Religion – Eine Zukunft für die Zukunft. Buchwald Anand

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Название Religion – Eine Zukunft für die Zukunft
Автор произведения Buchwald Anand
Жанр Эзотерика
Серия
Издательство Эзотерика
Год выпуска 0
isbn 9783867101967



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sondern auch die Möglichkeit, eine Religion ablegen und/oder eine andere Religion wählen zu können. Diese Möglichkeiten bietet eigentlich keine Religion, denn mit der Geburt ist man unweigerlich Mitglied der elterlichen Religion und kann diese auch nicht wirklich ablegen. Einzig beim Christentum und vielleicht der einen oder anderen kleineren Religion gibt es mit der Taufe eine eigene Aufnahmezeremonie, die dem Kind aber für gewöhnlich unmittelbar nach der Geburt angediehen oder auferlegt wird.

       Es gibt also in dieser Hinsicht keine wirkliche Religionsfreiheit. Man wird in eine Religion hineingeboren und verbleibt in dieser, auch wenn es formell meist die staatliche Möglichkeit gibt, eine Religion zu verlassen und religionslos zu sein. Das ist aber eine Formalität, die nur rechtlich bindend ist. In seltenen Fällen kann die Apostasie, also der Abfall vom Glauben, in Ländern mit einer islamischen Staatsreligion zur Todesstrafe führen, obwohl der Koran diese nicht vorsieht, und obwohl der Islam sogar eine Unterscheidung zwischen der Annahme der Religion und der Annahme des Glaubens kennt. Die meisten Religionen kennen aber Abläufe und Zeremonien für die Aufnahme eines neuen Gläubigen. Hierbei ist zu beobachten, dass Konvertiten häufig besonders eifrige Verfechter ihrer neuen Religion sind, was man bisweilen durchaus darauf zurückzuführen kann, dass man eine bewusste Entscheidung getroffen hat, oder dass sie gar zum Fundamentalismus neigen, was vielleicht Anzeichen von Unsicherheit sind oder das Gefühl, sich beweisen zu müssen.

       Dann gibt es in diesem Zusammenhang noch das Phänomen der Staatsreligion. Hier muss man zwischen zwei Formen unterscheiden, eine staatliche Bevorzugung einer Religion, ohne dabei die Religionsfreiheit einzuschränken, wie das bei einigen christlich geprägten Ländern der Fall ist, und eine enge Verknüpfung von Staat und Religion, wobei die Religion einen massiven Einfluss auf die Staatsführung und die Gesetzgebung hat, wie es in einigen islamischen Ländern der Fall ist. Hier begreift die Religion sich als einzige Grundlage des Menschseins und den Staat, die Welt und die gesamte Lebensführung als ihre ureigenste Domäne. Darum gibt es hier keine nennenswerte Religionsfreiheit, und Mitglieder anderer Religionen werden zwar in geringem Maße geduldet, haben aber oft nicht die gleichen Rechte.

       Man kann also feststellen, dass es nirgendwo auf der Erde eine wirkliche Religionsfreiheit gibt, denn die verwehende kommunistische Ideologie ist in ihrer Ablehnung der Religion ebenso gefangen wie die Menschen, die in eine Religion und eine religiöse Umgebung hineingeboren werden in dieser gefangen sind. Dadurch ist man immer in der einen oder anderen Richtung voreingenommen, und darum wird man auch nicht angehalten, sich mit der Religion an sich und den Inhalten und dem Charakter der einzelnen Religionen auseinanderzusetzen und eine individuell passende Religion anzunehmen, der Religion an sich gewogen zu sein oder sie abzulehnen und sich dem Atheismus oder der über die Religion hinausweisenden Spiritualität zuzuwenden. Freiheit bedeutet, das Wissen und die Möglichkeit der unvoreingenommenen und uneingeschränkten Wahl zu besitzen.

       Um diese Freiheit zu gewährleisten, sollten Kinder von Geburt an religionslos aufwachsen und ein humanistisches Wertesystem vermittelt bekommen, das ja mit den Grundwerten der meisten Religionen einigermaßen konform geht, wenn man mal von der unwürdigen Behandlung der Geschlechtsunterschiede bei vielen Religionen absieht. Außerdem sollten im Ethikunterricht der Atheismus und die einzelnen Religionen mit ihren Stärken und Schwächen ausführlich dargestellt werden, ebenso wie die im Bewusstseinsrad über sie hinausführende Spiritualität und die Bewusstseinsforschung. Dann erst kann der Mensch ab dem Zeitpunkt des Erwachsenwerdens eine einigermaßen informierte und/oder eine Entscheidung des Herzens treffen, die ihn in seiner Entwicklung voranbringen kann.

       Gegen eine solche Regelung würden die Religionen sicherlich Sturm laufen, weil sie das Potenzial hat, den bisweilen aufgeblähten Körper, der aus den Zellen ihrer Mitglieder besteht, schrumpfen zu lassen, aber objektiv betrachtet, wenn man den körperlichen Aspekt beiseite lässt und den zentralen Seelenaspekt hervorhebt, sollten sie diese eigentlich begrüßen, denn sie sorgt dafür, dass zwar die Quantität der jeweiligen Gemeinschaft der Gläubigen geringer wird, aber ihre Qualität, und durch diese Verschlankung auch ihre Ausstrahlungskraft, zunimmt, denn diese neuen Gläubigen haben sich freiwillig und aus eigenem Antrieb für das religiöse Leben entschieden und sind wahrscheinlich auch eher bereit, sich mit den Kernpunkten des Glaubens zu beschäftigen und ein aktives religiöses Leben zu führen und sich auf diese Weise auch gegenseitig beim Aufstieg zu neuen Höhen zu unterstützen. Das sollte für jede Religion, die sich nicht nur als Körper und Leben mit einem untergeordneten Geist und einer nicht präsenten Seele betrachtet, ein ausgesprochen wünschenswertes Resultat sein.

