Название | Die Giftmischerin |
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Автор произведения | Bettina Szrama |
Жанр | Исторические детективы |
Серия | |
Издательство | Исторические детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783839230183 |
»Welches Kleid, meinst du, wird mir zu Gesicht stehen? Das rote oder das blaue? Oder soll mir der Vater ein ganz neues aus glänzender weißer Seide nähen?«, plapperte sie, und Margarethe konnte sich nicht sattsehen an der zarten, grazilen Schönheit der Tochter, die über ein neues Kleid wie närrisch lachen konnte. Um sie glücklich zu sehen, wetteiferte sie mit Miltenberg, und so las sie ihr gern jeden Wunsch von den Augen ab. »Ich werde Vater beauftragen, dass er dir ein Kleid näht, um welches dich alle Offiziersdamen beneiden werden. Und ich schwöre dir, Madame Miltenberg, unser geliebtes Kind, wird in diesem Jahr die Schönste auf dem Fest sein.«
Krampfhaft bohrten sich Gesches Fingernägel in das weiche Holz, bis die schmalen Knöchel vor Anstrengung weiß anliefen. Der kleine Mahagonitisch vor dem großen Spiegel hatte sie in ihrer Hilflosigkeit aufgefangen. Seit Minuten lehnte sie nun schon so mit geschlossenen Lidern, die Stirn gegen das kalte Glas gepresst. Nur langsam wollte das Gefühl der Ohnmacht von ihr weichen und ließ sie wieder klarer sehen und denken. Es war nicht das erste Mal, dass es ihr unwohl wurde und ihr Leib sich krampfartig zusammenzog. Hatte sie anfänglich versucht, sich einzureden, der Walzer und der reichlich geflossene Rotwein seien schuld an dem Übel, spürte sie nun mit dem feinen Instinkt des Weibes, dass sie von ihrem Gatten schwanger ging. Die Erkenntnis war niederschmetternd für sie. So niederschmetternd, dass sich ihr hübsches Gesicht zu einer hässlichen Grimasse verzog. Allein im Foyer, überkam sie plötzlich beißende Ironie. Sie neigte den Oberkörper nach hinten, um den Bauch zu betonen, und sagte bissig zu ihrem Spiegelbild: »Nun, fühlst du dich so glücklich, Madame? Dick und hässlich. Niemand wird dich mehr beachten. Einsamkeit und geistige Leere werden dein künftiges Leben bestimmen.« Oh, wie sie sich vor diesem Leben fürchtete, wie sehr sie sich vor den Schmerzen einer Geburt ängstigte und wie sehr sie dieses ungeborene Kind in ihrem Bauch bereits jetzt dafür hasste.
Lautes Gekicher im Hintergrund ließ sie erschrocken zusammenfahren, und die Angst, dass ihr Geheimnis entdeckt worden war, trieb ihr schamhaft die Röte in die Wangen. Rasch legte sie ein Lächeln auf und zupfte verwirrt ein paar verirrte Löckchen aus der Stirn. Gleichzeitig strafften sich ihre Schultern. Sie hatte Miltenberg im Spiegel entdeckt, mit verschwitzter Brust, im offenen Hemd und mit zwei liederlichen Frauenzimmern. Die jungen Frauen kannte sie nicht. Sie gehörten zu jenen bunten, schillernden Offizierstöchtern, die wenig von Ehrbarkeit und Sitte hielten. Miltenberg in ihrer Mitte schien reichlich vom Wein genossen zu haben. Das blonde Haar klebte ihm wirr in wilden Locken am Kopf. Den Frack hatte er irgendwo abgelegt und das gebundene Tuch am Hals gelöst. Rote Schminke zierte die helle Seide. Obwohl alle drei unbeholfen über das Parkett schwankten, hielt er die Frauen fest in seinen Armen. Die drei schienen bester Laune zu sein. Die Weiber lachten und kreischten, als Miltenberg Gesche vor dem Spiegel bemerkte. Gleich darauf kniff er die Weibsbilder mit den Fingern in das Hinterteil und scheuchte sie wie Hühner davon.
»Oh, mon aimant! Madame, blumengleich und kaum zu unterscheiden von einer Tulpe oder einem Maiglöckchen. Eure Schultern sind so rund, die Brüste voll, und da ist eine Taille, die sich mit den Händen umspannen lässt. Welch göttliche Schönheit!«, rief er erstaunt. Provozierte sie mit einem ihm eigenen Zynismus und schmeichelte ihr. Aber er meinte es stets ehrlich, wenn er so zu ihr sprach, und hatte auch in diesem Moment das Empfinden, der schönsten Frau, die ihm je begegnet war, gegenüberzustehen.
»Lass mich dich meinen Kameraden vorstellen, meine Liebe. Besonders meinem besten Freund darf ich ein solches Kleinod nicht vorenthalten«, bat er sie.
Die schillernden, immer noch kichernden Damen interessierten ihn jetzt nicht mehr. Er wedelte mit den Händen, und sie hörte, wie er den davon schwirrenden Paradiesvögeln ein leises »Scht … scht …!« nachschickte. Dann trat er hinter sie. Sie sah ihn im Spiegel, lässig, mit einem Blick voller Sinnlichkeit und Ironie. Eine seltsame Mischung Mann aus verworfener Weichheit, Eitelkeit und sinnlichem Begehren. »Bleibst du nach dem Fest bei mir?«, fragte sie leise, obwohl sie längst wusste, dass ihre Frage unbeantwortet bleiben würde.
