Название | Lilys Engelskostüm hat kaputte Flügel |
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Автор произведения | Hanna-Linn Hava |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347081451 |
Das war immer noch besser als vieles, was ich sonst so produzierte, wenn ich darauf konzentriert war, etwas anderes lieber nicht zu sagen.
„Ich auch!“, bestätigte Lotta.
„Wir passen wirklich gut zusammen!“, rief die kleine Luna. Sie schwitzte jetzt schon so stark, dass feuchte Löckchen an ihrer rosa Stirn klebten.
„Wir sind die L-Girls die auf Schokolade stehen!“
Ich wechselte einen raschen Blick mit Lotta.
Zum Glück bestätigte der ihre identisches Entsetzen. Wenn ich mich nicht völlig irrte, und ihre aufgerissenen Augen eigentlich signalisierten, dass sie dringend aufs Klo musste. Der Gesichtsausdruck von Entsetzen und heftigem Pinkeldrang lagen leider recht dicht beieinander.
In dem Moment legte Finn von hinten den Arm um mich. Ich zuckte nicht mal zusammen, so rasch hatte ich ihn bereits an seinem Geruch erkannt. Das war übrigens sein Glück. Sogar meinem eigenen Bruder hatte ich mal einen Zahn ausgeschlagen, als er mich ohne Vorwarnung von hinten anfasste. Zum Glück nur einen Milchzahn.
„Das könnt ihr vergessen, Mädels!“, sagte er. „Lily und ich haben schon ein eigenes Zimmer reserviert.“
Ich kicherte dann eben mal wieder dümmlich. Das hatte ich anscheinend schnell gelernt.
Mehr musste ich zum Glück aber auch nicht tun, dann war schon wieder der stets wachsame Lukas zur Stelle und sammelte Finn wieder zu den restlichen Penisträgern ein, die geschlossen zu ihrer Unterkunft geführt wurden.
Ich malte mit dem rechten Fußzeh fünf Mal ganz schnell ein winziges Gesicht und zählte drei Mal auf zehn, einmal in Blau, einmal in Türkis und einmal in Grün.
Lotta und Luna starrten mich beide an. Diesmal meinte ich Ehrfurcht in ihren Gesichtern zu erkennen.
„Kennt ihr euch etwa?“, fragte Luna ungläubig.
„Flüchtig“ sagte ich. Aber da war sie wieder, diese Leichtigkeit, die die letzten Schatten des Schwindels auflöste.
Und als ich meinen Rucksack auf das schmale, quietschende Bettgestell in dem engen, miefigen Zimmer pfefferte, sang ich irgendein Lied vor mich hin, von dem ich nicht einmal mehr wusste, dass ich es jemals gehört hatte. Natürlich hatte sogar ich das im Lauf der Jahre nebenbei als Allgemeinwissen aufgeschnappt: Verliebte verhielten sich sprichwörtlich dämlich. Nur hätte ich diese Diagnose niemals mir selbst gestellt. Weil ich mich zwar gewiss sehr oft sehr dämlich verhielt, aber nie irrational. Nach meinen eigenen Maßstäben jedenfalls. Und denen traute ich schon damals mehr als den euren.
Aber ich hätte es bis zu diesem Zeitpunkt absolut ausgeschlossen, mich zu verlieben. Was ich bisher davon erfahren hatte, war mir wenig reizvoll erschienen:
Ein Mensch war von einem anderen Menschen grundlos völlig besessen, verlor dabei jeden Bezug zur Realität und litt unendlich. Was bitte schön sollte daran attraktiv sein?
Sex hingegen war eine spannendere Option. Dabei schienen die Leute wirklich so richtig Spaß zu haben. Ich freute mich bereits darauf, endlich alt genug zu werden, um Sex zu haben, seit ich 8 Jahre alt war.
Als ich das in eben jenem Alter meiner Mutter freudig verkündete, reagierte sie mit einem gewissen Entsetzen. Nicht nur das. Meine Eltern beraumten eine Gesprächsrunde ein, in der sie mir sehr seltsame Fragen stellten. Das taten sie mit so vielen umständlichen Worten und hilflosen Blicken, dass ich ewig brauchte, um zu kapieren: Sie machten sich Sorgen, ich könnte versuchen, meinen Plan sofort in die Tat umzusetzen. Was ich hingegen sofort kapierte: Das Thema Sex war den Menschen offensichtlich extrem peinlich. Ich testete das noch einige Male, indem ich auf Familienfeiern die gesamte bemitleidenswerte Verwandtschaft danach befragte, wie oft sie im Monat Geschlechtsverkehr hätten und welche Praktiken sie dabei bevorzugten. Die Reaktionen waren so eindeutig, der Arger, den ich mir dadurch einhandelte, so gewaltig, dass die Sachlage sehr schnell eindeutig war: Aus irgendeinem Grund war das Thema Liebe ganz legitim, obwohl es so kompliziert, unangenehm und überflüssig war.
Und aus irgendeinem anderen Grund war das Thema Sex ein Tabu, obwohl es unkompliziert, erquicklich und dadurch ziemlich erstrebenswert schien.
Ab da verlor ich nie wieder öffentlich ein Wort darüber, obwohl ich für mich den einzig logischen Schluss zog: Ich würde mich in meinem Leben niemals verlieben aber unheimlich viel Sex haben.
Und auch heute noch finde ich, dass das kein schlechter Plan war. Aber heute weiß ich auch, dass es tatsächlich bedauernswerterweise nicht nach logischen Regeln abläuft, wenn Menschen aufeinandertreffen, die sich anziehend finden.
Letztendlich macht das ja genau den Reiz aus.
Und letztendlich musste ich in diesem Sommer vor zwei Jahren eines herausfinden: Ich funktionierte in bestimmten Bereichen genauso fehlerhaft wie normale Menschen auch. Und das war eine sehr ungewohnte Erfahrung.
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