Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek. Peter Schrenk

Читать онлайн.
Название Die Fälle des Kommissar Benedict: 6 sehr fette Krimis in einer Bibliothek
Автор произведения Peter Schrenk
Жанр Зарубежные детективы
Серия
Издательство Зарубежные детективы
Год выпуска 0
isbn 9783745212532



Скачать книгу

oder dunkelgrün-sprühregnerisch werden würde. Er presste die Lippen zusammen.

      Die beiden leblosen Körper waren von unzähligen, schon leicht schorfigen Wunden übersät. Die Schnauzen standen offen, sie gaben den Blick auf die spitzen Zahnreihen frei und ließen an einen langen, gequälten Todesschrei denken.

      Was für eine sinnlose Angelegenheit. Wie so vieles hier.

      Die schmale Landstraße vor dem reetgedeckten Ferienhaus war leer. Von der gegenüberliegenden Weide glotzten wiederkäuende Kühe träge zu ihm rüber.

      Er ging ins Haus zurück und hob mehrere alte Ausgaben der Irish Times vom Steinboden neben dem offenen Kamin auf, um die beiden toten Körperchen vor dem Haus darin einzuwickeln.

      Zärtlich strich er mit der flachen Hand über die schon stumpfen Felle, die gestern Abend noch seidig geglänzt hatten. Dann legte er sie mit einer scheuen Bewegung in die blecherne Abfalltonne unter dem Küchenfenster. Er warf noch einen Blick auf die fette Titelmeldung der Grabzeitung: Roche races into sporting history! Dann verschwand das Bild des lächelnden Tour-de-France-Siegers aus Irland unter dem Blechdeckel der Mülltonne.

      Er wandte sich ab und ging zurück ins Haus, um die Abrechnung fertigzumachen. Und obwohl es überflüssig war, schritt er nochmals die Räume seines einstöckigen Urlaubsdomizils ab.

      Nein. Er hatte nichts vergessen. Seine Sachen lagen mehr oder weniger ordentlich in den beiden braunen Lederkoffern verpackt, die neben dem riesigen Holztisch im ebenerdigen Wohnraum standen. Er verfrachtete sie in den silbergrauen Leihwagen vor dem Haus und setzte sich dann wartend an den Tisch. Durch das immer noch geöffnete Oberteil der Holztür drangen die Motorengeräusche eines schweren Überlandbusses zu dem wartenden Mann. Er reckte den Kopf etwas höher und konnte den orangefarbenen Eirean-Bus hinter dem weißen Begrenzungsmäuerchen vorbeifahren sehen. Der Fahrer hupte. Dann verschwand das schon mitgenommene Gefährt schaukelnd in Richtung Cork.

      Der schwere Holzstuhl unter ihm knarrte. Aus dem Cottage nebenan kam das Geschrei von Kindern. Drüben, auf der anderen Seite der Landstraße, trieb der Bauer schon die Kühe zum Melken. Von der Bucht wehte der Geruch salziger See und gelandeten Fisches zu ihm herüber.

      Sie hatten zwar gestern elf Uhr ausgemacht, aber er erwartete sie nicht vor halb zwölf. Man nahm das in diesen Breiten nicht so genau mit der Zeit.

      Das war ja auch einer der Hauptgründe, warum er seinen Urlaub in diesem winzigen Nest zwischen Galway und Cork am Rande des steingepflasterten Burren verbrachte.

      Zwei Wochen waren nötig gewesen, bis er sich an den veränderten Lebensrhythmus in diesem Fischer- und Touristendorf am Ende der Welt gewöhnt hatte. Dann aber war er der schläfrigen Freundlichkeit seiner Bewohner erlegen. Hatte sich keinen Tag vor elf Uhr aus dem Bett bewegt. Hatte zwischen zwölf und eins seine pint Guinness nebenan auf der Holzbank vor der Kneipe getrunken. Dann auf der Mauer vor dem Cottage gesessen und ein Schwätzchen von oben herab mit den Vorbeikommenden gehalten.

      Manchmal war er auch zum Fischen gegangen. Erfolglos. Wie vieles hier.

      Abends bestand sein opulentes Mahl meistens nur aus Kartoffeln, Wirsing und gebackenen Bohnen. Aber danach hatte er sich mit einer kleinen Flasche Paddy vor den Kamin gesetzt und das flackernde Torffeuer bis zur Schlafenszeit in Gang gehalten.

      Nur an zwei Tagen der Woche hatte er anfangs dieses betäubende Einerlei seines Urlauberdaseins unterbrochen. Am Mittwoch spielten in allen drei Kneipen des Dorfes Musikanten auf ihren traditionellen irischen Instrumenten. Für sich und für die Touristen. Dann tranken auch die freundlichen Dorfbewohner ihr Bier mit ihm und rühmten lauthals die so tiefen Beziehungen zu seinem Heimatland. »Ihr habt uns damals Waffen geschickt gegen diese englischen Bastarde, die immer nur mit ihrer Macht und ihrem Geld geprotzt haben! Genau wie heute, mit ihren großen, blitzenden Autos auf unseren Straßen!« Und dann sangen sie diese traurigen Balladen aus längst vergangenen Zeiten. Aus längst vergangenen ...?

