Название | Keinen Schritt zurück! - The sad story of brave Maggy Stuart |
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Автор произведения | Florian Juterschnig |
Жанр | Учебная литература |
Серия | |
Издательство | Учебная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347151826 |
„Das kann ich dir nicht versprechen, aber“, sie wurde leiser, „die Zeichen stehen besser in letzter Zeit. Dieser Ort da an der Westfront hat die Leute munter werden lassen.“
Elisa rührte nachdenklich in ihrem Kaffee. „Ich war selbst dort. Es hätte nicht viel gefehlt, und die hätten uns auch eingekreist.“
„Psst, wir können jetzt nicht reden. Noch Kaffee? Wir setzen das ein anderes Mal fort.“ „Denkst du denn nicht selbst manchmal darüber nach?“
„Doch, natürlich, dann will ich wieder abwarten, aber … ich kann eben nicht vergessen.“ Lotte sprach plötzlich mit gedrückter Stimme.
„Schon wieder?“
Lotte nickte und wischte ihre Tränen fort, nahm einen Schluck aus der Tasse. „Du hast recht, Elisa, es muss passieren. Wir sprechen uns demnächst. Und ich glaube, du solltest unseren Onkel Roald wieder einmal besuchen.“
Sanfte Klaviermusik untermalte das Gerede der Offiziere, der Politiker, der bunten Festgemeinde, die an diesem frühen Morgen bei Sekt, Lachsröllchen und kleinen Butterkuchen im Innenhof von Schloss Warton zusammenstand und gespannt auf die Mädchen wartete.
Jene, die auf dem diesjährigen Staatsfeiertag der Akademie alle Ehre machen sollten. Von den vier Eliteschulen, die die Partei nach der Revolution eingerichtet hatte, galt Schloss Warton als die beste.
Trotzdem hatte in den vergangenen Jahren immer die Jungenschule den Zuschlag erhalten.
Entsprechend groß war die Spannung der alten Eliten.
Sie steckten alle in einer klug gewählten Kombination aus hellblauem Rock und gleicher Bluse mit cremefarbenen Aufschlägen, hellen Strümpfen und kurzen weißen Handschuhen, dazu noch ein rotes Schleifchen vor der Brust. Jede ein Köfferchen mit dem üblichen Uniformhemd und jenen politischen Denkschriften, die man ihnen in den letzten Tagen abverlangt hatte. Ob es sonderlich sinnvoll war, kleine Mädchen politische Dogmen schreiben zu lassen, schien hier niemanden zu beschäftigen. Nach all dem Drill waren sie die Helden des Tages. Der Direktor bat die Gäste, näher zu kommen.
„Ich darf um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Sie sehen die zweite Klasse unserer Einrichtung. Diese Mädchen sind um die zwölf Jahre alt, haben also schon fast zwei Jahre bester Erziehung und ein eisernes Training hinter sich.
Sie haben die Ehre, dieses Jahr den Nationalfeiertag zu besuchen, da sie mit Teamgeist, Selbstverantwortung und Mut in diesem Jahr nur so geglänzt haben. Sie haben neben politischen Stellungnahmen auch einen Tanz vorbereitet und einige Geschenke für unsere hohe Regierung angefertigt. Ein dreitägiges Kulturprogramm steht bevor, unter anderem ein Besuch beim hohen Staatspräsidenten und natürlich die obligatorische Teilnahme an der Parade.“ Applaus und anerkennende Worte folgten.
Dann kam, was Maggy durchaus hasste. „Ja, natürlich haben meine Eltern die Revolution unterstützt. Ja, ich heirate einmal einen Berufsoffizier. Nein, etwas anderes als die Partei gibt es für mich nicht.“ Nicht dass Maggy das nicht auch tatsächlich alles gut fand, aber sie hatte nie verstanden, wieso man immer so streng darauf achtete, keine anderen Meinungen auch nur irgendwie zu diskutieren. Der Versuch, der Fragerei zu entgehen und sich gemeinsam mit Anne ein wenig ins Abseits der Arkaden zu retten, wurde schnell von Schwester Edda unterbunden, die sie freundlich lächelnd zurück in die Menge drängte.
Kurze Zeit später war es dann endlich soweit. Maggy griff sich die Standarte, die Mädchen bildeten Zweierreihen und marschierten mit den mittlerweile reichlich betrunkenen Festgästen im Gefolge hinab zu der kleinen Bahnstation. Die anderen Schülerinnen winkten und jubelten von den Fenstern des Schlosses herunter und warfen Blumen, als sie durch das Tor zogen. Sogar die sonst reservierten Dorfbewohner waren auf der Straße und grüßten freundlich. Eine kleine grüne Verschub-Lok schnaufte heran, die gerade einmal drei alte Postwaggons hinter sich herzog. Morgen schon würde die Bahn in Strömstädt sein.
