NADIA. Roman Spritzendorfer

Читать онлайн.
Название NADIA
Автор произведения Roman Spritzendorfer
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783347067554



Скачать книгу

in die Tiefe stürzen, war nur ein Teil dieser Vorsichtsmaßnahmen. Man wollte auch Plünderern den Zutritt verwehren. Berittenes Militär war angekommen. Die Soldaten übernahmen die Abschirmung. Einige Soldaten hatten auch hoch oben auf dem Bergrücken Stellung bezogen.

      Joseph dachte an die wichtigen Papiere, die sich noch im Postwaggon befanden. In dem herrschenden Chaos war es ihm bisher nicht möglich gewesen, diese Unterlagen zu suchen. Tara winkte ihm, als er wieder bei ihr vorbeikam. Sie erzählte ihm von dem Bündel, in dem sie viele wichtige Sachen eingewickelt hatte. Sie befand sich auf der Rückreise zu ihrem Stamm. In dem Bündel habe sie auch ein Schreiben des Gouverneurs versteckt. Ohne diesen Unterlagen würde sie niemals aufbrechen.

      Joseph ging zu dem jungen Leutnant, der das Kommando innehatte, stellte sich vor und verwies auf wichtige Unterlagen im Postwaggon sowie auf das Bündel der Indianerin, der niemand Beachtung schenkte. Er ersuchte zu den Trümmern des Zuges vordringen zu dürfen, um die erwähnten Sachen zu holen. Der Leutnant entgegnete, er selbst würde mitkommen. Joseph durchsuchte den Postwaggon, fand was er suchte und der Leutnant wollte zurück. Joseph erzählte ihm nun von der Indianerin, die unbeachtet auf einer Plane lag und ihrem Bündel. Darin würden sich Top-Secret Aufzeichnungen befinden, die möglicherweise auch für das Militär von Interesse wären. Die junge Dame war nach dem Besuch des Gouverneurs direkt zu ihrem Stamm unterwegs gewesen. Diese Aufzeichnungen sollten auf keinen Fall in falsche Hände geraten. Beide drangen zu dem Waggon vor. In einer Decke eingewickelt fanden sie den Ausweis und das Schreiben des Gouverneurs.

      Erstaunen bewirkte dieses Schreiben. Vielleicht war dieser Felssturz absichtlich herbeigeführt worden. Immerhin hatte der Überhang jahrelang gehalten. Möglicherweise war dieser Felsbrocken wenige Minuten vor Ankunft des Zuges gesprengt worden. Diese Gedanken kamen dem Leutnant. Ein Geheimnis einem unscheinbaren Wesen anzuvertrauen war eine risikoreiche aber keineswegs schlechte Idee gewesen. Diese Indianerin hatte ein Jahrhundert altes Wissen über Heilkräuter und ihrer Verwendung in einer verständlichen Sprache zum Gouverneur gebracht. Mehr durch Zufall war sie vorgelassen worden. Das Original wollte sie behalten. Nun war sie mit dem Zug auf dem Weg nach Hause. In dieser von Menschenhand gefertigten Schlucht war sie aufgehalten worden. Der Gouverneur hatte ihr versprochen, das aufgezeichnete Wissen prüfen zu lassen und den Armeeärzten zur Verfügung zu stellen. Darüber besaß sie ein Dokument. Sie konnte sich noch an eine Vielzahl von Personen erinnern, die bei der Audienz anwesend waren.

      Joseph riet dem Leutnant, während sie über die Trümmer kletterten, kurz bei der Indianerin vorzusprechen. Er soll ihr dieses Bündel persönlich bringen. Tara nahm dankbar das Bündel, überzeugte sich vom Inhalt, nannte ihren Namen und gab dem Leutnant ein Lederband. Sie hatte es um ihren Hals getragen. Im Band waren Knoten geknüpft. Die Bedeutung der Knoten zu erklären fehle es an Zeit. Einst würde es ihm aber weiterhelfen. Obwohl die Indianerkriege schon längst der Vergangenheit angehörten und nicht alle Stämme an einem Strang ziehen würden, einem Weißen, der dieses Band trägt, dem werden sie hohe Achtung zollen. Dann schieden sie.

      Der Leutnant gab seinen Kameraden den Befehl auf jeden zu schießen, der sich unerlaubter Weise den Trümmern des Zuges nähern würde. Viele Photographen und Presseleute waren neben jeglichem Gesindel und Schaulustigen eingetroffen.

      Sie hatten sich auch über den Höhenrücken genähert. Sie glaubten nicht den Zurufen der Soldaten, sich dem Zug fern zu halten, Folge leisten zu müssen.

      Schüsse in die Oberschenkel und Kniescheiben lehrten sie eines Besseren. Für die Presse war dies der Beweis eines Attentates. Ohne Details zu erforschen, kehrten sie dorthin zurück, von wo es ihnen möglich war, einen Bericht zu senden. In einer Sonderausgabe von New York Times wurde am selben Abend von diesem Zugunglück berichtet.

      Tara bedankte sich bei Joseph. Von ihr bekam er ein Messer, das in einer Lederscheide steckte, die über und über mit Zeichnungen versehen war. Deren Bedeutungen waren ihm aber fremd.

