Todesstrafe - Der zweite Fall für Schmalenbeck und Paulsen. Brigitte Krächan

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Название Todesstrafe - Der zweite Fall für Schmalenbeck und Paulsen
Автор произведения Brigitte Krächan
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783347097117



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Detail wollte er von mir wissen. Im Gerichtssaal habe ich sie dann wiedergesehen. Ich konnte nichts dafür, aber ich schämte mich, als der Kerl, der jetzt da drinnen liegt, freigesprochen wurde. Wir konnten es ihm einfach nicht beweisen. Damals nicht. Ich hätte nicht gedacht, dass er einmal bei mir auf dem Tisch liegen würde. Lange genug gedauert hat es ja.“

      Während Paule zustimmend nickte, schüttelte Ulli den Kopf.

      „Du verurteilst jemanden, der freigesprochen wurde.“

      Oskar bückte sich nach der Zigarettenkippe und hob sie auf. „Nicht schuldig aus Mangel an Beweisen. Du wirst niemanden im Präsidium finden, der an seine Unschuld glaubte“, Oskar warf Paule einen kurzen Blick zu, „aber egal. Du hast natürlich recht: Jetzt ist er ein Mordopfer wie jedes andere, und es ist unsere Aufgabe, seinen Mörder zu finden.“

      ***

      Ulli hatte die Präsidiumssitzung erst für dreizehn Uhr angesetzt. Oskar hatte versprochen, bis dahin den vollständigen Obduktionsbericht vorzulegen.

      Als Ulli und Paule das Präsidium betraten, kam ihnen Kai entgegen. „Wir haben den Pizzadienst ausfindig machen können. Auf dem Handy des Opfers war die Nummer gespeichert. Sie wussten sogar noch, wen sie am Donnerstagabend in die Torstraße geschickt hatten. Gut sortiert, der Laden. Er heißt Stefan Hoff, Student. Ordentlich angemeldet als Mini-Jobber. Wohnhaft in Wilhelmsburg. Er wird gleich hier sein. Ich mache mich jetzt auf den Weg in die Torstraße, gestern habe ich nicht mit allen Nachbarn gesprochen. Bei dem schönen Wetter waren die meisten unterwegs. Ich frage auch nach Überwachungskameras und nach Autos, die dort normalerweise nichts verloren haben. Ist nicht direkt eine Durchgangsstraße. Emma geht mit Walter den alten Fall Kömen durch, Dirk stellt die Reaktionen auf den Artikel vom letzten Donnerstag zusammen. Wir sehen uns dann in der Sitzung.“

      Wenigstens Kai schien den Fall genauso ernst zu nehmen wie jeden anderen Mordfall.

      „Der war damals noch nicht in der Mannschaft“, kommentierte Paule, als hätte er Ullis Gedanken erraten.

      Stefan Hoff fand sich wenige Minuten später im KK3, dem Kriminalkommissariat 3 des LKA, ein. „Ich habe mein Fahrrad direkt vor dem Eingang abgestellt. Ich vermute, bei euch kommt nichts weg“, sagte er und lehnte den Kaffee, den Ulli ihm anbot, ab. „Aus den Fernsehkrimis weiß ich, dass der Kaffee bei der Mordkommission grausig schmeckt“, meinte er grinsend. „Ihr Kollege sagte, ich könnte Ihnen helfen. Ich müsse als Zeuge bei einem Gewaltverbrechen aussagen“, fügte er ernster hinzu.

      Ulli nickte und musterte den jungen Mann, der in verblichenen Jeans und blauem Polo-Shirt vor ihr saß und ihren Blick lässig erwiderte.

      „Sind Sie damit einverstanden, dass ich unser Gespräch aufzeichne?“, fragte sie und legte das Smartphone auf den Tisch.

      Stefan Hoff nickte. „Klar doch.“

      „Mein Kollege berichtete mir, dass Sie am Donnerstagabend für den Pizza-Dienst Venezia eine Lieferung in die Torstraße 17 brachten“, begann Ulli.

      Der Student nickte abermals. Ohne Zögern begann er zu erzählen:

      „Ja, zu Tieck. Muss so gegen zwanzig Uhr gewesen sein. Die Nachrichten im Ersten fingen gerade an. Herr Tieck hatte seinen Fernsehapparat ziemlich laut gestellt. Ich konnte die Erkennungsmelodie der Nachrichten bis zur Tür hören.“

      „Ist Ihnen etwas aufgefallen, als Sie die Pizza lieferten?“

      Stefan Hoff zuckte mit den Schultern. „Der Mann bestellte öfter bei uns. Wir haben feste Liefergebiete, so dass ich meistens in die Torstraße liefere. Immer Pizza oder Nudeln. Mochte wohl keine Salate.“

      „Kannten Sie Herrn Tieck näher? Hat er vielleicht einmal für mehr als eine Person bestellt?“, wollte Paule wissen.

