NADIA. Roman Spritzendorfer

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Название NADIA
Автор произведения Roman Spritzendorfer
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783347067554



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sein Anliegen vor. Auch Joseph wollte ein Konto eröffnen. Es sollte auf Jo Roberts lauten. Er zeigte seinen Ausweis, der in Washington ausgestellt worden war. Im Foto war Joseph mit einem Cowboyhut und im Anzug eines Jägers abgelichtet. Sogleich eilte der Angestellte zu seinem Chef. Beim Durchblättern des Ausweises, fand der Chef auf der dritten Seite eine Telefonnummer in Maryland, die sehr klein gedruckt war. Da die Verbindung dauerte, hatte Sam die Kontoeröffnung schon hinter sich. Der Chef kam mit dem Ausweis zurück und Joseph stellte Sam als seinen Freund vor.

      »Über unsere heutige Begegnung müssen sie nichts erzählen.«

      erwähnte Joseph am Ende des kurzen Gespräches mit dem Chef. Er wollte aber noch ungestört telefonieren. Er wurde weitergeleitet und gelangte in einen Raum jenseits des Kundenportals. Joseph leitete die Daten von Sam an die Versicherung weiter. Man nannte ihm eine Summe von ungefähr zwölftausend Dollar. Ob diese Summe richtig wäre. Joseph stimmte zu. Als er wiederkam, war seine Miene wie immer. Sam war neugierig , das war zu erkennen.

      »Es sind keine zehntausend Dollar. Ich habe mich geirrt. Es sind - zwölf- dann nach einer Pause, -tausend Dollar.«

      Seine Miene blieb unverändert. Genauso gut hätte er sagen können, beim Zurückreiten wird es Regen geben.

      »Jetzt müssen wir aber zur Post, unsere Adresse nennen. Die Zeitung muss zugestellt werden. Auch meine alte, schwache Tante wird Interesse haben, wo ich mich befinde.«

      Sam folgte ihm. Die genannte Summe war grösser, als er in zehn Jahren verdienen würde. Er atmete schwer. Joseph ließ ihn gewähren. Sam war ein ehrlicher, kleiner Farmer. Nach durchgestandener Angst und den gemeinsamen Abenteuern, musste er ihm eine Verschnaufpause gönnen.

      Bei der Post wollte man die genaue Adresse haben. Dort gäbe es keine bituminierte Straße, bekam der Beamte zu hören. Aber der Zusteller würde die Farm schon finden. Nach Querung eines Waldstücks kommt eine Mixed-grass-Prärie in der Richtung zu den Bergen. Dorthin führe ein Karrenweg. Bei einer Weggabelung stehen hohe Bäume. Die sind nicht zu übersehen. Den linken Weg einschlagen und bald erkennt man beim Näherkommen eine uralte Eiche neben einem Brunnentrog. Dieser Trog führt immer frisches Wasser. Ein beliebter Treffpunkt für alle, die durch die Prärie zu den Bergen wollen.

      Diese Anschrift wollte der Beamte nicht akzeptieren. Joseph ließ sich nicht abwimmeln. Er verlangte den Chef zu sprechen.

      Dort zeigte er seinen Ausweis und meinte seine alte Tante hätte das Recht, ihn zu finden. Das bewirkte Beflissenheit.

      »Wir werden ihre Tante nicht desillusionieren.«

      Joseph bedankte sich für das Verständnis und Sam bestellte die Zeitung. Als sie wieder auf der Straße waren, meinte Joseph, sie sollten bei Anne-Marie vorbeischauen.

      »Überlege dir, was du ihr erzählen wirst. Nenne die Postzustellung und die Eröffnung eines kleinen Kontos, das dir bei der Verwaltung der Farm und den Abgaben hilfreich sein soll. Vielleicht hat sie bereits ein Konto bei einer der beiden Banken. Eine regelmäßige Geldüberweisung ist einfacher als immer wieder die Stadt wegen eines kleinen Betrages aufzusuchen. Jim kann trotzdem auf Besuch kommen. Überlege dir auch, was du mit der Summe anfangen wirst. Und vor allem bleib wie du bist. Alle Spuren kann man ohnehin nicht verwischen. Vorsicht ist dennoch angesagt. Noch etwas, ich muss bei dir ein Pferd abarbeiten. Es ist ein Grund mehr, weshalb du mit meiner Gesellschaft zurechtkommen musst.

       Kapitel 7

      Sam begann zu lachen und Joseph stimmte darin ein. Ein Glück, die Anspannung löst sich allmählich, dachte sich Joseph. Völlig überrascht öffnete Anne-Marie die Tür. Sie wurden eingelassen. Herzlich begrüßte sie Sam. Joseph bekam nun die innige Verbundenheit der beiden zu sehen. Ob sie mit einfachem Kaffee und Kuchen zufrieden wären, war ihr das besondere Anliegen. Die Zustimmung bereitete ihr Freude. Viel gab es zu erzählen. Auf ihre Frage, wie sich Joseph nun bei der geänderten Tätigkeit auf der Farm anstellen würde, konnte Joseph folgendes vernehmen:

      »Wenn es in Zukunft nicht schlechter werden würde, könnte er zufrieden sein.«

      Das amüsierte beide.