       Aber im Moment scheint der Fokus einer jeden Religion auf ihrer Körperlichkeit zu liegen, weshalb dies vielleicht noch lange ein frommer Wunsch bleiben könnte. Zu dieser Körperlichkeit gehören neben der alles zusammenhaltenden Haut der Religion auch das Skelett und die Zellen. Die Zellen, das ist klar, werden von ihren formellen Mitgliedern gebildet, wobei die Religion vor allem auf Masse setzt. Hier ist keine ausgewogene Gestalt wichtig, sondern eine möglichst umfangreiche, um im Verdrängungswettkampf und Einfluss die Nase vorn zu haben. Die Menschen näher zu Gott zu bringen, ist nicht wichtig für den Körper, nur der äußere Schein und der Selbsterhaltungstrieb eines jeden Organismus.

       Das Skelett, dass diesen Körper stützt und für zielgerichtete Bewegungen hilfreich ist, wird durch die Hierarchie bereitgestellt. Hierarchie bedeutet, dass jede Religion eine innere, hierarchisch geordnete Struktur besitzt, eine Stufenleiter, die bestimmt, wer was und wie viel zu sagen hat. Viele Religionen haben eine recht flache Hierarchie und/oder sind dezentral aufgestellt. Hier haben die unteren Ränge vergleichsweise viel Einfluss und eine größere Freiheit bei der Auslegung der Lehre, so dass man fast von Unorganisiertheit sprechen könnte. Trotzdem gibt es aufgrund der Erwartungen der Gemeinden, der vergleichbaren Ausgestaltung des Amtes, des gemeinsamen theologischen Körpers und eines nicht zu unterschätzenden Konformitätsdrucks keine allzu großen Abweichungen von der etablierten Norm, wenngleich es durchaus zu unterschiedlichen Auffassungen über bestimmte Themenbereiche kommen kann, etwa zu Fragen der Frauenrechte oder zum Umgang mit der Moderne. Hier kann im Laufe der Zeit durchaus ein Paradigmenwandel stattfinden. In solchen flachen Hierarchien, wie etwa im Islam, haben die Oberhäupter, falls es solche gibt, bisweilen nur einen moderaten oder moderierenden, aber bei genügend Charisma und Machtbewusstsein auch sehr dominierenden Einfluss.

       Ganz anders sieht es dagegen in der christlichen Religion aus. Bei ihr sticht vor allem der Katholizismus aus der Masse christlicher Konfessionen hervor. Er scheint unter allen Religionen und Konfessionen die umfangreichste und am stärksten ausgearbeitete Hierarchie aufzuweisen, an deren Spitze der Papst steht, dessen Macht in Glaubensfragen durch das 1. Vatikanische Konzil mit dem Dogma der Unfehlbarkeit, auf das er sich bei Grundsatzentscheidungen berufen kann, ausgebaut wurde. Interessanterweise wurde diese Unfehlbarkeit auf dem 2. Vatikanischen Konzil auch der Gesamtheit der Gläubigen zugestanden, was bedeutet, dass ein hinreichend großer Umschwung in der Auffassung und Interpretation strittiger Fragen bei einem Großteil der Glaubensgemeinschaft, sozusagen dem hierarchischen Fußvolk, durchaus zu einer Anpassung der Auffassung der oberen Ränge führen kann — zumindest in der Theorie.

       Allerdings ist eine solche Änderung nicht ganz einfach, da die oberen Ränge sich auf die Bibel und die etablierte und/oder von ihnen festgelegte Interpretation stützen können und diese Interpretation über sämtliche Hierarchiestufen hinweg der Glaubensgemeinschaft aufprägen, so dass sich diese für einen Wandel von der Auswirkung dieser Form der Erziehung erst emanzipieren muss, was in Glaubensfragen nicht immer einfach ist. Dass diese Bemühung darum nicht immer und/oder nicht dauerhaft erfolgreich ist, zeigt das Beispiel der Frage der Homosexualität, die durch die vergleichsweise neuzeitliche Bibelinterpretation ohne solide Grundlage gebrandmarkt und deren Ächtung durch die oberen Hierarchieränge zunehmend verschärft wurde, während sich im Zuge der Aufklärung, wissenschaftlicher Erkenntnisse und eines allgemeinen Bewusstseinswachstums bei den Gläubigen eine akzeptierende Haltung durchsetzt. Nichtsdestotrotz wird wohl noch geraume Zeit vergehen, bis die Unfehlbarkeit der Glaubensgemeinschaft in dieser Frage bei den Kirchenoberen angekommen ist.

       Denn ein Hauptproblem hierarchischer Strukturen ist ihre systemimmanente Unbeweglichkeit. In Hierarchien gibt es meist nur eine schwach ausgeprägte Diskussionskultur, weil die Auffassungen der obersten Hierarchiestufe wie Vorgaben die darunter liegenden Stufen beeinflussen. Es geht in einer Hierarchie nicht darum, eine eigene Meinung zu haben, sondern die Meinung der Spitze.