Oceanside Affairs. Alexandra B. Schopnie

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Название Oceanside Affairs
Автор произведения Alexandra B. Schopnie
Жанр Контркультура
Серия
Издательство Контркультура
Год выпуска 0
isbn 9783347107748



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      © 2020 Alexandra B. Schopnie

      Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

      ISBN

Paperback978-3-347-10772-4
Hardcover978-3-347-10773-1
e-Book978-3-347-10774-8

      Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.5

      Was du glaubst, über dich selbst zu wissen, ist nicht mehr als eine Idee des Menschen, der du sein könntest. Was du jedoch glaubst, über eine andere Person zu wissen, ist noch sehr viel weniger als das. Ein Fan zu sein, bedeutet, das Herz dem Unbekannten zu öffnen. Es bedeutet Treue und Loyalität dem Fremden gegenüber und den gezielten Einsatz der Fantasie, um die Fremde zu überbrücken. Fans lieben, hassen und hoffen. Im Nachteil sind diejenigen, die an echte Menschen glauben, an solche, die Fehler machen, Entscheidungen treffen und sich verändern können – sie stellen ihre Fans mitunter auf die Probe.

       1

      Den Heimweg von Leas geräumiger Single-Wohnung im Stadtkern würde Maddie auch mit verbundenen Augen finden. Sie hatte die Wahl zwischen Bus, Fußweg oder Fahrrad und obwohl das Wetter an diesem Oktobertag zwischen grau und mies schwankte, hatte sie sich für das gelbe Fahrrad entschieden, das ihre Eltern ihr zum Studienbeginn geschenkt hatten. Sie liebte es, obwohl der dritte Gang manchmal klemmte und das Licht nur einen dürftigen, wackeligen Kegel warf.

      Ein Abend mit Lea bedeutete meist folgendes: Zwei Folgen Oceanside Murders, ein Bier. Und dann ab nach Hause. Das klang nicht besonders spannend, doch ein Serienabend war zwischen dem Ausarbeiten neuer Unterrichtsstunden immer eine willkommene Abwechslung. Ganz besonders, wenn man dabei zu einer Pizza hervorragend die Seele baumeln lassen und einem hübschen Macho-Detective hinterherschmachten konnte.

      Der Regen fiel nicht stark, dafür stetig und hing an den Nähten ihres blauen Regenponchos, tropfte in Rinnsalen auf ihre Knie und Handgelenke. An guten Tagen brauchte sie 13 Minuten, an schlechten 17. Heute war ein mittlerer Tag. Nach einer Viertelstunde betrat Maddie den Hausflur und streifte sich das nasse Stück Plastik ab.

      Ziel des Heimwegs von Madeline Valentina García war eine Drei-Zimmer-Wohnung in einer ruhigen Mehrfamilienhausgegend abseits des Zentrums von Portland, Oregon. Es war eine nette Gegend mit vielen jungen Paaren und Familien. Das war wohl auch der Gedanke, den Pete und Maddie hatten, als sie hier einzogen: hier könnte man gut wohnen und müsste nicht gleich umziehen, falls in den kommenden Jahren ein kleiner Pete oder eine kleine Maddie heranwüchse. Sie waren Beide 27 geworden und Pete schien der Gedanke an ein Baby keine Angst zu machen, obwohl sich ihre Beziehung ziemlich schnell entwickelt hatte. Mit dem Studium waren sie beide im letzten Jahr fertig geworden. Es kam Maddie manchmal vor, als wäre es schon ewig her, dass sie das letzte Mal über den Campus der Portland State University gelaufen war. Seitdem hatte sich vieles verändert, stellte sie mit einem Blick in den dunklen Hausflur fest.

      Gedankenverloren faltete sie den Poncho zusammen und stieg die Treppen hoch in den zweiten Stock. Die Handgriffe saßen, sie brauchte kein Licht zu machen, um das Schlüsselloch der Wohnungstür zu finden. Die hässlichen, wasserfesten Turnschuhe mussten draußen bleiben. Vermutlich lag Pete schon im Bett. Jemand, der fleißig ist, darf auch gut schlafen – das hatte ihr Papa immer gesagt, bevor er wegen seiner Lunge früh in Rente gehen musste.

      Mit leisen Schritten huschte Maddie in den kleinen Raum neben ihrem Schlafzimmer, der von Pete nur „die Bastelküche“ genannt wurde. Abgesehen von ein paar Kartons, einem Koffer und der Deckenlampe hatten Maddies Dinge das kleine Zimmer annektiert. Ihr schmaler Schreibtisch stand vor dem Fenster, um das sich Bücherregale rankten. Die schönen, wichtigen Bücher wie Harry Potter oder Der Name des Windes hatten es ins Wohnzimmer geschafft, sodass hier die Nachschlagewerke aus Studium und Kochwelt, sowie solche Bücher, die man nicht mehr las, aber nicht verschenken mochte, ihren Platz gefunden hatten.

