Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

Читать онлайн.
Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



Скачать книгу

Ankömmlinge in die große Sitzküche. »Nein, heute gibt’s was Deftiges. Kartoffelsalat von Lore und Rindswürste aus Frankfurt. Rindsworscht! Dazu«, der Hausherr holt drei Flaschen aus dem großen Kühlschrank, »dann noch was Exotisches aus Hessen: Licher Bier. Prost allerseits!«

      Die drei fast gleichaltrigen Männer stoßen klirrend an und trinken in tiefen Zügen aus den braunen Flaschen mit dem grün-weiß-goldenen Etikett. Nachdem der erste Durst gelöscht ist und die halb geleerten Flaschen wieder auf dem Küchentisch stehen, meint Hannes: »Nicht schlecht! Wo hast’n das her?«

      »Hat mir der Dicke aus Frankfurt letzte Woche mitgebracht. Auch die Würstchen. Ist’n Dauerauftrag von mir. Jedes Mal,wenn Dr. Huber mal nach Düsseldorf kommt, muss er einen Kasten Licher und zwei Dutzend Rindswürste mitbringen.«

      »Ja, ja, der Huber!«, grinst Rechtsanwalt Hannes und lacht in sich hinein. Auch Benedict kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er an sein Abenteuer auf Fuerteventura und die Begegnung mit diesem gamsbartbehüteten Berliner Frankfurter denkt.

      »Ich setze die Würstchen auf«, sagt er, und seine beiden Freunde tragen die Schüssel mit Kartoffelsalat ins Wohnzimmer hinüber.

      »Was ich Sie fragen wollte ... äh ... was ich dich fragen wollte«, auch für Hannes ist das neue Du noch ungewohnt, »was is’n das für ’n Wagen, den du da fährst?«

      Schon beim Einparken hatte er das ungewöhnliche Fahrzeug Dr. Lenzfrieds bewundert.

      »Schön, nicht?«, antwortete der. »Ein Morgan. Ist ein auf alt gemachter Neubau und nach meiner Scheidung die einzige Leidenschaft!«

      »Du auch? Ist ja der reinste Club der Witwer und Waisen hier ... au Verzweiflung!« Rechtsanwalt Hannes fährt sich mit der Hand erschrocken vor den Mund. Aber Benedict, der die letzte Bemerkung wohl nicht mitbekommen hat, ruft nur aus der Küche: »Er hat auch noch einen traumhaften MG Twin Cam in der Garage stehen. Ist ein richtiger Veteranenfreak, der Herr Doktor!«

      Dann haben sie die erste Wurstrunde hinter sich gebracht, und während Hannes sich in Benedicts Plattensammlung vertieft, stehen Dr. Lenzfried und der Gastgeber vor dem großen Rheinfenster und schauen hinaus auf das Meer der Großstadtlichter. Auch auf dieser Seite des Rheins drängen sich die Massen im Widerschein des lichterspiegelnden Gewässers. Das Bootsgetümmel auf dem Fluss hat beängstigende Ausmaße angenommen, und durch das zur Seite geschobene Fenster hört man Gelächter, Musik und die Sirene eines Einsatzfahrzeugs, dessen blaues Flackern sich hektisch über die Kniebrücke bewegt.

      Die Stimme, die jetzt aus den Boxen schallt, klingt wie sprödes Eis. Ich reda zu viel und lach zu laut / Geständnisse in feuchtem Licht / Und du sagst leise / Ich dich nicht ... »Diese neuen Sängerinnen scheinen jetzt in Mode zu kommen«, meint Benedict zu Hannes, der sich mittlerweile zu den beiden am Fenster gestellt hat und neugierig zum Rhein herunterschaut. Der nickt. »Interessante Stimmen. Und noch wichtiger ist wohl, dass sie wirkliche Texte mit 'ner Menge Zunder dahinter zu bieten haben. Die Mädels setzen sich langsam durch!«

      »Und das nicht nur beim Singen«, schließt der bärtige Lenzfried an.

      »Mmh«, meint Benedict mit kaum verhohlener Skepsis in der Stimme.

      »Apropos Frauen«, wendet sich der Doktor an den Gastgeber, »ihr müsst da mal langsam mit diesem psychopathischen Sex-Menschen weiterkommen. Ich habe viele Frauen in der Praxis, die das ganz schön mitnimmt. Und es gibt anscheinend auch noch ganz andere Entwicklungen in dieser Sache, die ziemlich beunruhigend sind!«

      »Ach, fängst du jetzt auch schon damit an«, reagiert der Polizist Benedict unwirsch. »Lass mich bloß in Ruhe! Genügt schon, dass die Presse uns dauernd anmacht. Außerdem ist das bei uns die Sache vom 2. K. Das gehört also gar nicht in meinen Bereich. Und du bist doch Internist, da kommen die Frauen mit so was?«

