Название | Ende offen |
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Автор произведения | Peter Strauß |
Жанр | Зарубежная публицистика |
Серия | |
Издательство | Зарубежная публицистика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347020290 |
Da auch die Anhäufung von Vermögen und die Entwicklung großer Konzerne eine Machtanhäufung beinhalten, sollte auch bei Vermögen und Firmen ein ungebremstes Wachsen verhindert werden. Kein einzelner Bürger und auch kein Konzern sollte so viel Macht besitzen, dass er eine Großbank ruinieren, ein Staatssystem gefährden oder eine Finanzkrise auslösen kann. Macht in dieser Größenordnung sollte immer einer demokratischen Kontrolle unterliegen. Am Ende betreffen die Folgen das Volk (beispielsweise wenn systemrelevante Banken gerettet werden müssen) und deshalb sollte die Entscheidungsgewalt darüber auch beim Volk liegen.
Am Anfang des Kapitels hatte ich beschrieben, dass es vor der Entwicklung von Besitz und Sesshaftigkeit keine Möglichkeiten zu Vermögensbildung und Machtanhäufung gab. Die begrenzten Möglichkeiten verhinderten, dass unser beständiges Vorwärtsstreben negative Auswüchse zeitigen konnte. In unserer heutigen Gesellschaftsstruktur brauchen wir Menschen Begrenzungen, die unserem Streben nach Mehr entgegenwirken, um zerstörerische Machtanhäufungen zu verhindern. Ein solcher Mechanismus ist die Besteuerung von institutionellen und privaten Vermögen.
In Bezug auf Unternehmen muss das differenziert betrachtet werden: Die Arbeit mancher Großunternehmen kann nicht sinnvoll durch kleinere Betriebe übernommen werden. Beispielsweise ist es unsinnig, mehrere parallele Postunternehmen oder Eisenbahnnetze zu betreiben, weil eine redundante Infrastruktur hohe Kosten erzeugt. Optimal für den globalen Nutzen wäre hingegen ein weltweites Verkehrskonzept, denn jede Schnittstelle frisst einen Teil des Nutzens des Transports wieder auf. Ebenso frage ich mich in Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung, worin der Vorteil liegen soll, dass es mehrere Kassen gibt, die um die Kunden konkurrieren. Weiterhin müssen manche Firmen eine gewisse Größe haben, um sinnvoll arbeiten zu können, z. B. Firmen, die komplexe Produkte wie Flugzeuge entwickeln. Unternehmen wie Google, Ebay oder Facebook werden für ihre Kunden erst durch ihre Größe nützlich. „Der Nutzen eines Netzwerks steigt mit der Anzahl der User überproportional an, und das Netzwerk mit den meisten Usern setzt sich durch. Digitalen Plattformen ist die Tendenz zum Monopol inhärent, diese führt zu schneller Konzentration.“112 Es hat keinen Sinn, mehrere konkurrierende Suchdienste, Online-Auktionshäuser, oder soziale Netzwerke zu schaffen, um Monopole zu verhindern. Ebenso hat es wenig Sinn, sie in länderbezogene Niederlassungen zu zerlegen. Diese Unternehmen erhalten ihren Nutzen für die Bürger daraus, dass alle Menschen Kunden bei einem einzigen Unternehmen sind. „Diese Oligarchen der Netzwerkökonomie übernehmen die Funktion öffentlicher Institutionen, gewährleisten die Grundversorgung mit Information und Kommunikation und agieren doch als gewinnorientierte private Unternehmen.“113 Eine Kontrolle dieser Unternehmen wird infolge ihrer Marktmacht mit zunehmender Größe und Internationalität immer schwieriger. Es ist nötig, sie unter staatliche Kontrolle zu stellen, um den Missbrauch für Einzelinteressen zu verhindern, und es ist berechtigt, da es sich dabei um Infrastruktur handelt. Wieso sollte man damit nicht so verfahren wie mit Autobahnnetzen, Post- oder Eisenbahnunternehmen? Wir können nicht Konzerne mit der Begründung durch ihre Nützlichkeit nach der Weltherrschaft streben lassen. Der Schutz der Bürger hat Vorrang vor einem möglichen Nutzen und eine staatliche Kontrolle würde den derzeitigen Nutzen nicht zwangsläufig schmälern. Die Frage, wie man die Bediensteten der Staatskonzerne dazu bewegen kann, stärker im Kundeninteresse zu denken und zu handeln, ist damit noch nicht beantwortet.
Für die Macht von Staaten und Staatenbündnissen gibt es keinen vergleichbaren Mechanismus zur Machtbegrenzung wie eine Vermögensbesteuerung. Die Macht von Regierenden kann nur durch Widerstand des Volkes begrenzt werden.
