"ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT. Peter Schöber

Читать онлайн.
Название "ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT
Автор произведения Peter Schöber
Жанр Афоризмы и цитаты
Серия
Издательство Афоризмы и цитаты
Год выпуска 0
isbn 9783347034402



Скачать книгу

Ausgangspunkt den Gemeindebegriff nehmen, wie er im Gemeinde- und Staatsrecht verankert ist. Sodann kann man die Gemeinde in die verschiedenen (besonderen) rechtlichen Sphären einteilen, um so zu einer vollständigen Theorie der Gemeinde im Sinne eines rechtlichen Gebildes zu kommen. Doch mit einer solchen Abstraktion würde man nach Hegel die moderne Gemeinde als ein lebendiges konkretes Ganzes nicht erfassen; ist sie doch auch ein politisches, administratives und ökonomisches Gebilde. Um nun die moderne Gemeinde als das zu erfassen, was sie ihrem Wesen nach ist, gilt es herausfinden, was ihr normatives, ihr sittliches Grundprinzip, ihre „Idee “, ist. Ihre Idee würde nach Hegel in der Freiheit vom und in der Freiheit im Staat, kurz, in der kommunalen Selbstverwaltung bestehen. Das Walten dieser sittlichen Idee muss jedoch im Einzelnen im Gemeinde- und Verfassungsrecht, im Wissen und der Gesinnung der Bürger und in der Wirklichkeit der Gemeinde, also im Handeln des Gemeindevorstandes, der Verwaltung, der Bürger nachgewiesen und begrifflich dargestellt werden. Darüber hinaus ist die Idee der Gemeinde im Verhältnis einer Gemeinde zu anderen, im Gemeindewesen des modernen Staates überhaupt und in der Geschichte von Gemeinde und Staat ebenfalls zu verfolgen und begrifflich darzustellen. Zu einer solchen philosophischen Theoriebildung müssen, wie erwähnt, die Ergebnisse der „abstrakten“ Gemeindewissenschaften einbezogen und „aufgehoben“, in dem Sinne, dass sie „negiert“, „bewahrt“ und „erhöht“ werden. Die philosophische Theorie der teilweise autonomen Gemeinde stellt diese nicht nur als eine Wirklichkeit dar, sondern sie beweist auch, dass sie im modernen Staat notwendig und vernünftig ist.

      37Um z. B. zum Begriff der christlichen Religion zu gelangen, bedarf es empirischer und vergleichender Forschungen zu den einzelnen Religionen. Durch Abstraktion wird dann ein allgemeiner Religionsbegriff und in weiteren Schritten der Begriff der christlichen Religion gewonnen. Ein Schritt darüber hinaus wäre dann derjenige hin zu dem subjektiven (und zugleich objektiven), also zum spekulativen Begriff der christliche Religion, der das, was, die christliche Religion ihrem Wesen nach und damit das ausmacht, was alle christlichen Gemeinden und ihre Mitglieder vereinigt. In einem weiteren Schritt gilt es, die Idee der christlichen Religion als eine Einheit von Glaubensprinzipien und ihrer Objektivierung und Verwirklichung in der Welt zu verfolgen und begrifflich darzustellen. Das betrifft die Riten, die normativen Ordnungen (z. B. das Kirchenrecht), die Organisation (z. B. die Kirche), die einzelnen Gemeinden und schließlich das religiöse Leben des Einzelnen. Erkennen lassen muss nach Hegel diese Darstellung der Idee der christlichen Religion, dass sie ein notwendiges und vernünftiges Moment der Wirklichkeit im modernen Staat ist, obwohl Staat und Religion voneinander getrennt sind.

      38Der Geist bildet, wie sich Hegel verstehen lässt, jeweils den theoretischen Bezugsrahmen, den gemeinsamen Gegenstand, der einzelnen Geisteswissenschaften, die sich innerhalb desselben entfalten müssen.

      39Der theoretisch-spekulative Begriff ist demnach, wie erwähnt, mit dem Begriff, der nach Hegel den Gegenstand bewegt, identisch. Er ist demnach nicht der Begriff, der von außen durch Abstraktion gewonnen wird, also im Sinne einer „abstrakten Allgemeinheit“ oder einer „allgemeinen Vorstellung“. Aber als ein tätiges, dem Gegenstand, den Dingen, innewohnendes Prinzip ist er nach Hegel auch nicht, wie schon bemerkt, dem natürlichen Sprachgebrauch völlig fremd.

