Leander und die Stille der Koje. Thomas Breuer

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Название Leander und die Stille der Koje
Автор произведения Thomas Breuer
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839264584



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bringen: »Und dann der Matsch! Guckt euch doch an, wie die da festsitzen!«

      Tatsächlich kamen die brüllenden Biester jetzt keinen Zentimeter mehr voran und befanden sich zu allem Überfluss unter einer Wolke kreischender Seevögel.

      »Und was sagen Sie zu der Sache, Herr Wiese?«, wechselte Vedder den Gesprächspartner, während Polizeimeister Groth sich auf das Gatter lehnte und mit gerunzelter Stirn und kopfschüttelnd die ausweglose Situation da draußen in der Fläche begutachtete.

      »Quatsch!«, donnerte Günter Wiese. »Bullshit! Das ist doch der totale Blödsinn. Der Frerich hat seinen Bullen gezielt auf meine Fläche getrieben, damit der die Vögel aufscheucht. Und den Köter hat er zu demselben Zweck hinterhergejagt. Das macht der doch ständig, weil er weiß, dass er mein Projekt damit zunichte macht.«

      »Projekt …!«, kommentierte Frerich abschätzig.

      »Ja, Hein«, ergriff Obermeister Vedder Partei gegen ihn, »das musst du zugeben, dass dein Bulle ziemlich oft ausbüchst. Und immer auf diese Weide!«

      »Hat eben einen ausgeprägten Freiheitsdrang, der Zorro«, meinte Frerich achselzuckend.

      »Gehabt!«, brüllte Günter Wiese. »Ich lasse mich nicht mehr länger verarschen!«

      »Was soll das heißen?«, donnerte Frerich zurück und reckte seinem Kontrahenten die geballte Faust entgegen.

      »Ganz einfach, Frerich: Beim letzten Mal hat dir das Ordnungsamt angedroht, deinen Bullen abschießen zu lassen, wenn er noch einmal auf meine geschützte Fläche eindringt und nachhaltigen Schaden anrichtet. Und genau das werden wir jetzt machen. Wachtmeister, schießen Sie das Vieh ab!«

      Während sich die beiden Polizisten noch erschrocken anblickten, hob Hein Frerich wütend beide Fäuste gegen Günter Wiese und sah aus, als würde er sich jeden Moment auf ihn stürzen. »Du spinnst ja wohl, du Ökokasper! Meinen teuren Zuchtbullen abschießen?! Für deine vermilbten Möwen?!«

      »Nun mal langsam«, schob sich Jörn Vedder vorsorglich zwischen die Kontrahenten. »Soll das heißen, es gibt eine amtliche Androhung, Hein?«

      »Nun ja … nein … so kann man das nicht sagen …«

      »Genauso ist das«, bestätigte Günter Wiese stattdessen. »Und die besagt, dass der Bulle jetzt abgeschossen wird. Und den Köter erledigen Sie gleich mit!«

      »Momentchen, das lässt sich ja klären«, meinte Polizeimeister Dennis Groth und schlenderte zu seinem Dienstfahrzeug.

      Hein Frerich ging nun dazu über, unruhig von einem Bein aufs andere zu wechseln, während er, Wiese und Jörn Vedder gespannt beobachteten, wie Groth zum Funkgerät griff. Der Beamte wechselte ein paar Worte mit der Gegenstelle, steckte dann achselzuckend das Mikrophon weg und kam wieder auf sie zu.

      »Herr Wiese hat recht. Wenn der Bulle nicht ohne größeren Aufwand aus der Fläche zu entfernen ist – und das heißt: ohne Einsatz eines Treckers – dann muss er abgeschossen werden. Die renaturierte Fläche steht unter besonderem Schutz. Jede Störung der Ruhezone ist zu vermeiden.«

      »Also, Hein«, wandte sich Jörn Vedder an den Landwirt, »du hast es gehört. Kannst du deinen Bullen da rausholen?«

      »Wie denn?«, heulte Frerich jetzt auf. »Das ist doch der reinste Sumpf. Da reinzugehen, ist Selbstmord. Da komme ich ja selber nicht mehr raus, wenn ich das versuche.«

      »Dann wirst du eben auch abgeschossen«, triumphierte Günter Wiese. »Was ist jetzt, ihr Freunde und Helfer, schießt ihr jetzt oder nicht?«

      Polizeiobermeister Jörn Vedder nahm seine Dienstmütze ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn, der sich seit einigen Minuten unaufhaltsam bildete. »Meinen Sie nicht, Herr Wiese, Sie könnten vielleicht doch mit einem Trecker …?«, versuchte er ein letztes Mal, die Lage zu entspannen.

      »Unmöglich«, lehnte Wiese ab.

      Vedder zog resignierend die Schultern hoch, ging nun seinerseits zu seinem Dienstfahrzeug und griff nach dem Funkgerät, um kurz darauf wieder zurückzukommen.