      »Auf einer Farm arbeiten zu lernen, das können nur wenige.« kam der Kommentar von Anne-Marie. Sam kam nach einiger Zeit auf sein Anliegen zu sprechen, weshalb er gekommen war. Ob er die monatlichen Zahlungen auf ein Konto überweisen könnte.

      »Das habe ich mir schon lange gewünscht, aber nicht getraut darnach zu fragen.«

      Sam bekam die Kontodaten und bald darauf verabschiedeten sie sich. Jim würde auch weiterhin kommen. Relativ schweigend und in Gedanken versunken ritten sie zur Farm. Wird Joseph bei mir bleiben, oder wird die Tante einen neuen Auftrag an Joseph übermitteln? Diese Gedanken quälten Sam. In Joseph hatte er einen Gefährten gefunden, den er Zeit seines Lebens gesucht hatte. Schade, daß ihn seine Frau nicht kennenlernen durfte. Sie war vor zwei Jahren verstorben. Bei der Farm angekommen, freuten sich beide auf das Abendessen. Der Tag war lang und ereignisreich gewesen.

      Sam musste sich gedulden und abwarten, was die Zukunft bringen würde. Joseph war wieder derjenige, den Jim eingestellt hatte und das von Sam anerkannt worden war. Joseph schlief wieder im Stall. Es schien ihm nicht zu stören. Jim war der Vorarbeiter, der die tägliche Arbeit einteilte, die auch Joseph ausführte. Als die erste Zeitung zugestellt wurde, holte Joseph Jim. Jim hatte sie bestellt. Das sollte der Postbote auch weitererzählen. Doch eine Woche später kam Post für Joseph White. Joseph holte Jim und Jim musste die Übernahme bestätigen.

      »Kann der neue Mitarbeiter lesen?« fragte der Zusteller.

      »Ich kann ihm behilflich sein.«versicherte Jim.

      Lange vorher hatte Joseph die beiden vorbereitet. Ein Postbediensteter erzählt den Nachbarn Neuigkeiten. Ein Farmer, der sich die Zeitung bestellt, das fällt auf und lenkt die Neugierde auf diese Farm. Wenn nun dort jemand, der nur einfache Handgriffe versteht, lesen kann, das wäre ungeeignet, unentdeckt zu bleiben. Postlagernd konnten die Berichte der Tante ohnehin nicht zugestellt werden. Geschickte Leute, die die Post zu öffnen verstehen, gibt es überall. Auch eine Codierung wäre kein absoluter Schutz. Vor allem, wenn es Personen gab, die mit Dechiffrierung vertraut waren und genügend Zeit hatten, sich damit zu beschäftigen. Am Nachmittag bekam Joseph seinen Brief. Die Kontrolle bestätigte, der Brief war auf dem schnellstmöglichen Weg zugestellt worden. Das an der Innenseite angebrachte Siegel war unzerstört geblieben. Er begann zu Dechiffrieren. Der Inhalt erschütterte Joseph.

      „Sofort zu den Sioux aufbrechen. Die Decken, die für den Winter geliefert werden, sind mit Cholerabakterien verseucht. Sofort verbrennen.“

      So fand ihn Sam, als er mit der Dechiffrierung fertig war. Das entsetzte Gesicht war ihm nicht entgangen.

      »Wie lange dauert es bis zu den Sioux?«

      »Zwei Tagesritte auf einem guten Pferd, warum?«

      Joseph teilte ihm die Nachricht mit.

      »Wenn sie sich in diese Decken einhüllen, bleiben nur wenige am Leben. Die Decken müssen sofort verbrannt werden. Das werden die Indianer nicht verstehen. Die Lieferanten müssten sofort getötet werden.«

      »Wann ist die Nachricht gekommen?«

      »Zu Mittag mit der Post in einem dicken Umschlag. Ich habe einen Marschbefehl bekommen. Ich bin der Nächste und nicht allzu weit von den Sioux entfernt. Andere Kameraden werden nachkommen. Man vertraut auf meine Geschicklichkeit und meinen Mut. Vielleicht werden die Decken unter dem Schutz des Militärs geliefert.«

      »Ich werde dich begleiten.« versicherte Sam.

      »Vielleicht ist dies meine letzte gute Tat. Ich kenne den Häuptling persönlich. Ein Indianer soll uns begleiten.

      Das könnte unsere Glaubwürdigkeit erhöhen. Getraust du dich mit Suwakan zu reiten?«

      »Ist dieses das Indianerpferd?« fragte Joseph. Sam nickte.

      »Der Indianer wird zwei andere von der Weide in der Nähe holen. Wir nehmen nur das Notwendigste. Jeder von uns eine Winchester, genügend Munition, kaltes Fleisch und Wasser.