BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin. Robert W. Walker

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Название BLUT - Der Vampirkiller von Wisconsin
Автор произведения Robert W. Walker
Жанр Языкознание
Серия Die Fälle der Jessica Coran
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958353237



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muss hier noch einiges erledigen.«

      »Doktor, Ihr Wunsch ist mir Befehl. Das könnte für uns beide ein Durchbruch sein.«

      »Erst mal langt mir der Kaffee. Und vielleicht eine heiße Dusche danach. Und ein bisschen Verständnis von Gott.«

      »Für den Kaffee und die Dusche kann ich sorgen, aber Letzteres? Da musst du dir selbst helfen, Mädchen.«

      Sie sah ihm nach, wie er davonging. Dann wandte sie sich wieder dem Leichnam zu. Sie konzentrierte sich auf das Weiße in den Augen des Mädchens, da sie in ihren Höhlen nach oben gerollt waren. Eine natürliche Reaktion bei Todesangst. Das Weiße ihrer Augäpfel war mit fast unsichtbaren, winzigen kleinen roten Punkten gesprenkelt, die man bei guter Beleuchtung und Vergrößerung viel besser hätte sehen können, aber Jessica hatte schon früher die untrüglichen Anzeichen einer Strangulation bemerkt, und das passte ebenfalls ins Bild. Alles deutete auf den Hals als die Öffnung hin, durch die der Killer sein Opfer hatte ausbluten lassen. Unter dem kosmetischen Schlitz im Hals, den der Irre verursacht hatte, gab es noch weitere Anzeichen für die tatsächliche Todesursache, da war sie sich sicher. Aber wie hätte sie das hier und jetzt unter diesen Bedingungen feststellen können? Das war unmöglich.

      Wo blieb der verdammte Kaffee?

      Jessica Coran schreckte zusammen. Eines der Augen der Toten hatte gezuckt und seine normale Position wieder eingenommen, die Pupille war auf sie gerichtet. Das tote Mädchen hatte wunderschöne, tiefblaue Augen gehabt.

      Kapitel 2

      »Mal angenommen, du hast recht«, hatte Chief Inspector Leamy, Ottos Boss, am Tag vorher gesagt, »und es gibt einen Serienkiller, der sich mit literweise Blut seiner Opfer davonmacht, Otto, was zur Hölle, denkst du, macht der Kerl damit?«

      »Er könnte es für alles Mögliche verwenden. Bei früheren Fällen wurde es für Zeremonien, Rituale, satanische …«

      »Du glaubst doch nicht, dass das hier was mit irgendeinem Kult zu tun hat, oder? Sondern dass es ein einzelner Verrückter ist, stimmt’s?«

      Leamy lehnte sich in dem gepolsterten Ledersessel nach vorn, wippte leicht und wartete auf Ottos Antwort.

      »Ich gebe mal einen fundierten Tipp ab: Er trinkt es. Aber was immer er damit macht, darin baden oder seine Wände damit streichen, der Bastard hat irgendein verkorkstes Verlangen danach und er will es frisch und direkt aus seinem Opfer abgepumpt.«

      »Woah, das ist aber eine steile These, Otto. Niemand in der forensischen Abteilung sieht das so wie du. Bei jedem denkbaren Szenario glauben die Leute vor Ort, dass die Leiche vom Tatort entfernt und das Opfer woanders abgeschlachtet wurde, was das fehlende Blut erklärt. Du stellst hier eine ziemlich gewagte Theorie in den Raum – und deswegen soll das Bureau eine groß angelegte Jagd nach diesem Kerl starten, möglicherweise auf Grundlage falscher Annahmen?«

      »Du bezahlst mich doch für meine Vorstellungskraft und Intelligenz. Bill, hab ich dich jemals enttäuscht?« Leamy zögerte. Er wollte etwas sagen, aber stattdessen kaute er nur auf der Lippe herum.

      »Sag schon, hab ich?«

      Leamy lehnte sich noch weiter über den Schreibtisch und sah Otto kalt an. »Du weißt genauso gut wie ich, Otto, dass nur einer ordentlich Mist bauen muss, und die da oben werden für uns beide ein neues Plätzchen finden, wo wir unsere Dienstzeit runterreißen können. Erinnerst du dich noch an Colin Armory? Weißt du noch, wo der geendet ist?«

      Otto hasste diese Seite an Bill Leamy: Der Mann hatte hart gearbeitet, um dahin zu kommen, wo er jetzt war, und er wollte kein Risiko eingehen. Was er gerade gesagt hatte, war die nackte Wahrheit. Aufgrund der Rezession hatte es radikale Budgetkürzungen gegeben – wenn Otto jede Menge Leute und ein kleines Vermögen für eine Ermittlung wollte, dann sollte die besser ein paar Resultate erzielen, oder Boutine bekam einen Tritt in den Arsch – und nicht Leamy.

      Leamy fragte Boutine unvermittelt nach seiner Frau – eine höfliche Floskel, die der Mann in letzter Zeit ein wenig zu oft gebraucht hatte – und die Unterhaltung wurde oberflächlich und unergiebig. Boutines Frau lag im Krankenhaus im Koma. Die Folge eines Aneurysmas.

