Название | Sammelband 7 Krimis: Tuch und Tod und sechs andere Thriller auf 1000 Seiten |
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Автор произведения | Alfred Bekker |
Жанр | Зарубежные детективы |
Серия | |
Издательство | Зарубежные детективы |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783745204469 |
So wie sie jetzt ist, kann ich die doch niemandem mehr anbieten. Gerade bei der derzeitigen Situation auf dem Wohnungsmarkt. Die Mieten fallen nämlich, und da wird es immer schwieriger, auf seinen Schnitt zu kommen.“ Fernholz schien sich seinen gesammelten Frust einfach mal von der Seele reden zu müssen, dann aber Berringer versuchte das Gespräch behutsam auf ein ergiebigeres Terrain zu lenken. „Seit wann ist Gerndorf verschwunden?“
„Die Nachbarn sagen, sie hätten ihn seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen. Aber die Angaben widersprechen sich. Wissen Sie was das Dollste ist? Ich muss jetzt diesen ganzen Mist, der hier herumsteht, auch noch professionell einlagern. Auf der Lagermiete bleibe ich natürlich am Ende sitzen, ist doch klar. Sagen Sie mal ehrlich, finden Sie das gerecht?“
„Man sagt ja nicht umsonst, dass Justitia blind ist.“
„Aber so blind dürfte sie in einem entwickelten Land wie den unserem nicht sein!“ Er hielt inne. „Besser, ich sag nichts mehr. Die ganze Sache regt mich einfach zu sehr auf. Und bringt mich am Ende noch ins Grab.“
„Hat Gerndorf allein in der Wohnung gelebt?“
Fernholz schüttelte den Kopf und nahm seine Brille ab. Sie war beschlagen, wahrscheinlich, weil er so schwitzte. Er säuberte die Gläser mit dem Ärmel. „Nein, erst war eine Frau dabei. Die hat auch einigermaßen für Ordnung gesorgt, soweit ich das mitgekriegt hab. Danach ging es dann bergab mit Gerndorf.“
„Was heißt ›danach‹?“
„Nachdem sie sich getrennt haben. Muss recht lautstark gewesen sein, wenn man dem vertraut, was die Nachbarschaft so erzählt. Gerndorf hat ihr einen Koffer mit Klamotten hinterhergeworfen. Aus dem Fenster. Um ein Haar hätte der Postbote den abgekriegt.“
„Einen Namen wissen Sie nicht zufälligerweise?“
„Doch. Sie hieß Birgit Meyer.“
„Nee, das ist doch nicht wahr!“, stieß Berringer hervor.
„Doch. Meyer mit e. y. Ganz bestimmt!“
Berringer seufzte entnervt. „Haben Sie eine Ahnung, wie viele Frauen es gibt, die Birgt Meyer heißen?“ Dann wollte er wissen: „Wie alt war sie denn?“
„Deutlich jünger als Gerndorf. Anfang vierzig. Ich hab mich damals schon gefragt, wie es dieser unscheinbare Typ jemals schaffen konnte, eine relativ gut aussehende und nach meinem Eindruck auch einigermaßen kultivierte Frau für sich zu interessieren.“ Er zuckte mit den Schultern. „Offenbar hat sie recht schnell gemerkt, dass mit Gerndorf was nicht stimmt.“
„Die Adresse dieser Dame wissen Sie nicht zufällig?“
„Nein, tut mir leid. Aber Sie können sich ja mal in der Nachbarschaft umhören.
Nebenan wohnt eine gehbehinderte alte Frau, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als zu lauschen, wer wen auf dem Flur anschnauzt. Könnt ja sein, dass die noch irgendwelche Informationen für Sie hat. Andererseits können Sie mir glauben, dass ich schon Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hab, um endlich eine ladungsfähige Adresse von diesem Schmarotzer zu bekommen.“
„Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich hier in der Wohnung etwas umsehe? Und in den Sachen wühle, die schon im Lastwagen sind?“
„Sehen Sie nur zu, dass Sie die Packer nicht behindern, sodass mir hinterher nicht auch noch Mehrkosten entstehen!“
„Ich werde mir Mühe geben.“
„Gut.“
Berringer sah sich eingehend in der Wohnung um. Sie war schon ziemlich kahl und leer geräumt. Die Tapete löste sich an mehreren Stellen von der Wand. Ein paar Säcke mit Müll standen gegeneinander gelehnt da. Aber ob es sich wirklich um Müll handelte, sollte wohl der Entscheidung des Eigentümers überlassen bleiben, sodass das Zeug erst mal in einen teuer angemieteten Lagerraum wanderte. In einem der Säcke war vorwiegend Papier: Zeitschriften, Heftromane, Pornomagazine und ...
