Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell

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Название Begegnungen mit Bismarck
Автор произведения Robert von Keudell
Жанр Историческая литература
Серия
Издательство Историческая литература
Год выпуска 0
isbn 9783806242683



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darauf in Kiel bei Gablenz und hatte eingehende Unterredungen mit ihm wie mit seinem Civilbegleiter, Baron Hofmann.

      Nach beider vertraulichen Mitteilungen hatte man in Wien die von Preußen für Erwerbung der Herzogtümer angebotene Geldabfindung definitiv abgelehnt. Man glaubte dort auch zu wissen, daß Preußen noch weitere Pläne habe und die volle Herrschaft in Deutschland auf Kosten Oesterreichs anstrebe. Die augustenburgische Gesinnung der Bevölkerung sei daher zu pflegen, damit man den Pfandbesitz an Holstein zu geeigneter Zeit verwerten und unter Umständen den Erbprinzen als Herzog einsetzen könne. Die Stimmung in Wien sei gereizter gegen Preußen als vor Gastein; man scheue einen Krieg nicht mehr, da es sich um Behauptung der deutschen Stellung des Reiches handele.

      Als ich den bezüglichen Bericht Manteuffels las, mußte ich denken, daß die in Wien eingetretene Wandelung wohl durch Mitteilungen des österreichisch gesinnten Ministers Drouyn de Lhuys hervorgerufen worden war.

      Ob die Thatsache einer bezüglichen Mitteilung von Drouyn de Lhuys an Metternich dereinst durch ein Aktenstück des Wiener Staatsarchivs bestätigt werden wird, bleibt abzuwarten.

      Nach der erwähnten Unterredung mit Gablenz beantragte Manteuffel, früher der wärmste Anhänger der österreichischen Allianz, in mehreren Berichten, von der österreichischen Regierung die Entfernung des Erbprinzen zu verlangen und die Frage zu stellen, ob man mit Augustenburg oder mit Preußen brechen wolle. Der König billigte diese Auffassung und gewöhnte sich mit blutendem Herzen allmählich an den Gedanken eines Bruchs.

      Ein neues Aergernis brachte der 23. Januar 1866. In Altona versammelten sich etwa 4000 Männer aus den Herzogtümern und einige süddeutsche Demokraten unter freiem Himmel, beschimpften vielfach die preußische Regierung, verlangten die Einberufung der holsteinischen Stände und brachten ein donnerndes Hoch „dem geliebten Landesherrn Friedrich VIII.“ Dergleichen war selbst von dem gut augustenburgisch gesinnten Baron Halbhuber nicht geduldet worden.

      Am 26. Januar sandte Bismarck an Werther einen ausführlichen Erlaß, in welchem die in den letzten Wochen schon mehrmals eingehend begründeten Beschwerden zusammengefaßt wurden. In Gastein sei man übereingekommen, revolutionäre, beide Kronen bedrohende Tendenzen zu bekämpfen. Demnach hätten vor wenigen Monaten beide Mächte den Frankfurter Senat wegen Duldung einer revolutionären Versammlung verwarnt. Nun aber habe unter dem Schutze des österreichischen Doppeladlers in Altona eine gleichartige Volksversammlung getagt. Preußen könne nicht dulden, daß Holstein zum Herde revolutionärer Bestrebungen gemacht und dadurch das im Gasteiner Vertrage Oesterreich anvertraute Pfand deterioriert werde. Solche Eindrücke müßten dahin führen, das von Seiner Majestät dem Könige lange und liebevoll gehegte Gefühl der Zusammengehörigkeit der beiden deutschen Großmächte zu erschüttern. Wir bäten, im beiderseitigen Interesse den Schädigungen, welche das monarchische Prinzip, der Sinn für öffentliche Ordnung und die Einigkeit beider Mächte durch das jetzt in Holstein gehandhabte System erlitten, ein Ziel zu setzen. Es sei ein unabweisliches Bedürfnis für uns, Klarheit in unsere gegenseitigen Verhältnisse zu bringen; habe die kaiserliche Regierung nicht den Willen, auf die Dauer gemeinsame Wege mit uns zu gehen, so müßten wir für unsere ganze Politik volle Freiheit gewinnen.

      Die österreichische Antwort (vom 7. Februar) brachte eine in Biegelebens hochmütigem Tone verfaßte kühle Ablehnung. Die Agitation in Holstein habe keinen revolutionären Charakter. Die Verpflichtung Oesterreichs, das anvertraute Pfand unverletzt zu bewahren, könne sich nur auf die ungeschmälerte Erhaltung der Substanz beziehen. Die Verwaltung von Holstein unterliege ausschließlich der Kompetenz der kaiserlichen Regierung; das Verlangen, über einen Akt dieser Verwaltung Rechenschaft zu erhalten, müßte entschieden zurückgewiesen werden.

