Название | Pfad der Jäger |
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Автор произведения | Sylwester Dr. Minko |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347099043 |
Die Pfeife duftet. Von unten kommt betörende Musik, Stimmen … Er hat die Tür offen gelassen. Liv steht plötzlich auf, doch bevor sie einen Schritt machen kann, ergreift er ihre Hand und setzt sie auf seinen Schoß. Sie will sich befreien und die geahnte erotische Aggression stoppen. Das Geräusch von leisen Schritten zwingt Gerry, seinen Griff zu lockern.
„Kein Koitus, dennoch interruptus“, sagt er so laut, als hätte er gewollt, dass das Mädchen am Zimmereingang ihn hört.
„Ich suche dich überall“, sagt das Mädchen, und ignoriert Livs Anwesenheit. „Das Eis für den Whiskey fehlt. Was wollen wir nun tun?“
Liv war verwirrt. Sie hatte am Oberschenkel ein brennendes Gefühl genau an der Stelle, wo ihr Kleid den Oberschenkel berührte. Vor dem Abschied hatte sich der Gastgeber zu der an einem breiten Sofa sitzenden „Mercedes-Gruppe“ gesetzt. Vor aller Augen hatte er seine Hand auf ihr Knie gelegt. „Wie ein Löwe über die erjagte Antilope“, so hieß es in der vorgestern gesehenen Dokumentation über Wildkatzen. Sie nahm diese „Pfote“ und legte sie auf die lederne Lehne, nachdem sie ihre Fingernägel in sie gekrallt hatte. Warum hatte diese Berührung ein angenehmes Glühen hinterlassen? War wirklich ein Funke von seiner Hand auf die ihre übergesprungen, als sie ihm ihre Hand zum Abschied reichte? In der Ecke des Wagens horchte sie auf das langweilige Gerede von Edward, ihrem ewigen Verehrer. Ihr Mann saß aufrecht neben dem Wagenlenker. Sie fuhren zurück nach Hause.
Sie spielte zur Begrüßung noch mit der Hündin, als Thomas anfing sie auszuziehen.
„Du sollst den Pelz lassen.“ Sanft, jedoch bestimmend lenkte sie sein Interesse nach unten. Sie streichelte gebeugt die springende Hündin, während er sie eilig kniend entkleidete. Instinktiv genoss sie seine schweigende Eifersucht. Sie spürte seinen beschleunigten Atem auf ihrem Nacken, als er sie zum Tisch drängte. Gleich, auf die Ellenbogen gestützt, unterwarf sie sich seinem Tätscheln. Sie war betrunken und plötzlich, als sie an den anderen dachte, spürte sie, dass sie dieses Lächeln auf ihrem Gesicht haben musste, das ihn so köstlich reizte. Sie wollte ihm ihr Gesicht zeigen, drehte sich um und stürzte ihn aus dem Sattel. Sie lachte kurz, als er hektisch versuchte, seinen Griff zu verstärken.
„Denk nicht an ihn“, hörte sie seine raue Stimme, die Stimme eines Betrunkenen.
„Wunderbar“, flüsterte sie, den Kopf in der Dunkelheit verloren, spürte den Pelz kitzelnd an ihrer Wange. Endlich war Thomas der Mann, der er sein sollte.
„Es geht nichts über Eifersucht“, dachte sie und nahm ihn wieder mit dem Aufstöhnen des Vergnügens an.
Vier Jahre waren seit ihrer Hochzeit vergangen, doch ihre gemeinsame „Initiation“ lag bereits zehn Jahre zurück. Es waren Jahre voller Sex, Angst und Neugier; so konnte sie jetzt ihre Gefühlszustände aus dieser naiven Zeit beschreiben, der Zeit der Ausschweifungen. Es war zuerst Sex der Berührungen, die Begegnung der bekleideten, heißen Oberschenkel eines auf der Bank sitzenden Paares. Des beschleunigten Atmens und der schmerzhaften Anwesenheit des Unterleibes, während des scheinbar unschuldigen Tanzes in einer Diskothek, schließlich der Erfahrung der neugierigen Zunge beim Küssen.
Liv war noch die Olivia aus der vorletzten Stufe des Gymnasiums, als Thomas (er war immer der Thomas) begonnen hatte, sie ins Kino zu begleiten. Die Dunkelheit des Kinosaals war viel aufregender als die Anwesenheit dieser Schatten auf dem weißen Bildschirm. Die Küsse und die beim Einschlafen aufdringliche Neugier, was kommen würde … Was würde demnächst geschehen?