      »Danke, aber ich haben nichts beigetragen. Ich habe sie nur dorthin gebracht, wo der Boden mit weichem Gras bedeckt war. Somit lag die Plane nicht auf einem harten Untergrund. Später konnte ich mich nicht mehr um sie persönlich kümmern.«

      »Sie haben sehr viel beigetragen, allen Müttern und Kindern hierher zu helfen und ihnen den Weg zur Straße gezeigt. Als man Pferde brachte, haben sie ihnen geholfen die Pferde zu besteigen. Nicht alle hatten Vertrauen zu den Pferden.«

      Zwei Indianer waren mit einem dritten Pferd angekommen und näherten sich Tara. Das ehemals helle Hemd von Joseph war blutverschmiert und seine Uniformhose keineswegs sauber. Sein Haar hing ihm ins Gesicht und seine Erschöpfung konnte man ihn ansehen. Von einem ehemals gutgekleideten Bahnbeamten war nicht viel übriggeblieben. Dennoch entbehrte sein Anblick keineswegs einer schwer zu beschreibenden Würde. Das hatten auch die Pressephotographen empfunden und ihn vielfach abgelichtet. Tara war auf die Indianer zugegangen. Worüber sie sprachen konnte Joseph nicht verstehen. Aber ihr Gehaben deutete Joseph ihm gegenüber als eine wohlwollende Einstellung. Tara hob nochmals ihre Hand und ohne sich umzublicken ritt sie mit ihren Begleitern davon. Nur eine Viertelstunde später traf aus der Gegenrichtung ein Zug ein. Mit ihm folgte umfangreiches Erhebungspersonal und weitere Polizeieinheiten. Einige erklommen den Felsabhang und drangen zu jener Stelle vor, von der der Felsbrocken abgebrochen war. Nicht lange dauerte es und sie hatten Reste einer möglichen Explosion gefunden. Sie sicherten dieses Material und lobten die Umsicht des Leutnants, Menschen vom Zug fernzuhalten. Die Angeschossenen wurden in Gewahrsam genommen und verhört. Auch Joseph musste seine Wahrnehmungen zu Protokoll bringen. Die Untersuchungskommission ließ alle Gepäcksstücke, die man unter den gegebenen Umständen leicht entfernen konnte, mit Nummern versehen. Sie wurden in den angekommenen Zug verladen. Den Felsbrocken, der die Reparatur der Gleisanlagen verhinderte, wollte man unter Vorsichtsmaßnahmen sprengen.

      Dieses Vorhaben misslang. Diese eingeleisige Strecke blieb nun für die nächste Zeit, vielleicht auch für Wochen, unpassierbar. Der Tag neigte sich, die Dunkelheit nahm zu. Bewachung, zusammengesetzt aus Militär und Zivilpersonen verblieb.

      Der Hilfszug fuhr noch vor der totalen Dunkelheit zur nächsten Bahnstation zurück. Dorthin gelangte auch Joseph. Er verfertigte einen Bericht, fertigte sich eine Kopie an und ersuchte um Weiterleitung. Das Päckchen, das er aus dem Postwaggon gerettet hatte und die Kopie seines Berichtes behielt er bei sich. Dem Bericht hatte er auch seine Kündigung angeschlossen.

       Kapitel 2

      Er suchte sich ein Nachtquartier. Dieses fand er weit entfernt vom Bahnhof in einem ruhigen Viertel. Er war mit dem angebotenen Essen zufrieden und ging, angekleidet wie er war, zu Bett. Oftmals hatte er auf diesen gefährlichen Streckenabschnitt hingewiesen, der vor der Ausfahrt in die Prärie unter einem nicht gesprengten Überhang durchführte. Dies war aber nie in der Generaldirektion angekommen.

      Als er schon im Bett lag, hatte man ihn in allen Beherbergungen und Hotels dieser kleinen Stadt intensiv gesucht. Davon wusste er aber nichts. Man war seitens der Bahngesellschaft hinter dem kleinen Päckchen her, welches er aus dem Postwaggon entnommen hatte. Seine Zimmervermieterin wusste von dem Unglück. Sie dachte sich von Joseph, ein armer Teufel, der ohne Hab und Gut, mit dem Leben davongekommen war. Am anderen Morgen beim Frühstück schlug sie ihm vor, sein Hemd zu waschen.

      »Dagegen hätte ich nichts, aber außer diesem Hemd habe ich kein anderes und alle anderen Kleidungsstücke befinden sich noch in dem Waggon, aus dem ich nur mit Mühe entkommen bin.«

      »Ich könnte ihnen aus den Sachen meines verstorbenen Mannes aushelfen.«

      »Wenn sie das tatsächlich vorhaben, dann würde ich auch darum bitten, das Blut aus meiner Hose zu waschen. Wieviel soll ich ihnen dafür bezahlen?«

      »Das Bezahlen hat Zeit, sie scheinen mir ein ehrlicher Mann zu sein. Sie werden mir sicherlich nicht davonlaufen. Was möchten sie zum Mitttagessen? Bis zum Nachmittag werden ihre Sachen wieder trocken sein.«

      »Ihren Vorschlag werde ich annehmen, dennoch bekommen sie einen Vorschuss.«

      Er holte aus einem kleinen Bündel einige Dollarnoten und reichte sie der Dame.

      »Nein, das ist zu viel. Diese Geldsumme habe ich schon lange nicht gesehen. Ich lebe