      Nach Empfang dieser Depesche erklärte Bismarck dem Grafen Karolyi in ruhigem Tone, Preußens Beziehungen zu Oesterreich hätten nunmehr den intimen Charakter der letzten Jahre verloren und seien auf denselben Stand zurückgekommen, auf dem sie vor dem dänischen Kriege waren; nicht besser, aber auch nicht schlechter als zu jeder andern Macht.

      Eine schriftliche Erwiderung der österreichischen Depesche unterblieb.

      * * *

      Nachdem im Juni 1865 das Abgeordnetenhaus sich unfähig gezeigt hatte, über Schleswig-Holstein irgendeine Ansicht durch Majoritätsbeschluß zum Ausdruck zu bringen, traten vereinzelte Symptome eines beginnenden Umschwungs der öffentlichen Meinung hervor.

      Zu dem Abgeordnetentage, welchen der Frankfurter Ausschuß auf den 1. Oktober einberufen hatte, um den Gasteiner Vertrag für nichtig zu erklären, erschienen unter 272 Abgeordneten nur ein Oesterreicher und 8 Preußen, von denen 6 sich der Abstimmungen enthielten. Bekannte Parlamentarier wie Twesten und Mommsen hatten ihr Erscheinen mit der Begründung abgelehnt, daß sie an Beschlüssen nicht teilnehmen wollten, deren Spitze gegen die Machtentfaltung Preußens gerichtet sein würde.

      In der badischen Kammer sagte der liberale Parteiführer Mathy gelegentlich, Bismarck „gefalle ihm mit jedem Tage besser“.

      In weiten Kreisen des preußischen Volks schien man der fruchtlosen Redeübungen und Resolutionen überdrüssig und begann man einzusehen, daß der vielgeschmähte „Junker“ nach außen bedeutende Erfolge zu erringen und im Innern sparsam zu wirtschaften vermochte.

      Das Abgeordnetenhaus aber zeigte beim Wiederzusammentreten am 15. Januar 1866 ein unverändert böses Gesicht. Der Präsident Grabow gab beim Beginn der Sitzungen der feindseligen Stimmung des Hauses wieder durch heftige Vorwürfe gegen die Staatsregierung Ausdruck. Auf Anregung Virchows empfahl eine Kommission, zu erklären, daß die Vereinigung des Herzogtums Lauenburg mit der Krone Preußen rechtsungültig sei, solange nicht die verfassungsmäßige Zustimmung beider Häuser des Landtags erfolgt wäre.

      Man bezog sich dabei auf Artikel 48 der Verfassung, wonach Verträge des Königs mit fremden Regierungen, „wenn dadurch dem Staate Lasten auferlegt werden“, zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Kammern bedürfen; sowie auf Artikel 55, welcher lautet: „Ohne Einwilligung beider Kammern kann der König nicht zugleich Herrscher fremder Reiche sein.“

      Bismarck wies (am 4. Februar) in längeren Ausführungen nach, daß der Ankauf von Lauenburg aus Privatmitteln Seiner Majestät des Königs dem Lande keinerlei Lasten auferlegt habe und daß ein deutsches Ländchen von dem Umfange Lauenburgs nicht als ein „fremdes Reich“ bezeichnet werden könne, ohne sich an der deutschen Sprache und Nationalität zu versündigen. Dann fuhr er fort:

      „Daß die Personalunion dem Preußischen Staate Nachteil bringe, habe ich nicht behaupten hören; ich glaube im Gegenteil, sie bringt ihm mehr Vorteile, als ihm die Anwendung des Programms der Februarbedingungen, beispielsweise in Lauenburg, gebracht haben würde, und ich glaube, Sie zollten diesem Programme teilweise Ihre Anerkennung.

      „Wäre es nicht, wenn es gelänge, Schleswig-Holstein zu einer Personalunion mit Preußen zu bringen, ein sehr viel erheblicherer Vorteil, als wenn wir bloß die Februarbedingungen dort durchführten? Wäre es nicht ein Vorteil, der bedeutender Opfer, der einiger Staatslasten sogar wert wäre?

      „Wenn Ihnen aber, meine Herren, das System der Personalunion nicht gefällt, warum haben Sie es nicht früher gesagt? Ich habe ja im vorigen Jahre von dieser Stelle die dringendste Frage, ich kann wohl sagen die Bitte, an Sie gerichtet: Äußern Sie doch Ihre Ansicht über die Zukunft der Herzogtümer! Ich habe Sie gefragt: Sind Sie mit dem Programm der Februarbedingungen einverstanden? Wünschen Sie, daß es abgeändert, daß etwas hinzugesetzt werde, streben Sie z. B. nach der Personalunion? Ihre Antwort war ein Schweigen, welches ich kaum beredt nennen kann. Sie konnten sich nicht einmal entschließen, darauf zu sagen: wir beharren bei unserem Ausspruch von vor zwei Jahren, wir wünschen noch heute, daß der Prinz von Augustenburg in die Souveränität von Schleswig-Holstein eingesetzt wird.

      „Meine Herren! Ich wiederhole diese Frage heute