Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

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Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



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Stille, die dem verhallenden Echo zwischen den Bäumen folgt, zeigt, wie es um die angebliche Stille davor bestellt war. Dann ertönen zunächst vereinzelt weitere Schüsse aus den verschiedenen Richtungen des Parks. Reaktionen ins Ungewisse. Schatten schießen auf Schatten. Schatten feuern blind auf Bäume. Schatten bekämpfen ihre Angst mit Schüssen ins Nichts. Lange Feuerstöße aus Maschinenpistolen erscheinen als Signal für den Beginn einer nun einsetzenden, hemmungslosen Demonstration von lauter Feuerstärke. Die Geister müssen vertrieben werden. Erste Querschläger schrappen ganz in seiner Nähe an Bäumen vorbei.

      Benedict duckt sich auf den Weg hinunter und hält immer noch die eigene Pistole in seiner rechten Hand. So ein Schwachsinn, denkt er, als er weit vor sich Leuchtspurgarben den Weg kreuzen sieht. Er will sich die schmerzenden Ohren zuhalten, aber die schwer in der Hand liegende Waffe hindert ihn. Er drückt einfach ab. Dieser eine Schuss, wenn auch kaum hörbar in dem Inferno krachender Schüsse und vorbeizischender Geschosse, bringt ihn doch wieder zur Besinnung. Mit einem langen Satz sucht er unter einem großen Baum erste Sicherheit.

      Der Schuss ertönt im gleichen Augenblick, in dem South und Donahue mit den Behältern auf der Schulter zum Ufer des Baches zurücklaufen wollen. Vor sich auf dem Weiherweg sehen sie zwei aufspringende Schatten. South stößt seinen Kameraden weiter Richtung Seilbaum und reißt die MP hoch. Er feuert eine Garbe in Richtung des laufenden Schattens. Dann reißt er eine Rauchmine aus dem Behälter und zündet sie mit der Hand. Nacht und Rauch verbinden sich zu tarnender Schwärze. Wieder Abschüsse aus Maschinenwaffen. Jetzt aus allen Richtungen. South zündet eine weitere Rauchmine, eine dritte, vierte und fünfte. Dann folgt er Donahue schnell über den Schlossgraben hinüber, den Rest der Ausrüstung einfach zurücklassend. Munroe wartet im Wagen mit laufendem Motor. South wirft sich zu dem keuchenden Donahue auf die Sitzbank. Die Maschine heult auf. Räder drehen sägend durch auf nachgebendem Sand. Endlich schießt das Fahrzeug mit einem kurzen Luftsprung davon, springt schwankend über Bodenwellen und Schutthügel und erreicht schließlich die feste Straße am Schlossufer, wo es Richtung Urdenbach davonrast.

      Schon nach den ersten hektischen Feuerstößen aus den Maschinenwaffen gibt Colonel Smites über Funk den Rückzugsbefehl an seine Leute. Die Situation ist für den erfahrenen Offizier taktisch nicht mehr kalkulierbar, die Gefahr einer Entdeckung des Kommandoeinsatzes nicht mehr auszuschließen. Die disziplinierten Kämpfer der SAS ziehen sich einzeln zu dem vereinbarten Sammelpunkt zurück. Sie verlassen ohne einen Ausfall das von ratternden Geschossgarben durchfurchte Gelände über die Brücke, die sie mitnehmen, und besteigen eilig ihre Fahrzeuge. Motoren heulen auf, der Konvoi von fünf Fahrzeugen verlässt wenig später das Einsatzgebiet verkehrswidrig entgegen der Richtung der Einbahnstraße.

      Kurz vor dem Höhepunkt des panischen Feuerorchesters befinden sich also nur noch die Angehörigen der Sicherungskräfte auf dem Parkgelände. Und ein verwirrter Finne.

      Irgendwann hat jemand in dem Durcheinander herumjagender Geschosse, aufgeregter Kommandoschreie und beißender Nebelschwaden eine vernünftige Idee: der Zugführer der GSG-9-Einheit schießt eine weiße Leuchtkugel in die Nacht. Während sich unter der langsam herabsinkenden, grellweißen Lichtkugel Helligkeit zwischen den Bäumen und Büschen ausbreitet, greifen andere seine Idee auf. Der Lärm der Geschosse verebbt langsam. Jetzt taucht auch Benedicts Umgebung in den gleißenden Schein einer abgefeuerten Leuchtrakete.

      Der neben ihm stehende Baum hat zwei Beine, zwei Arme, einen Kopf und weißblonde Haare, Dieses breite Gesicht hat er im vorigen Jahr schon einmal gesehen. Auf Fuerteventura. Die Sache mit der Liste. Der Finne!

      Was macht ...

