Bount Reiniger - Mörderspiel. Alfred Bekker

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Название Bount Reiniger - Mörderspiel
Автор произведения Alfred Bekker
Жанр Ужасы и Мистика
Серия
Издательство Ужасы и Мистика
Год выпуска 0
isbn 9783745202724



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ist es."

      "Er ist erst seit gestern überfällig. Das ist eigentlich noch kein Grund, einen Privatdetektiv zu beauftragen."

      "Unter normalen Umständen hätten Sie vielleicht recht. Aber kommen noch ein paar Dinge hinzu, die das Ganze in einem merkwürdigen Licht erscheinen lassen."

      "Und was wäre das?"

      "Ich gehe immer als letzter aus dem Büro. So auch am Mittwoch. Unten im Parkdeck beobachtete ich dann, wie Craven sich mit zwei Kerlen herumstritt. Ich konnte leider nicht verstehen, was gesagt wurde, weil ein Wagen vorbeifuhr. Aber eine freundliche Unterhaltung war das nicht. Einer der beiden Kerle hatte eine Pistole. Es sah aus wie ein Straßenraub oder so etwas. In diesen finsteren Parkdecks kann man sich seines Lebens heute ja nicht mehr sicher sein."

      Bount horcht auf. "Was geschah dann?", fragte er.

      "Leslie hat sie fertiggemacht, auch den mit der Waffe. Ein paar geübte Schläge und die Kerle lagen im Dreck. Ich hatte bis dahin keine Ahnung, dass er so etwas drauf hat! Leslie ist dann ins Auto gestiegen und davongebraust."

      "Und die Kerle?"

      "Keine Ahnung. Ich habe zugesehen, dass ich ebenfalls in meinen Wagen kam. Wie gesagt, ich hielt die beiden für Straßenräuber und ich hatte keine Lust, ihr nächstes Opfer zu werden."

      "Ich verstehe", nickte Bount.

      Franklin grinste. "Ich bin nämlich nicht gerade sportlich, wenn Sie verstehen, was ich meine."

      "Haben Sie die Gesichter gesehen?"

      "Nur von einem. Der zweite Mann stand im Schatten."

      "Beschreiben Sie ihn!"

      "Er hatte vielleicht Ihre Größe, Mister Reiniger. Ein paar Zentimeter weniger, aber nicht viel. Blondes Haar, hoher Stirnansatz. Ich habe ihn aber auch nur ganz kurz von vorne gesehen." Er machte eine kurze Pause, dann fiel ihm noch etwas ein. "Ach ja, er trug eine Lederjacke mit der Aufschrift Eagle."

      "Und was vermuten Sie nun?", fragte Bount. "Eine Entführung? Vielleicht waren es wirklich Straßenräuber."

      Franklin zuckte die Achseln. "Möglich. Aber ich bin gestern bei seiner Wohnung gewesen. Seine Vermieterin behauptete, niemanden zu kennen, der Leslie Craven heißt."

      "Waren Sie in der Wohnung?"

      "Nein. Aber es war ein Schild angebracht, dass sie zu vermieten sei. Außerdem ist sein Wagen abgemeldet."

      Bounts Augen wurden schmal.

      "Woher wissen Sie das denn?"

      "Ich habe einen Bekannten bei der Zulassungsstelle. Ich dachte, dass die Adresse vielleicht nicht mehr aktuell ist, die in Cravens Papieren steht und hoffte, so vielleicht an ihn heranzukommen. Seine Wagennummer kenne ich ja, schließlich hat er einen reservierten Platz auf dem Parkdeck."

      Bount nickte nachdenklich. Wenn man das alles zusammennahm, dann war schon einiges merkwürdig an der Sache.

      "Was glauben Sie, was passiert ist?", fragte Bount.

      Franklin zuckte mit den Schultern. "Ich habe nicht die geringste Ahnung. Irgendwelche Lösegeldforderungen hat es bis jetzt nicht gegeben, aber das kann ja noch kommen. Ich weiß nur, dass Leslie verschwunden ist."

      "Haben Sie eine Vermisstenanzeige aufgegeben?"

      "Ja, habe ich. Aber Sie wissen doch besser als ich, was bei so etwas herauskommt, Mister Reiniger. Und im Augenblick unternehmen die noch gar nichts. Ein Mann, der den zweiten Tag nicht ins Büro kommt! Die haben mich überhaupt nicht richtig ernst genommen!"

      Das konnte Bount sich lebhaft vorstellen. "Okay", murmelte er. "Ich werde sehen, was sich machen lässt."

      "Am Geld soll es soll es nicht liegen", meinte Franklin. "Gleichgültig, wie unverschämt Ihre Tagessätze auch sein mögen - ein Mitarbeiter wie Leslie Craven ist das auf jeden Fall Wert!"

      "Erwarten Sie trotzdem keine Wunderdinge von mir, Mister Franklin."

      "Ich bin Realist." Und im nächsten Augenblick legte Franklin dann eine Mappe auf den Tisch. "Das ist Cravens Personal-Akte. Ich denke, die werden Sie brauchen."

      4

      "Ein ziemlich glatter Lebenslauf", stellte June fest, als sie in Cravens Akte herumblätterte. Bount, der den Inhalt bereits überflogen hatte, stand am Fenster und blickte hinaus auf den klaren Himmel über dem Central Park.

      Craven war Mitte vierzig, geboren in Chicago als Sohn eines Lastwagenfahrers und einer Verkäuferin. Seine Abschlussnoten in der Schule lagen alle etwas über dem Durchschnitt, aber nicht so sehr, dass es besonders aufgefallen wäre. Dann ein paar Jahre Army und ein Studium an der University of California in Berkeley.

      Betriebswirtschaft und Fremdsprachen. Ein paar Jobs bei verschiedenen Firmen folgten, die er in Fernost und in Nordafrika vertrat. Seit drei Jahren arbeitete er für die Franklin Literary Agency.

      Zu den Unterlagen hatte Franklin vernünftigerweise auch eine Fotografie gelegt. Das Bild war offenbar auf einer Party oder einem Betriebsfest entstanden.

      Franklin hatte Cravens Kopf mit Filzstift eingekreist und auf der Rückseite des Fotos eine entsprechende Anmerkung gemacht.

      "Hast du vielleicht schon eine Idee, wo man da ansetzen kann?", fragte June, die die Mappe zuklappte und zurück auf den Schreibtisch legte.

      Bount drehte sich herum und zuckte die Achseln.

      "Kein Mensch verschwindet einfach, ohne eine Spur zu hinterlassen", meinte der Privatdetektiv zuversichtlich.

      "Genau das scheint hier der Fall zu sein, Bount!"

      "Ja, und wenn da nicht diese zwei Kerle wären, die diesem Craven zugesetzt hätten, dann könnte man auf die Idee kommen, dass er von sich aus untergetaucht ist."

      "Aber warum, Bount?"

      "Keine Ahnung. Wenn wir das wüssten, hätten wir ihn wohl auch schon halb gefunden, schätze ich!"

      5

      Bount Reiniger hätte sich am liebsten ein paar Stunden aufs Ohr gelegt, aber in diesem Fall hielt er es für besser, die Recherchen gleich zu beginnen. Es war schon genug Zeit vergangen, seit Leslie Craven verschwunden war. Und die Spuren wurden bei einer solchen Personensuche schneller kalt, als einem lieb sein konnte.

      Craven hatte im dritten Stock eines Reihenhauses gewohnt. Gepflegter Altbau, ruhige Lage. Die Besitzerin wohnte im Erdgeschoss und hieß Martha Raglan. Sie war eine energisch wirkende