      Der zweite >Ausnahmetag< war der Samstag. Da hatte er sich dann den wirklich teuren Luxus eines irisch-französischen Dinners in Claire’s Restaurant gegenüber dem Post Office geleistet. Hatte da auch heftigst mit der gertenschlanken, irisch-weiblichen Claire geflirtet. Aber nur so lange, bis er bemerkte, dass sie einen hühnenhaften, rothaarigen Mann hatte, der das Gebalze von einem Eckplatz aus finster beobachtete.

      Nun, Claire hatte wohl einen kleinen Narren an ihm gefressen, und sie hatte eine Schwester namens Moira, die er bislang noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Jedenfalls setzte Claire die weißhäutige Moira am folgenden Samstag zu ihm an den Dinnertisch, wo sie ihm wortkarg und schüchtern beim Abendessen zusah und nur kurz in ihrem rauen Englisch auf seine bemühten Fragen antwortete.

      Nein, sie lebte nicht bei ihrer Schwester im Dorf. Ja, sie war jünger als Claire. Doch, sie kannte seine Heimat. Ja, sie würde ihm gerne das Burren zeigen.

      Am darauffolgenden Morgen waren sie zu den schwarzen Klippen hinausgefahren.

      Ihr Schweigen während der Fahrt auf der schmalen Küstenstraße hatte nichts Bedrückendes. Mit ruhigem Selbstverständnis lenkte sie den japanischen Wagen und musste dabei oft den von der See hereinfallenden Windböen entgegensteuern, unter den dahinfetzenden Wolkenbällen in Richtung Lahinch.

      Ab und zu setzte sie mit unverhohlenem Stolz zu einer Erklärung an, oder sie wies auf eine besonders schöne Ansicht, eine seltene Pflanze oder eine bizarre Steinformation hin.

      Dann saßen sie wieder ohne zu sprechen nebeneinander.

      Mittlerweile überlagerte der Geruch von Zimt, frischem Gras und warmer Haut den Kunststoffgeruch des Fahrzeuginnern. Moiras linker Ellenbogen berührte während und auch zwischen den Lenk- und Schaltvorgängen immer wieder seinen rechten Arm, der angewinkelt auf seinem Schenkel ruhte. Die Vibrationen des Volants übertrugen sich von ihrem Arm auf seinen gesamten Körper und versetzten ihn in einen Zustand zunehmender Erregung. Die warme Zimtluft im Wageninnern begann zu knistern.

      Weihnachten!

      Als die Fahrerin das nächste Mal schaltete, legte er seine eigene Rechte auf die schmale und sehr weiße Hand des Mädchens.

      Sie ließ es geschehen. Nicht zerstreut und belanglos. Nein, so als genösse sie die Berührung seiner warmen Handfläche auf dem Rücken ihrer gespreizten Hand, verzögerte sie den nächsten Schaltmoment bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Motor zu bocken begann wie ein irischer Esel.

      Am Fuß des O’Brien Towers stand ein langhaariges irisches Mädchen und spielte auf einer richtigen Harfe für die Touristen. Zunächst sträubte sich alles in ihm dagegen, aber er hatte ja auch Urlaub und wollte sich - wie alle anderen Herumstehenden - von den weichen, melancholischen Klängen einlullen lassen.

      Moiras länglich-weißes Gesicht im Profil, umrahmt von dünnem schwarzen, halblangem Haar; die schmalen dunklen Brauen über den Augen leicht zusammengekniffen. Scharfer Seewind trieb rötliche Flecken auf die hellen Wangen, und beim Anblick ihrer spröden Lippen hatte er den Eindruck, als würde die darüberleckende Zunge diese aufreißen und blutig scharten.

      Hinter Moiras zerzausten Haaren die von den hohen Klippen aufsteigenden Möwen und Papageientaucher. Das Geschrei der Seevögel, der Klang der Harfe und das stärker werdende Brausen des Windes ... und davor Moiras klares Profil unter diesem nahen Himmel. So würde er die Szene später in verklärter Erinnerung behalten.

      Welch ein Glück, dass er keine Kamera dabei hatte!

      Dann, als sie sich vorsichtig über den Rand der rauen Felsen beugten und ehrfurchtsvoll in die gischtschäumende Tiefe starrten, rückte sie ganz dicht an ihn heran und sagte: »Jetzt küss mich.« Nicht verschämt geflüstert, nein, mit klarem, eindeutigem Verlangen, ohne jede Koketterie.

      Auf der Rückfahrt ließ sie ihn dann den Wagen fahren, und bevor er sie vor Claire’s Restaurant absetzte, verabredeten sie für den nächsten Tag eine Wanderung zur Aillwee-Cave-Höhle.

      Voller Unruhe verbrachte er den Abend vor dem Kamin, vielleicht auf ein leises Klopfen an einem der rückwärtigen Fenster des Cottages hoffend. Aber am Ende kroch