      Otto war mittlerweile überzeugt, dass diverse Fälle, zwischen denen bisher keine Verbindung hergestellt worden war, doch etwas miteinander zu tun hatten. Dass der Killer eine Vorliebe für Blut hatte und dass es die seltene Sorte Killer war, der Folter der Stufe neun brauchte, nämlich Blut abzuzapfen und zu trinken, um sich seinen Kick zu holen.

      Heute Abend war das erste Mal gewesen, dass er in letzter Zeit ein Folt 9 aus erster Hand gesehen hatte. Als Neuling im ersten Jahr, damals im Einsatz in Kalifornien, hatte er einmal die Hinterlassenschaften eines anderen Blutsaugers gesehen. Und jetzt wusste er tief im Innersten, mit jeder Faser seines Körpers, dass der Tatort, den er sich heute angesehen hatte, sehr viel Gemeinsamkeiten mit diesem furchtbaren Fall in Kalifornien aufwies. Der Killer hätte fast James P. Childers’ Schüler sein können, doch der Schweinehund war 1997 in der Gaskammer gestorben, wofür nicht zuletzt Boutine verantwortlich gewesen war. Childers hatte allerdings so deutliche und offensichtliche Spuren hinterlassen, dass es einem fast vorkam, als wollte er gestoppt werden. Das schien bei diesem neuen Psychopathen hier nicht der Fall zu sein.

      Und der Kerl lieferte das volle Folterprogramm, da konnte man fast überall auf den FBI-Checklisten ein Häkchen machen: Folter Stufe eins und zwei beinhaltet Verstümmelung der Sexualorgane; Zerstückelung ist Folter Stufe drei bis fünf. Die einzigen Grausamkeiten, an denen er nicht interessiert schien, waren Folter Stufe sechs bis acht: Ausweiden und Kannibalismus. Aber es gab keinen Zweifel, der Mistkerl genoss es, seinen Opfern das Blut abzuzapfen, langsam und mit extremer Sorgfalt, damit nicht ein Milliliter unnötig verschwendet wurde. Boutine konnte natürlich danebenliegen. Das Blut konnte aus anderem Grund abgezapft worden sein, und der Killer hatte es vielleicht doch nicht wie einen Softdrink gierig hinuntergeschluckt, aber sein Gefühl sagte ihm etwas anderes.

      Otto war sich sicher: Jessicas Ermittlungsergebnisse würden nicht nur seiner Theorie Glaubwürdigkeit verleihen, sondern genau wie er würde auch sie bald ihren hart verdienten Ruf aufs Spiel setzen. Auch wenn sie relativ jung und noch nicht lange bei der Abteilung war, hatte sich Dr. Coran schon den Ruf erworben, besonders gründlich zu sein und ohne Rücksicht auf Verluste zu ihren Überzeugungen zu stehen. Sie hatte nichts mit dem Mann gemein, den man für die Position übergangen hatte, die sie nun bekleidete. Dr. Zachary Raynack hätte niemals gesehen, was für Otto die offensichtlichen Anzeichen eines Folt-9-Killers waren.

      »Nenn es eine Ahnung«, hatte Otto schließlich am Tag davor zu Leamy gesagt.

      Leamy war aufgestanden, nie ein gutes Zeichen. »Man verwettet nicht sein Haus aufgrund einer Ahnung, Otto. Gerade du solltest das wissen. Bist du sicher, dass diese Sache mit deiner Frau …«, Leamy zögerte, »… nicht dein Urteilsvermögen beeinträchtigt, was Dinge angeht, die …«

      »Da musst du dir keine Sorgen machen, Bill. Wirklich nicht!« Otto hoffte, seine feste Stimme, die ein wenig wütend klang, würde Leamy überzeugen, was ihn anging. Es war offensichtlich, dass Leamys geschwätziger Golfpartner, Dr. Raynack, ihm schon einen Floh ins Ohr gesetzt hatte.

      Otto versuchte, nicht mehr darüber nachzudenken, dass sich Leamy und Quantico seinetwegen Sorgen machten. Er konzentrierte sich stattdessen auf Jessica Coran, deren orchestrierte Sammlung von Beweisen für die lokalen Gesetzeshüter wie Science Fiction wirken musste. Ihre Instrumente und ihr Vorgehen entsprachen dem neuesten Stand der Wissenschaft, und sie hatte das Ruder in die Hand genommen, genau wie erwartet. Sie hatte die bulligen Polizisten bereits auf Händen und Knien, damit sie das Linoleum unter dem Waschbecken in der Ecke und die Bodendielen unter dem Kopf des Opfers herausrissen. Auch wenn nirgends eine Spur von Blut zu sehen war, wusste sie, dass zumindest Spuren davon unter einem Elektronenmikroskop immer noch zu sehen sein würden, selbst nachdem sie gründlich weggewaschen und weggeschrubbt worden waren. Wenn der Killer sich auch nur ritzen würde, während er die Leiche zerhackte, dann würde sie Spuren seines Blutes in der Spüle, auf den Fliesen oder den Bodenbrettern finden, glaubte Otto. Er hatte gerüchtehalber gehört, dass sie liebevoll die »Leichenfledderin«