Sechs utopische Thriller. Conrad Shepherd

Читать онлайн.
Название Sechs utopische Thriller
Автор произведения Conrad Shepherd
Жанр Научная фантастика
Серия
Издательство Научная фантастика
Год выпуска 0
isbn 9783745202267



Скачать книгу

Julee, rollte den Ausdruck zusammen und schulterte die Tasche. »Es wäre unhöflich, sie noch länger warten zu lassen. Bye!«

      Der hartgesichtige, muskulöse Wächter neben dem Durchgang, der nur für das Flughafenpersonal und Besatzungsmitglieder war, nickte ihr flüchtig zu und ließ sie die Sperre passieren. Julee konnte den Mann in dem Overall eines Triebwerksingenieurs nicht sehen, der draußen dicht neben der Glastür stand und aufs Startfeld blickte. Als sie durch die Tür kam, drehte er sich unvermittelt um und wollte in die Halle zurück. Er prallte direkt gegen Julee. Sie stieß einen kleinen, erschreckten Schrei aus und klammerte sich instinktiv an seine Schulter.

      »Hoppla!«, sagte eine Stimme. Zwei kräftige Hände hielten ihre Arme, und der Mann starrte sie an. Seine Augen waren kalt und glatt wie Bachkiesel. Dann erschien ein Grinsen auf seinem kräftigen Gesicht unter dem Schopf schwarzer Haare. Er genoss sichtlich die intime Berührung, presste ihren warmen Körper noch enger an sich.

      »Sachte, sachte, Freundchen!«, bremste sie ihn und lächelte frostig. »Sie verwechseln mich mit sicher Ihrer Clinchpartnerin.«

      An und für sich hatte sie nichts dagegen, wenn sie von kräftigen Männern gehalten und gedrückt wurde, doch aus unerfindlichem Grund schauderte sie diesmal vor dem Druck dieser großen, behaarten Hände auf ihren Armen.

      »Na,« meinte er grinsend, »wer wird denn so zickig sein...«

      »Ich!«, schnappte sie und trat ihm kräftig gegen das Schienbein.

      Fluchend ließ er sie los. Wie ein Irrlicht flackerte unverhüllte Wut in seinen Augen auf. Sekundenbruchteilelang sah es so aus, als wollte er sie schlagen, und sie spürte plötzlich Furcht. Im selben Augenblick knurrte die tiefe Stimme des Wachmannes hinter ihr: »Ärger, Miss Camara?«

      Sie schüttelte den Kopf und machte ein kläglich-komisches Gesicht. »Es war allein meine Schuld«, bekannte sie.

      »Wirklich?« Die Hand des Wächters fiel auf dem Kolben der großkalibrigen Waffe an seinem Gürtel.

      Julee warf einen Blick auf den Tech.

      Der machte ein versteinertes Gesicht, hatte aber immer noch einen gefährlichen Glanz in den Augen.

      »Doch, doch«, sagte sie rasch, um der Situation, die sich sichtbar aufzuschaukeln begann, die Spannung zu nehmen. »Es war wirklich meine Schuld.«

      Der Wächter zuckte mit den Schultern und wandte sich ab. Die Sache war für ihn erledigt. Der Triebwerksingenieur verkniff sich ein hämisches Grinsen und machte sich ebenfalls aus dem Staub.

      Auf dem Weg zum Shuttle kam Julee von der Frage nicht los, was ein Tech mit einer Kanone unter der Achsel anfing. Sie hatte die Waffe deutlich gespürt, als sie sich an ihm festhalten musste.

      Sie war noch immer mit dieser Frage beschäftigt, als sie die Maschine betrat und in die Pantry ging.

      »Mädchen«, sagte der Kapitän und zwinkerte ihr zu, »du siehst, wie immer übrigens, fabelhaft aus. Nur die Falten auf deiner Stirn stören ein wenig. Ich hoffe, deine schlechte Laune wurde nicht von meiner Anwesenheit an Bord verursacht?« Er grinste sein verwegenes Jungenlächeln, das vergessen ließ, dass er zweiundfünfzig war. Ein alter Adler, der sich auf allen globalen Runways auskannte.

      Julee dachte an den unerfreulichen Zwischenfall am Ausgang und schüttelte den Kopf. »Nein, ausnahmsweise nicht. Aber wenn du mir nicht schleunigst eine Zigarette anbietest, wirst du tatsächlich noch an meiner Laune schuld sein«, konterte sie. »Außerdem habe ich noch nicht gefrühstückt.«

      Der Navigator schüttelte den Kopf.

