Название | Hausmittel |
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Автор произведения | Nina Naster |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347070134 |
Eigentlich will ich längst an den Schreibtisch zurück, aber er hört nicht auf und ich scheue mich davor, ihn zu unterbrechen. Ich finde es schwer genug, mich so viel erinnern zu müssen. Um dann alles aufschreiben zu können, den Versuch zu wagen, das Erlebte umzudeuten, es mit Sinn oder wenigstens mit Anfang und Ende zu versehen. Auf einmal höre ich ihn über Vertrauen reden. Er beklagt sich und wird lauter und wenn auch unsere Nachbarn gerade auf ihren Balkonen stehen sollten, werden sie ihn klarstellen hören können, dass das alles eine Frechheit ist. Ich höre ihn einige meiner aktuellen Lieblings-Worte wie „interstellare Monster“, „Zeitreisende“ und „Zwölfgesteinszauber“ in dem Ton benutzen, in dem er aus Kinderbüchern die Worte der Hexe vorliest.
Meine Augenbrauen recken sich nach oben. An diesem Morgen, als ich für uns und Frau Neubert einkaufen gewesen bin, muss er in meinen Manuskripten gelesen haben. Wortlos gehe ich an meinen Schreibtisch zurück und klappe den Laptop wieder auf. Dass es ihm leidtut, ruft er mir hinterher, dass er mich doch nur besser verstehen wollte. Ich kann mir denken, wie er nun überlegt, ob er sich entschuldigen soll oder verteidigen oder beides. Natürlich ist er mir in die Kammer gefolgt. Und bittet mich, zu erkennen, wie gestresst er ist. Ihm zu glauben, wie sehr er sich um mich sorgt. Dass er jetzt enttäuscht ist, weil ich an etwas anderem schreibe als er dachte und was wohl der Verlag dazu sagen würde, dass ich statt an der „Attentatsstory“ lieber an „Quatsch mit kleinen grünen Männchen“ arbeite. Und als ich noch immer nicht reagiere, sagt er mir, dass ich doch genau wissen müsste, dass er meinen Laptop nur aufgeklappt hat, weil er mich so liebt.
Durch das offene Fenster hören wir, wie draußen eine Autotür geschlossen wird. Dann ist sie wieder da, die dieser Stadt so fremde Stille. Etwa dreihundert Seiten habe ich fertig, vierhundertfünfzig sind geplant. Während das Leben weitergeht. Menschen werden geboren, Menschen sterben, Menschen fühlen sich unsterblich. Manche werden ihr Leben ändern, andere sich in Nostalgie flüchten. Michael wird sich entschuldigen.
Ganz unrecht hat er nicht. Der Verlag bezahlt mich nicht für Science-Fiction. Vielleicht war in dem Drang, in meinem Manuskript zu schnüffeln, auch Liebe enthalten. Vielleicht hätte ich den Spaß an meinem Kontrastprogramm-Text mit ihm teilen sollen. Vielleicht aber auch nicht. Jetzt höre ich ihn betteln und weinen. Ich tröste ihn, wir trösten uns.
Finn kommt in die Kammer. Als er uns Arm in Arm dastehen lässt, muss er schmunzeln. Auch ich grinse, als ich erkenne, dass er sich das Gesicht angemalt hat. Lauter farbige Striche auf Wangen, Nase und Stirn. In der Hand hält er ein Blatt Papier. Zwei große bunte Menschen, ein etwas kleinerer. Das wir das sind, erklärt er uns. „Und das?“, deutet Michael auf ein Tier. Vier Beine, eckige Ohren, langer Schwanz. „Eine Katze?“ Finn lacht und sieht mich an. „Ein Hund?“, rate ich. „Das bin ich.“, erklärt er uns mit seinem Gesicht voller bunter Linien.
Später kocht Michael Abendessen, zu dem wir uns zusammen an den Esstisch setzen und ohne dass der Fernseher läuft, was vielleicht einer der Gründe dafür ist, dass es Finn nicht schmeckt. Dessen Gesicht noch immer voller Striche ist, aus denen ich etwas zu erkennen versuche. Vielleicht hilft es mir, so zu tun, als wären auch diese Tage Alltag. Dabei weiß niemand von uns, wie oder wie lange. Auch die Nachbarn wissen es nicht und nicht mal die, die es unbedingt wissen wollen.
Natürlich werden uns diese Tage in Erinnerung bleiben, einigen wird es sogar das ganze Leben ruinieren. Möglicherweise werden wir es hassen, daran zurückzudenken. Und auch, wie oft wir das tun müssen. Als ich ins Bett gehe, ist von meinem Zorn Enttäuschung geblieben. Wieder höre ich Michael ein Fußballspiel gucken. Aber dann schlafe ich ein. Es beginnt nach Gebratenem zu riechen, nach Frittiertem, nach Zuckerwatte. Ein Platz, laute Musik, viele Menschen. Außen Tränen und innen Trost. Das Versprechen von etwas Riesigem, Wummernden. Ein Echo. Ich spüre meinen Herzschlag und die Körper von tausenden Menschen, die mich berühren und mitreißen. Denen ich vertraue.
zu Haus
wir streunen im Tag herum:
MahlzeitNAbendGuteNacht vor unseren kleinen Fenstern: tote Riesenräder und fast hätte der Spargel geblüht
wir streunen um den Tag herum
anlehnen an bandbreiten (und zurück)
auf der ganzen Welt
zu Haus
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