      Dazwischen hatten sich Kartons gequetscht, in denen Erinnerungen lagen, darunter ihr Cheerleader-Kostüm aus der High-School oder Postkarten aus fernen Ländern, die Maddie nie selbst besucht hatte.

      Maddie ließ sich auf den Bürostuhl fallen, klappte ihren Laptop auf. Die Websites, die sie gestern Abend geöffnet hatte, waren noch offen. Ein Forum, in welchem sie Ihre Fan-Geschichten über ihre derzeitige Lieblingsserie Oceanside Murders veröffentlichte, eine Seite mit Salsa-Musik in Dauerschleife und Twitter. Maddie klickte auf den Tab mit dem kleinen blauen Vogel und versteifte sich. 218 neue Benachrichtigungen. Sie starrte auf die kleine Zahl, die als blaue Bubble in ihrem Menü erschien. 218 Benachrichtigungen glichen einer Explosion ihres Accounts. Und schon ertönte ein leises Pling, das auf 219 erhöhte.

      Mit nervösen Händen machte Maddie sich auf die Suche nach der Ursache und scrollte in der Benachrichtigungsliste nach unten. Offenbar hatte ihr letzter Tweet viele (und zwar wirklich viele) Menschen erreicht, über 1.500 genau genommen. Wo kamen die ganzen Leser plötzlich her? Eine Antwort auf diese Frage erhielt sie durch Lesen der ersten, unscheinbaren Benachrichtigung: „Chase Anderson folgt dir jetzt auf Twitter“ und die Tatsache, dass er ihren Beitrag geteilt und kommentiert hatte.

       Von @mads_v_g

      Ich frage mich wirklich, warum Chase in #OceansideMurders immerzu Cargo-Hosen trägt. Jeans wären eine willkommene Abwechslung! Vielleicht sollte man/frau eine Petition klarmachen.

      Mit großen Augen las Maddie, was er darauf geantwortet hatte:

       Von @Chase_Anderson_for_real

      Liebe @mads_v_g, du brauchst keine Petition einzureichen. Der Grund dafür ist, dass unser zuständiges Garderoben-Team glaubt, die Cargo-Hosen würden besser zu meiner Po-Form passen. Ich sehe mal, ob ich da was machen kann. Grüße, Chase Anderson

      Pling.

      Pling.

      Pling.

      Eine kurze Weile starrte Maddie noch auf den Kommentar von dem australischen Schauspieler, den sie eben noch im Fernseher oben ohne am Strand bewundert hatte und der jetzt offenbar ihrem Account folgte.

      Chase Anderson war, gemeinsam mit Stef Martinez, das Herz der amerikanischen Actionserie Oceanside Murders. Die beiden spielten zwei Detectives, die im schönen amerikanischen Küstenort Oceanside Morde und sonstige Verbrechen aufklärten. Dass die Serie sich zu Maddies Lieblingsserie gemausert hatte, lag vor allem an Chase Anderson. Der attraktive Australier mit dem dunklen Haar und den himmelblauen Augen hatte es ihr angetan und deshalb war das, was hier gerade passierte, ziemlich abgefahren.

      Sie begann, die Fakten zu recherchieren: war das eine Marketing-Offensive? Folgte er vielen weiblichen Fans, um die Gefolgschaft etwas anzukurbeln? Nein, sah nicht danach aus. Während er nur knappe 400 Leute abonnierte, folgten ihm weit über eine Millionen Menschen. Was waren seine letzten Tweets? Etwas über Klimawandel, über die Dreharbeiten, ein Aufruf einem Freund beim Sammeln für Charity-Aktionen zu helfen und ein Foto von sich beim Boxen.

      Maddie atmete tief aus. Konnte es sein, dass sie eine Ausnahme war? Einer von wenigen Fans, denen er zurückfolgte? Und wenn ja, warum? Ihr Twitterverhalten war stinklangweilig! Sie kommentierte die neuen Folgen der Serie und schrieb manchmal etwas über ihren Alltag als Grundschullehrerin. Und hatte er sich durch ihr Twitter-Profil geklickt und festgestellt, dass sie öfter über ihn schrieb, als er es eigentlich wissen sollte? War er das überhaupt hinter seinem Account? War er ein echter Mensch, der auch hinter dem Fernseher existierte? Klar, bestimmt. Jemand wie er war aber nicht dafür gedacht, plötzlich real zu werden.

      Aus einer Kurzschlussreaktion