      »Oh, oh, oh - da habe ich wohl den schwachen Nerv des Herrn Kriminalkommissars getroffen. Du hast recht, mei Liaba, ich bin Internist. Nur - hast du dir schon mal überlegt, wieso meine Praxis immer brechend voll ist, obwohl ich nicht gerade die modernsten medizinischen Apparate habe?« Dr. Lenzfried gibt sich die Antwort selber. »Weil ich noch mit den Patienten rede, und im Moment sprechen die Frauen einer bestimmten Altersgruppe eben sehr viel über ihre diesbezüglichen Ängste! Und da ist noch was, das habe ich von meinen Sprechstundenhilfen gehört. Das zumindest dürfte auch den Herrn Oberpolizisten interessieren: Es haben sich offenbar in mehreren Stadtteilen Frauengruppen gebildet, die sogenannte Selbstverteidigungskurse organisieren. Die Stimmung unter diesen Frauen könnte man so beschreiben, dass - wenn die Polizei nicht bald Erfolg hat - sie selber auf die Jagd gehen wollen. Und was das heißt, das kann sich ja wohl auch dein geschrumpfter Bullenverstand vorstellen, oder?« Dr. Lenzfried hat sich richtig in Rage geredet.

      »Du meinst richtige Selbstjustiz«, greift der Rechtsanwalt nun wach in das Gespräch am Fenster ein, »eine Frauenmiliz in Düsseldorf?«

      »Quatsch«, versucht Benedict brüsk die ihm unliebsame Diskussion abzuwürgen.

      »Bitte, wenn du meinst!« Leicht verstimmt wendet Dr. Lenzfried den Blick wieder aus dem Fenster, aber Rechtsanwalt Hannes lässt so schnell nicht locker. »Du bist zwar Internist und kein Psychiater, aber als Arzt könntest du mir vielleicht sagen, was das deiner Ansicht nach für ein Mensch ist, der so was macht. Ich meine, nach allem, was so in der Öffentlichkeit bekannt ist, kann der doch wohl nicht normal sein, oder?«

      »Was ist schon normal, könnte ich dich fragen. Aber abgesehen davon, du hast schon so ungefähr recht. Der Umstand, dass dieser Mann kein einziges Mal den Versuch gemacht hat, den Geschlechtsverkehr mit seinen bisher bekannten 18 Opfern zu vollziehen, weist schon auf einige Störungen hin. Womit ich aber nicht gesagt haben will, dass er unter anderen Umständen als normal zu betrachten wäre. Ich meine, wenn er seine Opfer wirklich vergewaltigt hätte!«

      »Nein, natürlich nicht. Das andere ist schon ekelhaft genug für die Betroffenen!«

      »Es kann unter Umständen sogar demütigender für die Opfer sein als eine wirklich vollzogene Vergewaltigung mit Geschlechtsverkehr, denn um die Vergewaltigung eines Menschen handelt es sich in jedem Fall, auch dann, wenn dieser Täter seine Opfer >nur< dazu zwingt, ihm als Onanierhilfe zu dienen. Aber das ist genau das Merkwürdige an diesem Fall. Ich gehe davon aus, dass die seelischen Störungen bei diesem Menschen sogar noch größer sind als bei anderen Vergewaltigern, denn er scheint nicht in der Lage zu sein - aus mir unbekannten Gründen diesen Geschlechtsverkehr zu vollziehen. Dafür kann es mannigfaltige Gründe geben ...«

      »Aber er hat immerhin keines seiner Opfer getötet!«, wirft der Anwalt ein, bevor sich Dr. Lenzfried in komplizierte Ursachenforschung vertiefen kann.

      »Bis jetzt! Auch dafür kann es alle möglichen Gründe geben. Es braucht nur eine ganz bestimmte Konstellation einzutreten, und dann fällt auch diese Schranke. Dieser Mann muss in einer völlig verzweifelten psychischen Lage sein, und da genügt oft ein winziger Anlass. Nein, das beruhigt mich nicht ... und dann, lieber Benny, wirst auch du nicht mehr >Quatsch< sagen können, denn dann fällt es in deinen Bereich!«

      »Na gut, ihr großen Ursachenforscher, aber bis es so weit ist, können wir vielleicht das Feuerwerk genießen«, sagt Benedict und deutet mit dem Zeigefinger nach oben, wo sich am dunklen Himmel eine weitgefächerte, gelbe Chrysantheme mit platzendem Knall ausdehnt. Aus der Zuschauermenge hört man Aahs und Oohs heraufschallen. Das nächtliche Fest beginnt. Es ist zweiundzwanzig Uhr, und die ersten Regentropfen fallen nun doch vom Himmel.

      *

      Sauerbraten machte seine Mutter echt lecker.

      Nach dem Essen legte er sich aufs Sofa im Wohnzimmer und hielt ein Mittagsschläfchen, bis ihn der Duft von Kaffee und selbstgebackenem Kuchen gegen vier Uhr nachmittags wieder weckte. Noch nachdösend nahm er das vertraute Klappern und Klirren aus der Küche wie durch einen Wattebausch wahr und gab sich wohlig den aufsteigenden Phantasien hin. Gerade als er begann, den Bildern in seinem Kopf die gewünschte Richtung zu geben, rief ihn die Stimme