      »Ich habe die Jäger gerufen«, erklärte er. »Rickmers und Paulsen kommen persönlich. Sie sind schon auf dem Weg.«

      »Ihr seid doch wohl total bekloppt«, schimpfte Hein Frerich. »Das könnt ihr doch nicht machen.« Verzweifelt schaute er die beiden Polizeibeamten an, die nur hilflos die Schultern hochzogen und wieder sinken ließen. In einem letzten verzweifelten Aufbegehren kletterte Frerich über das Gatter, lief mit wild fuchtelnden Armen auf seine beiden Tiere zu und rief: »Zorro! Killer! Kommt hierher!«

      Aber die Tiere hätten selbst dann nicht auf ihn hören können, wenn sie es gewollt hätten, denn sie steckten inzwischen bis zu ihren Bäuchen im Matsch. Auch Frerich musste kurz darauf aufgeben und mühsam auf einem Bein stehend seinen rechten Stiefel, der in vollem Lauf glatt stecken geblieben war, aus dem Morast ziehen. Fluchend kehrte er zu den drei Männern zurück, die ihn lachend hinter dem Gatter empfingen.

      Zerknirscht trollte er sich einige Meter zur Seite und beobachtete die beiden Polizisten und Günter Wiese, wie sie schweigend auf dem Gatter lehnten und auf die Ankunft der Jäger warteten. Nach einer knappen Viertelstunde näherte sich langsam ein Geländewagen und kam hinter dem Streifenwagen zum Stehen. Zwei Männer in jagdgrüner Kleidung stiegen aus, holten ihre Gewehre vom Rücksitz und legten sie sich aufgeklappt über ihre linken Unterarme, um so gerüstet auf die Wartenden zuzugehen. Es handelte sich um Nahmen Rickmers, den Ersten Vorsitzenden der Föhrer Jägerschaft, und seinen Stellvertreter Ole Paulsen. Die beiden nickten den Anwesenden zu und ließen sich von Polizeiobermeister Vedder ins Bild setzen, während sie den demonstrativ gelassenen Günter Wiese hasserfüllt beobachteten.

      »Hein«, knurrte Nahmen Rickmers dann und winkte den Landwirt zu sich, um ungehört von den anderen etwas abseits mit ihm reden zu können. »Was soll der Scheiß? Du weißt doch, was du da riskierst.«

      »Der Wiese glaubt, er kann sich alles rausnehmen«, erklärte Frerich kleinlaut. »Ich wollte ihm einen Denkzettel verpassen.«

      »Tja, dumm gelaufen. Kannst du den Bullen da rausholen oder nicht?«

      Frerich schüttelte resignierend den Kopf und erklärte: »Ohne Traktor nicht. Aber den darf ich ja nicht einsetzen.«

      »Scheiße, Hein. Du weißt, wie mir das stinkt, aber da kann ich leider nichts machen.«

      Rickmers ging zurück ans Gatter, lud sein Gewehr mit Patronen, die er aus der Jackentasche zog, und ließ es zuschnacken. Dann legte er langsam und ruhig auf den Bullen an.

      »Nein!«, schrie Hein Frerich. »Das wagst du nicht! Du gehörst doch zu uns!«

      Rickmers legte den rechten Zeigefinger auf den Abzug und zog ihn langsam durch. Der Knall war ohrenbetäubend und das Ergebnis durchschlagend. Der Bulle steckte zu tief im Matsch, um umzufallen, aber er ließ den Kopf sinken und war offensichtlich auf der Stelle tot. Killer aber schien durch den Schuss seine Lebensgeister zurückgewonnen zu haben. Er warf sich mit aller Kraft zurück, befreite sich mühsam aus dem Morast und schlich mit eingeklemmtem Schwanz auf das Gatter zu. Als er festen Boden gewonnen hatte, schüttelte er sich kräftig und zottelte dann mit gesenktem Kopf an seinem Herrchen vorbei und auf den eigenen Bauernhof auf der anderen Straßenseite zu. So sah ein Verlierer aus!

      »Rickmers!«, sagte Hein Frerich leise, aber so, dass nicht nur der Adressat ihn gut verstehen konnte. »Das wirst du mir büßen!«

      Dann trollte er sich ebenso wie Killer in Richtung seines Hofes.

      »Ich schicke dir die Rechnung für die Bergung des Bullen«, rief Günter Wiese dem Landwirt noch nach, bevor der hinter seiner Scheune verschwunden war.

      Nahmen Rickmers nickte den Polizeibeamten zu, Wiese ignorierte er, und ging zusammen mit Ole Paulsen zurück zu seinem Wagen.

      »Verdammt, Nahmen«, schimpfte Paulsen. »Wenn du nicht bald dafür sorgst, dass dieser Wiese mit seinem Verein eins auf den Deckel kriegt, dann bist du die längste Zeit unser Vorsitzender gewesen. Glaubst du, die Kollegen