      »Igitt. Rauchen vor dem Frühstück?«

      »Soll der schlanken Linie dienen, Roul«, belehrte ihn eine andere Stewardess. »Eine Sorge, die für uns noch immer eine berufliche Existenzfrage darstellt.«

      »Aha.« Der Navigator grinste und strich sich genusssüchtig über den leichten Bauchansatz oberhalb der Gürtellinie.

      Gelächter. Die Crew, bestehend aus acht Leuten, flog seit mehr als einem Jahr miteinander und verstand sich innerhalb bestimmter Grenzen prächtig. Man war aufeinander eingespielt. Man wusste, was zu tun war, um den Passagieren ein Maximum an Service und sich selbst ein Minimum an Schlendrian leisten zu können. Jetzt hockten sie in der großen Pantry zwischen Pilotenkanzel und Passagierraum und warteten darauf, dass die Fluggäste über den Rüssel der selbstfahrenden Gangway an Bord kamen.

      Kapitän Jon van der Pool blickte kurz auf seine große Pilotenuhr.

      Es war Zeit.

      »Okay, Herrschaften«, sagte er und stand auf. »An die Arbeit!«

      Julee Camara stellte sich neben das schwere Luk, nahm die Tickets der Fluggäste mit einem strahlenden Lächeln entgegen und hakte deren Namen auf ihrem elektronischen Mininotizbuch ab, das drahtlos mit dem Bordcomputer verbunden war.

      Binnen Minuten hatten sie sämtliche Passagiere in der Maschine. Mit einer Ausnahme.

      Julee kontrollierte noch einmal, verglich die Namen mit den belegten Plätzen.

      Platz 24 blieb leer.

      Wer fehlte?

      Sie sah erneut auf die Passagierliste. Der Mann hieß Darren DeMile, Flugziel GNY, Greater New York. DeMile, der Name war ihr geläufig. Meist war das Interkont-Shuttle mit wichtigen Leuten besetzt. Daher wusste Julee, um wen es sich handelte. DeMile war irgend so ein hohes Tier in der internationalen Politik.

      Die Zeit wurde knapp.

      Als Julee die Gangway entlangschaute, sah sie, wie ein Mann, in dem sie DeMile erkannte, das Drehkreuz in aller Hast passierte und die Gangway heraufstürmte, als säße ihm der Teufel im Nacken.

      »Sorry«, sagte er leicht außer Atem. »Hätte es fast nicht geschafft!«.

      »Willkommen an Bord, Mister DeMile!«, begrüßte sie ihn und streckte die Hand nach seinem Ticket aus. »Jetzt müssen wir aber auch los...«

      Planmäßig um acht Uhr wurde der Start für das Interkont-Shuttle Flug Nr. 222 mit Bestimmung Honolulu, Los Angeles und Greater New York freigegeben.

      Im Cockpit beobachteten Pilot und Kopilot die Systeme und Anzeigen des Flugcomputers: Kursvektoren, Balkenanzeigen der Triebwerkskontrolle, alles im grünen Bereich. Binnen zehn Minuten hatte die Interkont ihre Reiseflughöhe erreicht und raste mehr als zwölftausend Meter über dem Boden durch die Stratosphäre nach Osten.

      Im Passagierdeck erloschen die Leuchtschriften, und die Stimme der Chefstewardess drang aus der Bordsprechanlage.

      »Ladys und Gentlemen! Mein Name ist Julee Camara. Ich heiße Sie im Namen von PanWorld Airways an Bord unserer Interkont herzlich willkommen. Es spricht jetzt der Kapitän zu Ihnen.«

      Pause. Dann: »Guten Morgen, meine Damen und Herren. Hier spricht Flugkapitän Jon van der Pool. Wir fliegen in einer Höhe von zwölftausendvierhundert Metern mit einer Geschwindigkeit von dreitausend Meilen pro Stunde. Wie uns die Meteorologen versicherten, bleibt das Wetter gut, so dass Sie während des Fluges keine Unannehmlichkeiten zu befürchten haben.«

      Was die »Unannehmlichkeiten« anging, täuschte sich der Kapitän allerdings, doch das konnte er zu diesem Zeitpunkt nicht wissen. Richtig hingegen war, dass von den meteorologischen Bedingungen her keine Gefahren drohten. Das Desaster hatte eine andere Ursache.

      Im vorderen Laderaum, unterhalb des geräumigen Cockpits und unmittelbar vor dem großen Rumpftank, stand ein kleiner, achtflächiger Container mit der Aufschrift

      VORSICHT!

      WISSENSCHAFTLICHE PRÄZISIONSINSTRUMENTE.

      NICHT WERFEN!

      Die Terminologie »Präzisionsinstrumente« stimmte nur bedingt. In Wirklichkeit war es ein für das beginnende 22. Jahrhundert ziemlich primitiver Mechanismus. Jedoch ein äußerst wirkungsvoller.

      Präzise eine