz immer noch so stark wie an dem Tag, an dem ich sie bei den Preppern zurücklassen musste. Ich fühle mich wie ein Elternteil nach der Scheidung und Dalton hat das Sorgerecht für sie. Ich liebe den Kerl, aber ich hasse ihn auch. Ergibt das irgendeinen Sinn?«

      »Es ergibt sogar sehr viel Sinn«, versicherte Tala ihm.

      Obwohl Graham und Tala ihn immer wieder ermutigten, über alles zu reden, blieb Sam meistens still. Als er zu ihnen gekommen war, war er zu tief in seiner Trauer versunken gewesen, um auch nur ein einziges Wort laut zu äußern, aus Angst, er würde mehr aus sich herauslassen, als er bewältigen konnte. Statt seinem Schmerz herzerbarmend freien Lauf zu lassen, behielt er ihn lieber für sich. In der Anfangszeit war er stets früh am Morgen verschwunden, um die Wälder zu durchstreifen. Niemand hatte ihn gefragt, was er mit seiner Zeit anstellte. Er hatte mitbekommen, wie einige der Kinder Fragen stellten, und als Graham ihnen gesagt hatte, sie sollten ihm etwas Zeit geben, um seinen Verlust verarbeiten zu können, wusste er, dass der andere ihn verstand. Der Schmerz, den Sam ertragen musste, war grenzenlos und höllisch. Einmal – nur einmal – hatte Graham ihn laut dafür bewundert, dass er seine Wut nicht an ihm und seiner kleinen Gruppe von Trägern ausließ. Sam war klar, dass Graham sich selbst schuldig fühlte und nichts mehr wünschte, als etwas gegen die Situation tun zu können.

      Manchmal überwältigte Sam der Kummer beinahe, aber draußen zwischen den stoischen Bäumen, den trostlosen Bergen und dem endlosen Schnee hatte er endlich gelernt, zu akzeptieren, was er nicht ändern konnte.

      Jetzt, wo er das Virus in sich trug, war ihm keine andere Wahl geblieben, als sich Grahams Gruppe anzuschließen. Wenigstens konnte er noch mit seiner Tochter Addy über das Funkgerät sprechen, und alle paar Tage brachte Dalton sie zum vereinbarten Treffpunkt am Skagit River, wo Sam sie aus sicherer Entfernung über den Fluss hinweg auf der anderen Seite sehen konnte. Irgendwie hatte sich eine Art Normalität eingestellt oder zumindest ein möglicher Umgang angesichts ihrer unmöglichen Situation.

      Einige Zeit war ins Land gegangen, bevor Sam sich auf seine neue Lage eingestellt hatte. Jeden Tag zum Abendessen hatten sie seinen Platz eingedeckt, ob er in der Blockhütte war oder nicht. Spätabends war er immer wieder zurückgekehrt und hatte zumindest in der Hütte geschlafen. Allmählich hatte er immer mehr Zeit mit ihnen verbracht und an ihrem Alltag teilgenommen. Und inzwischen war er Teil ihrer Familie.

      »Ich habe gehört, dass Addy in letzter Zeit viel Zeit mit Clarisse verbringt«, sagte Tala. »Wir sprechen mindestens einmal in der Woche über Funk. Sie genießt es, Addy im Labor um sich zu haben, wo sie ihr beigebracht hat, wie man verschiedene Substanzen und Gewebe im Mikroskop erkennt. Sie hat sogar einen Laborkittel gefunden, der ihr passt.«

      Ein stolzes Lächeln breitete sich auf Sams Gesicht aus. »Dalton hat mir erzählt, dass Addy ihre Zeit lieber mit Clarisse im Labor verbringt als mit den anderen Kids in der Schule. Er hat gesagt, dass du ihr ein paar Tipps gegeben hast, wie sie Addy in höherer Mathematik unterrichten kann?«, fragte Sam.

      »So ist es. Ich denke, das ist das Beste, was ihr im Moment passieren kann. Sie ist sehr schüchtern, nach dem, was ich gehört habe. Wenn sie mit den anderen Kindern in der Schule unterrichtet würde, käme sie nicht so schnell voran wie bei Clarisse. Clarisse ist ohnehin eher der Typ Einzelgänger. Es passt also für beide wunderbar.«

      »Dalton sagt, dass sich Clarisse immer noch Vorwürfe macht«, sagte Graham. »Sie verlässt die Quarantänestation nur selten und schickt abends die Wache zurück ins Lager. Dann verbringt sie die Nacht allein in ihrem Labor.«

      »Was passiert ist, war nicht ihre Schuld. Es war niemandes Schuld. Was passiert ist, ist passiert. Ich bin jetzt ein Träger. Zumindest lebe ich noch«, sagte Sam mit einem Ausdruck, der nach einstudierter Schicksalsergebenheit klang. Dann versuchte er, das Thema zu wechseln. »Also, wir machen das jetzt mit der dreitägigen Jagd? Ich nehme morgen die zwei Turteltäubchen mit?«

      »Ja klar, zumindest kommt Marcy für ein paar Tage aus ihrem Trott heraus und kann hier nicht so viel Unfug anstellen. Sie wirkt immer genervter, und sie ist bewaffnet. Das macht mir Sorgen, Mann«, sagte Graham grinsend.

      »Gut, ich lasse sie ihre Ausrüstung zusammenstellen«, sagte Sam und erhob sich vom Tisch.

      »Und ich mache euch ein paar Essenspakete fertig«, sagte Tala.

      Jeden Morgen in diesem trostlosen Leben nach dem Tod standen sie auf und gingen gemeinsam die nie enden wollenden Aufgaben des Tages an, jeder einzelne wie ein Rädchen in einem Getriebe. Sobald ein Rädchen nicht richtig rund lief oder quietschte, nutzten sich die anderen umso schneller ab, und das wiederum barg Gefahren für die ganze Gruppe.

      Kapitel 2

       Alltag

      Graham legte etwas Feuerholz nach, um die anhaltende Kälte zu vertreiben. Danach sah er ein weiteres Mal nach Ennis und fand ihn aufrecht sitzend und an sein Kopfkissen gelehnt. Er schnitzte an einem dünnen Holzstab, aus dem vielleicht einmal ein guter Pfeil werden mochte. Die Holzspäne fielen achtlos auf die Bettdecke. Ihm fiel auf, wie sehr Ennis am ganzen Körper bis zu den Händen zitterte. Graham hatte kein gutes Gefühl dabei, ihn mit einer scharfen Klinge am weichen Holz arbeiten zu sehen.

      »Ist dir kalt?«, fragte Graham, doch Ennis ignorierte die Frage. Er starrte weiter nach vorn und schlug blind Späne aus dem Holz. Graham legte seine Hand auf Ennis' Schulter, was ihm endlich seine Aufmerksamkeit einbrachte. Zuerst wirkte sein Blick, als sähe er nur einen Fremden, aber nach einem zweiten Blinzeln blitzte ein Funken Erkennen in seinen Augen auf. »Ist dir kalt?«, wiederholte Graham und versuchte, ruhig zu bleiben, um ihn nicht mit der scharfen Klinge in der Hand aufzuschrecken.

      Ennis hielt inne und ließ den Pfeil und das Messer auf seinen Schoß sinken, als ob er einen Moment brauchte, um festzustellen, ob er vor Kälte zitterte oder ob der beständige, brennende Schmerz