Auch Mechanismen, die Machtanhäufungen begünstigen, müssen abgeschafft werden. Daraus ergibt sich direkt die Forderung nach einer scharfen und vollständigen Trennung von Politik und Wirtschaft, dem vollständigen Verbot von Parteispenden und von Lobbyarbeit im Parlament sowie der Verhinderung von Korruption, denn dadurch können die Machtinhaber ihren Einfluss ohne Nutzen für die Allgemeinheit ausbauen. Macht zieht Korruption an. Mächtige Personen sind für eine Bestechung interessanter als weniger mächtige. Daher könnte man Macht in vielen Fällen auch auf mehrere Personen verteilen. Das reduziert ebenfalls negative Folgen, denn wer nach Macht strebt, hat sie gerne für sich alleine. Wenn die Struktur das Gegenteil erzwingt, wird dieser Posten für die Machthungrigen weniger interessant.
Wir sollten als Menschheit nach Möglichkeit auf Macht und Einfluss verzichten, denn es fällt uns schwer, damit verantwortungsvoll umzugehen. Allgemein formuliert, ergibt sich, dass wir unsere Gesellschaftsstrukturen an die Veränderungen unseres Zusammenlebens seit der Steinzeit anpassen müssen. Dies könnte kurzfristig durch bewusste, demokratisch beschlossene Veränderungen bewirkt werden, wenn wir unser System so korrigieren, dass weniger Machthäufungen entstehen können und deren Auswirkungen durch entsprechende Gegenkräfte abgemildert werden. Da sich heutige Machtanhäufungen immer in finanziellem Vermögen darstellen, ist der wesentliche Punkt die Reduzierung der weltweiten finanziellen Ungleichheit. Darauf gehe ich in Kapitel 3.8 detaillierter ein.
Wir Menschen sind es, die durch das Tolerieren der Strukturen die Möglichkeit schaffen, von genau denen regiert zu werden, denen wir am wenigsten vertrauen. Je weniger wir an Macht glauben, desto weniger wird es Machtstrukturen geben. Je weniger Hierarchien eine Gesellschaft hat, desto weniger Ungleichverteilung und Ausbeutung wird es geben. Wenn wir die Gesellschaftsstrukturen nicht entsprechend korrigieren, wird die Evolution das Problem langfristig ohnehin lösen – aber dies kann unser Aussterben zur Folge haben.
Das Online-Rollenspiel World of Warcraft als Beispiel
Das Multiplayer-Online-Rollenspiel World of Warcraft ist eine große abgeschlossene Welt. Es weist einige Parallelen zu unserer Welt auf – interessant sind aber die Unterschiede. Obwohl das Spiel seit über zehn Jahren existiert, gibt es dort kein Äquivalent zu den Superreichen und Diktatoren unserer Welt. Wäre das nicht so, so würde das Spiel nicht nur für die schwächeren Spieler langweilig, sondern auch für die Überlegenen, denn ein Spiel lebt ja davon, dass es Herausforderungen gibt.
Wie haben die Spieleentwickler das erreicht?
1. Im Spiel muss man seinen Charakter ausbilden und trainieren („leveln“), damit man auch die spannenderen und komplexeren Abenteuer durchspielen kann. Dies ist am Anfang relativ leicht und wird nach oben hin schwieriger. Weiterhin gibt es einen Maximallevel für die Grundfähigkeiten. Darüber hinaus kann man nur noch seine Ausrüstung verbessern und muss sich das hart erkämpfen. Das hält die Spieler auf einem mittleren Niveau zusammen.
2. Ab einem gewissen Niveau kommt man nur dann weiter, wenn man sich mit anderen zusammenschließt.
3. Dass die Herausforderungen über die Jahre mit jedem neuen Update wachsen, hat einen ausgleichenden Effekt, denn jeder ist unabhängig von seiner Erfahrung und Ausrüstung in der neuen Umgebung neu und muss neue Erfahrungen machen. Auch wer vorher einen guten Stand hatte, muss hier wieder teilweise von vorne beginnen.
4. Es gibt keine Form von Erbschaften. Zwar kann man anderen Spielern Waffen und Materialien verkaufen oder übertragen, aber die Erfahrung ist das Wichtigste im Spiel, und die ist nicht übertragbar.
5. Es gibt Zeitschriften, die Spielzüge erläutern und Hilfestellung geben. Es gibt also sogar ein Bildungssystem, das den weniger Findigen hilft, voranzukommen.
Zu 1.: In unserer Welt ist es genau umgekehrt: Aus den Slums der Welt kommt man besonders schwer heraus, und ab einem gewissen Vermögen vermehrt sich das Geld beinahe von selbst, weil man es mittels Konsum