»Aber Madame, wir haben Verpflichtungen«, lächelte er ausweichend und legte ihr sanft die langen, schmalen Finger um den Hals. Gesche spürte ein feines, betörendes Kribbeln auf ihrer Haut und schloss für einen Moment die Augen. Als sie die Lider vorsichtig öffnete, zierte eine goldene Kette mit funkelnden blutroten Steinen ihr Dekolleté.
»Ein Geschenk für dich, meine Liebe, als Ausdruck meiner Bewunderung.« Die roten Smaragde, eine wunderschöne Filigranarbeit, ein Meisterwerk, verwandelten ihren weißen Hals in den einer Königin. Augenblicklich hatte sie die Ängste um die Schwangerschaft vergessen. Die blauen Augen bekamen ihren Glanz zurück, und sie betrachtete entzückt das Geschmeide.
»Oh, wie wunderschön, Gerhard«, hauchte sie, »die Steine passen so gut zu dem roten Spitzenkleid.« Sie schickte einen triumphierenden Blick zu den beiden Damen, die sich nun, eifrig kokettierend, mit zwei Offizieren trösteten.
Gnädig reichte sie Miltenberg die Fingerspitzen ihrer kleinen Hand. »Du hast mich schon viel zu lange warten lassen, Gerhard«, schmollte sie. »Nun stell mich rasch deinem neuen Freund vor. Ich bin nur allzu begierig darauf, ihn kennenzulernen.«
Die Klänge zu einer Passacaille, einem spanischen Volkstanz, setzten ein, und die ersten Paare drehten sich in schnellen Menuettschritten, als Gerhard mit Gesche an der Seite in den Saal trat. Gesche suchte mit den Augen nach den Eltern und fand sie an einem der überfüllten Tische längsseits der Tanzfläche. Der Vater und die Gesellen lärmten und prosteten sich gegenseitig zu. Wie die anderen rauchten sie Zigarren und diskutierten, wie es zurzeit üblich war, über den neuen Kaiser, während die Mutter zwischen den älteren Damen der Schneiderzunft steif nach der Tochter Ausschau hielt. Gesche erwiderte den Blick der Mutter, in Gedanken nochmals bei den robengeschmückten Damen in den Gängen. Sie sah den Neid in ihren Blicken, den sie geschickt hinter wedelnden Fächern zu verbergen wussten, und auch die Bewunderung, die ihr ihre Ehemänner entgegenbrachten. Miltenberg aber zog sie eilig hinter sich her, hinauf zu einer Gruppe Kaufleute an der oberen Tanzfläche neben dem Orchester. Dorthin hatte sich eine auffällig gekleidete Gruppe zurückgezogen. An den eleganten, aber auch nachlässigen Anzügen der Herren erkannte Gesche die oberen wohlhabenden Bürger. Als sie an Miltenbergs Arm näher trat, brachte man ihr sogleich die Ehrerbietungen einer Dame ihres Standes entgegen. Wolfgang von Post küsste, erfreut über das Zusammentreffen, ihre Fingerspitzen und meinte laut, damit es alle hören sollten: »Ist Madame nicht ein wunderschönes Kleinod. Schön wie unsere Königin Luise. Aber mir scheint, sie ist momentan ebenso traurig. Liegt es etwa an Euch, Miltenberg?«
»Mein Freund, Ihre Anbetung für meine Ehefrau geht über das Maß hinaus«, drohte ihm Miltenberg lachend mit dem Finger. »Meine Gattin genießt ihr neues Glück mit mir! Ein solches Juwel ist eines Dichters wert und nicht mit der Königin zu vergleichen.«
»Monsieur von Post, ich bin kein Opfer wie unsere Königin«, gab Gesche geschmeichelt zurück. »Mein Gatte hat recht. Natürlich würde auch ich mit meinem hungernden Volk leiden. Aber ich würde mich nicht den Schmähungen und Kränkungen Napoleons aussetzen wie Luise, sondern den Kaiser zu Fuß bewegen, in Preußen Abbitte für die beklagenswerten Opfer in Auerstedt zu tun.«
Die witzige, geistreiche Antwort rief eine allgemeine Heiterkeit unter den Herren hervor, und augenblicklich wurde Gesche zum Mittelpunkt der Gesprächsrunde.
»Aber, dem Herrn sei Dank, sind wir nicht von derartigen politischen Ereignissen betroffen. Unsere Schöne hat vollkommen recht. Uns Bremer Bürgern ergeht es doch bisher nicht schlecht unter der Herrschaft des französischen Kaisers. Die Seefahrt steht in ihrer vollen Blüte genauso wie die Handelsverbindungen mit dem jungen Amerika. Wir pflegen unsere Beziehungen zu Paris, und unser Geistesleben erfährt derzeit eine Blüte wie noch nie.«
Der Mann, der diese Worte gesprochen hatte, beteiligte sich als Letzter an dem geistreichen Wortgeplänkel. Bisher im Hintergrund mit dem Gymnasialprofessor in ein angeregtes Gespräch vertieft, begab