      Ein Luftzug hechelt vorbei! Heißes Sengen an der linken Schläfe! Instinktiv reißt Benedict den Kopf nach rechts. Er fühlt einen harten Schlag. Lächerlich, denkt er, absolut lächerlich, bei dieser Geschichte noch draufzugehen. Hoffentlich zerschießen die nicht auch noch das schöne Schloss. Plötzlich hat er den strengen Geruch feucht-fauligen Herbstlaubs in der Nase.

      Dann nichts mehr. Tiefe Schwärze. Aus.

      20

      Um ein Haar wäre der Leiter der Düsseldorfer Mordkommission doch noch den Unwägbarkeiten im Wechselspiel zwischen Massebeschleunigung und Effetkräften zum Opfer gefallen. Eine dieser letzten Kugeln - Minuten später herrschte bereits wieder erschrockene Stille - war auf dem geraden Wege zu seinem Hinterkopf unterwegs, blindlings abgefeuert wie die meisten. Knappe sechzig Meter bevor sie seine Schädeldecke zertrümmert hätte, wurde sie vom Pfahl eines Parkwegweisers um Millimeter abgelenkt. Diese Millimeter wurden auf dem weiteren Weg des Geschosses zu Zentimetern, und als es dann in Höhe von Benedicts Kopf war, riss es nur noch eine lange Schramme in die Hautoberfläche seiner Schläfe. Ein breites Pflaster ist die einzig nach außen sichtbare Auswirkung der vergangenen Nacht. Nicht sichtbar ist allerdings ein überaus kräftiger Brummschädel des um 10 Uhr morgens an seinem ISAT-Schreibtisch sitzenden Hauptkommissars. Er musste durch den heftigen Schmerz der Wunde auf der linken Seite instinktiv eine heftige Bewegung gemacht haben und dabei hart an einen im Wege stehenden Baumstamm geschlagen sein. Seine Bewusstlosigkeit konnte nicht lange gedauert haben, denn als er sich wieder aus dem nassen Laub aufrappelte, waren immer noch vereinzelte Schüsse zu hören gewesen. Aber der Finne war weg.

      »Legen Sie sich ein paar Tage ins Bett. Lassen Sie sich aber vorher röntgen!«, meinte der Ambulanzarzt auf dem Schlossvorplatz, nachdem er Benedict die Kopfwunde verpflastert hatte. Benedict machte sich aber zuerst auf die Suche nach seinen drei ISAT-Kollegen. O’Connell und McGrath traf er vor dem Schlossgebäude. Sie schüttelten die Köpfe und hatten einen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Benedict hätte wetten können, dass sie nicht einen einzigen Schuss aus ihren Brownings abgegeben hatten. Seine Frage nach Captain Hart konnten sie nicht beantworten, und als sie gemeinsam zur Erich-Müller-Straße kamen, war das beige-braune Motorhome verschwunden. Die Iren zuckten mit den Schultern und machten sich aus dem Staub.

      Heute Morgen saßen bei Benedicts Eintreffen nur Hauptmeister Herrmann, O’Connell und McGrath in dem sehr stillen ISAT-Büro im »Weißen Haus<. Jerry Hart hatte sich immer noch nicht gemeldet.

      Als Benedict aus dem Fenster schaut, sieht er, dass die grün-weißen Einsatzfahrzeuge einen schwarzen Trauerflor an den Antennen tragen. Gestern Nacht, gerade als die wilde Schießerei im Schlosspark Benrath dem Ende zuging, sind in Frankfurt bei einer Demonstration an der Startbahn West zwei Polizisten erschossen worden. Da erschießen wilde Demonstranten im Schutz der Nacht zwei Polizisten, und bei uns bekriegt sich ein halbes Hundert Spezialisten mit Maschinenwaffen und erzielt eine Quote von drei leicht angeschossenen Beamten, geht es Benedict durch den Kopf. Ein weiterer Beamter hatte sich beim Laufen den Fuß verknackst, ein anderer war am Teichrand abgerutscht und wäre fast ertrunken, wenn das Wasser tiefer gewesen wäre.

      Einen Behälter mit einer Rauchmine hat man am Südrand des Parks gefunden, genauso wie die ausgebrannten Reste weiterer Minen, eine Seilvorrichtung zum Überqueren des Schlossbachs und Reifenspuren im Sand auf der anderen Seite. Auch am westlichen Parkrand hat man heute Morgen Spuren eines gewaltsamen Eindringens entdeckt.

      Da würde es eine Reihe von Fragen geben.

      Um 11 Uhr verabschieden sich die beiden Iren dann. Verlegen reichen sie ihm die Hand. »Wir gehen packen. Tut uns leid, aber ...«

      Zehn Minuten vorher war die Meldung aus dem Bundespräsidialamt in Bonn gekommen: Da insbesondere wegen der Ereignisse der vergangenen Nacht für die Sicherheit der englischen Gäste nicht garantiert werden kann, wird der Besuch der Königlichen Hoheiten