      40Nach Hegel bestimmt der Gegenstand die Methode und die Kategorien, durch die, bzw. in denen er erkannt wird. Die Kategorien müssen dem Gegenstand angemessen, dürfen also nicht nur subjektiv und willkürlich, sein. Was die Methode betrifft, um das herauszufinden, was der Gegenstand in Wahrheit ist, dazu als Beispiel folgende sehr grobe Skizze: Im frühfeudalen Grundeigentum waren die unmittelbaren Produzenten, die für den freien Grundherrn (und Krieger) eine Grundrente erarbeiten und erwirtschaften mussten, Leibeigene. Dies war noch ein Zustand relativer gesellschaftlicher Unterschiedslosigkeit (Undifferenziertheit), der jedoch einen Widerspruch enthielt. Denn die unmittelbaren Produzenten, die leibeigenen Knechte, wurden von den Priestern der sich entwickelnden Kirche im christlichen Glauben sozialisiert, nach dem, Hegel zufolge, jeder Mensch als ein solcher frei ist. Und dieser Glaube stand im Widerspruch zur Leibeigenschaft. Die Freiheit, die das Christentum lehrte, versprachen die teils von geistlichen, teils von weltlichen Herren gegründeten und von ihnen sodann verwalteten Städte. In den Städten, in die viele Leibeigene strömten und sie wachsen ließen, bildete sich ein freies Stadtbürgertum in Gestalt vor allem von Handwerkern und ihren Vereinigungen, den Zünften, heraus, und alsbald befreiten sich die Städte von ihren Herren und gaben sich eine eigene Verfassung und Regierung. Geboren war damit die relativ autonome Stadt des Mittelalters, die eine Vorgängerin des modernen Staates werden sollte. Kurz, es war ein wirklicher Unterschied von Stadt und Land eingetreten, der begrifflich auch dementsprechend entfaltet werden muss. Doch das Gebiet, das Stadt und Land einschloss, entwickelte sich in der Folge zum Territorialstaat als ein Teil des formal übergeordneten Reiches. Damit wurde den Städten wieder die Autonomie genommen. Dieser Einbuße an Gemeindefreiheit stand eine größere Sicherheit und damit Freiheit für den Einzelnen innerhalb der entstandenen Staatsgebiete und des Reichsgebiets gegenüber, und in den Städten konnten sich, infolge einer Vereinheitlichung von Recht und Geldwesen, der Handel weit über die Stadt und ihre Umgebung hinaus ausdehnen, wodurch die Voraussetzung für große Handelsbetriebe und (ihre) Manufakturen geschaffen wurde und sich damit ein neues mächtiges Stadtbürgertum herausbilden konnte. Doch Städte und ihre Bürger, mehr noch, die arbeitende Landbevölkerung, unterlagen dem absoluten Staat oder der absoluten Monarchie in der neueren Zeit. Der Begriff der Freiheit im sich herausbildenden neuen Bürgertums verlangte zu seiner Verwirklichung einen weiteren Schritt, und zwar hin zum modernen Staat und seiner differenzierten Verfassung (Gewaltengliederung), in der die Stadtgemeinden teilweise autonom sind und mit dem ihnen übergeordneten Staat aber eine, wenn auch widersprüchliche Einheit bilden. Der Differenzierungsprozess, der in den relativ einfachen Verhältnissen des frühen Mittelalters begann, denen es an Freiheit mangelte, hat schließlich zum modernen, freiheitlichen Staat als einem Ganzen geführt, der in jenen einfachen Verhältnissen nur der Möglichkeit nach vorhanden war. Die hier am Beispiel der (deutschen) Geschichte nur grob vorgeführte „dialektische Methode“ ist idealistisch oder spiritualistisch, indem sie von der Idee, vom Geist der Freiheit ausgeht, ebenso könnte sie materialistisch sein, indem dieselbe Geschichte, so bei K. Marx, von den Produktionsverhältnissen, gefasst in den Kategorien der Politischen Ökonomie, ausgeht. Bevor der Gegenstand, z. B. die Geschichte, nach der dialektischen Methode „in seinem Begriff“, als theoretisch, dargestellt werden kann, muss der Wissenschaftler auf gründliche empirische und theoretische Studien zurückgreifen können, er muss geradezu in die Geschichte eingetaucht sein, denn sonst bliebe seine Darstellung nur eine subjektive, leere historische Konstruktion. - Erst der wissenschaftliche Apparat erschließe, so Jürgen Habermas, einen Gegenstand, von dessen Struktur man gleichwohl vorgängig etwas verstanden haben muss, sollen die gewählten Kategorien ihm nicht äußerlich bleiben. Dieser Zirkel sei nur in Anknüpfung an die natürliche Hermeneutik der sozialen Lebenswelt dialektisch durchzudenken. Ders., Analytische Wissenschaftstheorie und Dialektik, in: Theodor W. Adorno u. a., Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie, Neuwied 1969, S. 157 u. 158.

      41Nimmt man hierfür wieder als Beispiel die Entwicklung von Stadtgemeinde und Staat und sieht in ihr als vorantreibendes Prinzip den Begriff, das Prinzip der Freiheit am Werk, dann ist die rein begrifflich-theoretische Bearbeitung dieses Vorgangs dann vollendet, wenn sie die gewordene moderne Wirklichkeit, d. h. den modernen Staat und in ihm das durch die Staatsverfassung gewährleistete, teilweise autonome Gemeindewesen, erfasst hat. Die gewordene Wirklichkeit, z. B. eine solche der sittlichen Idee (für Hegel der moderne Staat), setzt also, ihm zufolge, dem Begreifen eine Schranke, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Wirklichkeit, so wie sie Hegel versteht, nicht neben ihrem Begriff, ihrer Theorie, steht, sondern in nichts anderem als in ihr zur Darstellung kommt.

      42Zum Beispiel hat nach Hegel der moderne Geist, nämlich der Geist der Freiheit, dann sein Ziel erreicht, wenn er sich in allen Sphären eines Staates sowie im ganzen Staatensystem verwirklicht und sich am Ende selbst begriffen hat, etwa in Gestalt der Hegelschen Rechts- und Staatsphilosophie.

      43 Nach Hegel ist also der Geist, der Wirklichkeiten hervorbringt, am Ende identisch mit dem Geist, der ihn erkennt.

      44 Wie der Geist, ausgehend vom