Die gemeinsame Zeit am Strand, plötzliches Erstarren auf dem Sand, selbst das Herauspflücken ihrer Brüste aus dem BH während des Küssens reichten nicht mehr. Eines Abends, bei Abwesenheit ihrer Mutter, standen sie sich nackt gegenüber, wie Modelle in der Kunsthochschule. Sie hatten vereinbart, dass sie sich ohne Kleider zeigen und dass es dabei zu keiner Annäherung kommen würde. Sie wusste eigentlich nicht, warum es nicht dazu kommen sollte, doch sie wusste, dass sie vor Scham sterben würde. Und es kam tatsächlich zu nichts. Sie standen nebeneinander, Thomas zitterte wie ein Rekrut vor dem ärztlichen Auswahlausschuss, sie sah Gänsehaut auf ihren Brüsten und spürte, dass ihr Herz tiefer als sonst pulsierte; schließlich senkte sie ihren Blick und betrachtete lange seine erhobene Männlichkeit; dann berührte sie diese und flüchtete mit einem nervösen Lachen ins Bad. Das war das kindische erste Mal.
Sie verloren sich aus den Augen. Er begann ein Studium in Berlin und eines Tages begegneten sie sich zufällig auf der Straße. Er – ein vielversprechender Schriftsteller, sie eine Praktikantin. Ein überraschendes Gemeinsamkeitsgefühl. Vielleicht verlangte das nicht Abgeschlossene nach Fortsetzung, und sie trafen sich öfter.
Sie war in dieser Beziehung die Bestimmende. Sie verfügte, wo und wann sie sich verabredeten. Bei einem Treffen im Park Friedrichshain setzte sie sich auf seine Knie und überraschte ihn mit einem leidenschaftlichen, tiefen Kuss. Sie lachte und mit überraschendem Kennerattest sagte sie: „Du küsst so ungeschickt.“ Bald sollte sich zeigen, dass sie die Erfahrenere war. Als sie endlich bei ihm zu Hause war, erfuhr er von ihr, dass es ihr erstes Mal sein würde. Sie erzählte ihm nichts über die Ängste und die Alpträume, die ihr ihre Großmutter, die sie großgezogen hatte, eingeimpft hatte. Sie gab nicht zu, dass er vielleicht deshalb der Auserwählte war, weil sie schon einmal dieses schreckliche Ding berührt hatte. Dafür gab es im Pyjama ihrer Großmutter diesen Schlitz, damit der göttliche Akt der Befruchtung ohne überflüssige Berührung der Körper stattfinden konnte. Jaja, dieses Mädchen, das beim Rock’n’Roll den Jungen beim Tanzen mit beiden Beinen umklammerte, war eine Jungfrau.
Der Alptraum dieser Begegnung zog sich lang in die Nacht hinein.
„Es wird nichts daraus“, sagte sie scheinbar gleichmütig nach zwei Stunden der vergeblichen Mühe und zog sich wieder an.
„Wie soll es auch, wenn du ständig zurückweichst?“, beklagte er sich hilflos. Ihre Schreie – „Nein!“ –, das Gezerre, ihre Rückzüge, als er sie gerade erreichen sollte. Ein Alptraum, das männliche Verzweifeln und Erlahmen …
Davon wurde sie schnell von einem bekannten, zwei Meter großen Basketballspieler geheilt.
„Was nein?“, fragte er, als sie leise quiekte, sich unter ihm beruhigte und die Befreiung vom jungfräulichen Komplex genoss. Er hielt sie fest am Nacken und bewegte sich hartnäckig, ohne auf ihr leises Miauen und ihre Bitten Rücksicht zu nehmen. Das, was dieser Junge mit ihr in einer schrecklich sachlichen und herrlich brutalen Weise tat, war genau das, was sie brauchte.
Wie konnte man erklären, dass sie, als sie Thomas erneut begegnete, einen gemeinsamen Ausflug nach Potsdam vorschlug? Dass es nun mit Thomas ernst wurde? Vielleicht, um den gemeinen Basketballer, der sie wie ein Gänserich sein langhalsiges Weibchen am Nacken festhielt, zu demütigen und ihn endgültig aus ihrem Leben zu vertreiben.
Der erste, demütigende, grausame Abend in Potsdam, wo sie ihm erzählt, dass sie schon zur Frau geworden ist. Ganz präzise, mit allen Einzelheiten wie. Bis er sie wütend und ermüdet vom langen begehrlichen Warten aufs Bett wirft und ihre Unterwäsche zerreißt. Jedes Mal, wenn sie erregt ist und es nicht geht, sieht sie diese Szene immer wieder vor ihren inneren Augen.
Wie kann es sein, dass sie bestimmen und sich gleichzeitig übermannen lassen will? Eines davon reicht ihr nicht. Der Basketballer wird aus ihrem Gedächtnis ausradiert und Thomas kommt zurück, wie er eigentlich ist. Er wird sanft, voller Komplexe – und langweilig. Wie dieser eheliche Sex nach der Dusche an den ungeraden Tagen. Thomas ist systematisch in jedem Aspekt des Lebens, so wie das Leben eben ist. Und so wie im Leben, kommt es zu dieser Party im neuen Haus von Gerry.
Drei Tage später ist sie wieder dort.
„Einem Mann seine Telefonnummer zu geben, ist wie den Schlüpfer auszuziehen“, sagte er nach einer weiteren Liebesannäherung, als sie ihn fragte, warum er sich so sicher war.
„Du kanntest doch Thomas’ Telefonnummer.“
„Deshalb