      „Näher kennen wäre übertrieben. Ich kann mit dem Namen ein Gesicht verbinden. Aber es kam nie zu einem persönlichen Gespräch, wenn Sie so etwas meinen. Im Gegenteil. Er hatte das Geld immer schon abgezählt in der Hand, wenn er mir die Tür öffnete. Rundete ziemlich großzügig auf. Ich lieferte das Essen, nahm das Geld, wünschte ihm noch einen schönen Abend und war wieder weg. Eigentlich der ideale Kunde. Wissen Sie, nichts ist schlimmer als Kunden, die dich hineinbitten, erst noch umständlich ihr Portemonnaie suchen und dich dann ewig in Smalltalk verwickeln. Wir sind immer in Eile. Die anderen Kunden warten, und sie wollen auch eine heiße Pizza. Und nein, ich kann mich nicht erinnern, dass er einmal mehr als eine Portion geordert hätte. Aber ich weiß nicht, ob er alleine lebte oder einmal Besuch hatte. Wie gesagt, ich bin nie weiter als bis zur Haustür gekommen.“

      „Ist Ihnen an diesem Abend etwas Besonderes aufgefallen?“, fragte Ulli.

      Stefan Hoff dachte nach und schüttelte dann den Kopf. „Nein, alles war wie immer.“

      „War Herr Tieck vielleicht ungewöhnlich nervös? Oder hatten Sie den Eindruck, es war sonst noch jemand im Haus?“

      „Sie meinen, sein Mörder war schon da? Ich glaube, so etwas wäre mir aufgefallen. Auf jeden Fall schien er nicht aufgeregt oder ängstlich. Und nach Besuch sah es auch nicht aus. Man stellt doch den Fernseher nicht so laut, wenn man Besuch hat und sich unterhalten will. Ich habe lange überlegt, aber ich kann mich auch beim besten Willen nicht mehr erinnern, ob da ein Auto geparkt war. Also direkt vor dem Haus mit Bestimmtheit nicht, da habe ich mit dem PizzaFord gehalten.“

      „Und auf dem Weg zur Torstraße? Ist Ihnen da etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Ein parkendes Auto vielleicht, in dem jemand saß?“, hakte Ulli nach.

      Stefan Hoff schüttelte bedauernd den Kopf. „Ich kann mich wirklich nicht erinnern. Ich achte auf so etwas nicht. Ich ahnte ja nicht, dass ich in einem Mordfall aussagen muss.“

      „Und Sie selbst haben den ganzen Abend gearbeitet? Wann genau hatten Sie Feierabend?“, fragte Paule.

      Stefan Hoff schaute den Kommissar freundlich an. „Das war jetzt wohl die Frage nach dem Alibi. Ich habe mir schon gedacht, dass Sie das fragen. Ich bin von der Torstraße zurück zur Pizzeria. Hat etwas länger gedauert als sonst, weil ziemlich viel Verkehr war. Ich habe vom Auto aus mit meiner Freundin telefoniert, die wird Ihnen das bestätigen. Die letzte Pizzabestellung habe ich um Viertel nach zehn übernommen, also zweiundzwanzig Uhr fünfzehn, und direkt ausgeliefert. Zum Campingplatz Buchholz in Stellingen. Dann bin ich wieder zurück und habe abgerechnet. Kurz nach zwölf war ich zuhause in Wilhelmsburg. Sie können bei meiner Freundin nachfragen, wir wohnen zusammen.“

      Stefan Hoff hatte einen Zettel mit den Telefonnummern seines Chefs und seiner Freundin schon vorbereitet und gab ihn Paule. Er versprach, noch einmal durch die Torstraße zu fahren und auszuprobieren, ob er sich vielleicht doch an etwas Ungewöhnliches erinnern konnte. Danach verabschiedete er sich.

      „Ich finde, unser Kaffee ist weitaus besser als sein Ruf“, meinte Paule, als die beiden Kommissare mit ihren Kaffeetassen Ullis Büro betraten. „Als Zeuge war unser junger Freund verdächtig gut vorbereitet.“

      Ulli gab Paule recht: „Aber kannst du ihn dir als kaltblütigen Mörder vorstellen? Obwohl er zweifelsohne die Gelegenheit dazu gehabt hätte. Ihm scheint noch nicht einmal der Gedanke gekommen zu sein, dass wir ihn verdächtigen könnten. Entweder, er ist ein hervorragender Schauspieler, oder er hat tatsächlich nichts mit dem Mord zu tun. Trotzdem soll sich Kai seinen Hintergrund noch einmal gründlich ansehen. Vielleicht taucht doch ein Motiv auf.“

      Das Team hatte sich um den langen Konferenztisch versammelt. Hauptkommissar Walter Schmitz, der Leiter des zweiten Ermittlungsteams des LKA, nickte Ulli ernst zu. Er war Ullis Bitte zur Teilnahme an dieser Sitzung gefolgt, um über den alten Mordfall Karin Kömen zu berichten. Ulli erwiderte Walters Nicken und wollte beginnen, als sich die Tür zum Besprechungsraum öffnete.

      Sebastian Eisler schob sich in den Raum.

      „Darf ich dazukommen?“

      Sebastian Eisler war im Januar von Berlin zum LKA Hamburg gekommen und arbeitete als zweiter Kommissar in Walter Schmitz‘ Ermittlungsteam. Ulli mochte die engagierte und gewissenhafte Art des neuen Kollegen. Sie hatten bisher einige Male am Kaffeeautomaten