Berringer stutzte und langte tiefer in den Plastiksack.
„Ich würd aufpassen, bevor ich ohne Handschuhe da reingreife!“, rief Fernholz und musste sofort wieder keuchen.
Berringer zog einen Prospekt hervor, der für die Düsseldorfer BOOT warb.
„Sieh an“, sagte er. „Haben Sie gewusst, dass Gerndorf ein Segler war?“
„Der?“
Berringer kehrte zu Fernholz zurück und zeigte ihm den Prospekt. „Sehen Sie selbst.“
„Der Kerl hatte nie und nimmer ein Boot. Obwohl ... Wenn er die ganze Miete, die er mir schuldet, irgendwo gebunkert hat, könnt er’s sich vielleicht sogar leisten. Wer weiß, vielleicht schippert der Sauhund irgendwo an den Küsten der DomRep oder in der Adria rum, während so einer wie ich nicht weiß, wie er den Schaden hier bezahlen kann. Nee, bei dem würde mich gar nichts mehr wundern.“
„Vielleicht sehe ich ihn ja schon bald“, murmelte Berringer mehr zu sich selbst als an Fernholz gerichtet.
„Was meinen Sie?“
„Nichts.“
„Wenn Sie den Kerl finden ...“
„Sage ich Ihnen Bescheid.“
„Sie bekommen zehn Prozent von dem, was ich bei dem Kerl eintreiben kann, wenn Sie ihn auftreiben, Herr Berringer.“
„Nichts dagegen.“
Fernholz wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Freuen Sie sich nicht zu früh. Das wird wahrscheinlich gerade für ein Glas Altbier reichen.“
„Optimist!“
„Nein, gebranntes Kind.“
Berringer sah kurz die Sachen durch, die sich bereits auf der Ladefläche des Lastwagens befanden, entdeckte aber nichts, was ihn irgendwie weiterbringen konnte.
Anschließend klingelte er noch bei der Nachbarin, die Fernholz ihm als Informationsquelle empfohlen hatte. Sie wirkte erst sehr misstrauisch, aber nachdem Berringer den Namen des Vermieters erwähnte, ließ sie ihn ein und führte ihn in ihr ziemlich überladenes Wohnzimmer, dessen Einrichtung von klobigen Polstermöbeln geprägt war.
Krefelder Late Sixties Barock.
Bevor sie Berringer einen Platz anbot, hatte sie bereits zweimal darauf hingewiesen, dass sie bereits siebenundneunzig und eigentlich topfit sei, wenn sie nicht im letzten Jahr gestürzt wäre. „Seitdem benutze ich die Krücke, und das wird und wird einfach nicht mehr so, wie es mal war.“
„Herr Fernholz sagte, Sie wüssten über Ihren Nachbarn Bescheid – Matthias Gerndorf.“
„Ach, den. Haben Sie auch Ärger mit dem? In der letzten Zeit, als er noch hier lebte, da kam der Gerichtsvollzieher zwei Mal am Tag. Der Gerndorf hat einfach drauflos bestellt und dann wohl das Bezahlen vergessen. So was hat es früher nicht gegeben.
Da hat man gespart, bis man genug zusammen hatte, und sich dann erst gekauft, was man haben wollte. Als ich 1947, in der schweren Zeit, einen neuen Wintermantel brauchte, weil der alte vollkommen von Motten zerfressen war, da ...“ Berringer hörte nur mit halbem Ohr hin und bereute es schon, sich in einen der gepolsterten Ohrensessel gesetzt zu haben. Nun konnte er sich kaum so einfach wieder verdrücken. Höflich hörte er ihr eine Weile zu, während er zwischendurch verstohlen auf die Uhr sah und ein Gähnen unterdrückte.
Schließlich gelang es ihm, etwas einfließen zu lassen, die sich auf Gerndorf und seine Lebensgefährtin bezog. „Diese Birgit Meyer scheint doch ganz in Ordnung gewesen zu sein.“
„O