Dort wartete schon der festlich geschmückte Sonderzug mit all den anderen Ehrengästen. Am nächsten Nachmittag würden sie dann unter dem Jubel der Bevölkerung am Hauptbahnhof von Smarberg ankommen. Maggy war vollends ergriffen vor Spannung auf das kommende Abenteuer.
Elisa und Richard, voll damit beschäftigt, sich selbst von all dem Kummer abzulenken und die Ungewissheit zu ertränken, hatten jemanden vergessen, dessen Widerstandskraft sie erheblich überschätzt hatten. So wurde Elisa, nicht lange, nachdem sie Lotte getroffen hatte, gegen Mittag des Tages gemeinsam mit Richard auf das Kommissariat der Volkspolizei in der Masurenstraße zitiert. Aber nicht, weil sie mit den Uranen und später mit ihren Freunden grollend und mit Bierkrügen bewaffnet umhergezogen waren.
Es kam, weil sich jemand anderer früh morgens den Nussschnaps gegriffen hatte und, den Mantel schief zugeknöpft, stark hustend auf den Gemüsemarkt marschiert war. Dort auf ihren allgemeinen Zustand angesprochen, hatte Mutter Stuart dann wüst herumgeschimpft und nicht nur die Regierung angeprangert. Ein Gerangel entstand, und nach und nach flogen Handtaschen und Lebensmittelkarten.
So saß eine wütende, verzweifelte Mutter, die ununterbrochen von Krämpfen geschüttelt wurde, eingewickelt in eine Decke zwischen ihren beiden Kindern, die sich der Predigt eines alternden Polizeioffiziers stellen mussten.
„Nun, normalerweise kratzt so ein Auftritt am Hochverrat. Erregung öffentlichen Ärgernisses, Anstiftung zu öffentlicher Randale, Widerstand gegen die Staatsgewalt. Natürlich hat der Inspektor Nachsicht mit einer geschockten Kriegerwitwe. Die Frau ist zudem offensichtlich krank, aber das hat auch seine Grenzen.
Es ist in jedem Fall Sorge zu tragen, dass dies so nie wieder vorkommt. Von einem Soldaten und einem Parteimädchen sollte man eigentlich Besseres gewohnt sein.“
So trotteten die beiden mit ihrer sichtlich geknickten Mutter wieder in die kleine Wohnung im blauen Haus am Kapistranring 6 am Rande der Altstadt. Diese Strenge hatte ihnen deutlich gezeigt, wie wackelig und brüchig Anerkennung in diesen Tagen war. Und das von Leuten, die eigentlich noch im Warmen sitzen durften.
Von Parteigängern, Zivilpersonen oder gealterten Polizeioffizieren aus der Reserve. Die kämpften nicht wie ihr Vater an der Front und mussten sich den Schädel für diese Überzeugungen einschlagen lassen. Sie schoben nicht anstelle von Schule den ganzen Tag Wache vor Treibstofflagern wie Richard, stets vom Gedanken gedrückt, bald an die Front zu müssen. Auch waren sie nicht wie Elisa in einem Behelfskrankenhaus von Verletzten und Sterbenden umgeben, die der Oberarzt mit kühler Nüchternheit in behandelnswert und hoffnungslos einteilte.
Während die Mutter schlief, stand Elisa stundenlang am Fenster und träumte von ihrer Kindheit. Damals war die Revolution gerade zu Ende gegangen, und es ging aufwärts mit dem Land. Genug zu essen, Spaß und Spiel im Hof und das Gefühl, einer tollen Gemeinschaft anzugehören. Das waren die schönsten und prägendsten Erinnerungen. Es gab dunkle Flecken, über die sie nicht nachdenken wollte. Aber nichts hatte sie besser in Erinnerung als ihre Kindheit mit ihren Geschwistern und Freunden. Keine Kriege, keine Toten.
„Nun, Elisa, du meinst also, dass es jetzt ernsthaft Zeit ist, loszuschlagen?“
„Ich meine, dass sich jetzt etwas ändern muss. Und wenn wir es nur zeitweise schaffen, das Blutvergießen zu beenden.“
„Ich habe ja nie einen Hehl aus meiner Abneigung gegen diese hohen Herren gemacht. Sie haben mich aus dem Parlament verbannt, dem ich seit seiner Gründung angehört habe.
Man hat mich hier eingekerkert, meinen ganzen Tag auf Spaziergänge im Hof reduziert. Und trotzdem bin ich nicht, zumindest noch nicht, losgezogen, um sie alle in der Badewanne zu erdolchen.“
„Das will auch ich nicht! Recht, nicht Rache.“
Graf Roald vom Niederrhein nahm Elisas Sorgen mit seinem gewohnten Humor, schmunzelte, gab Tipps oder hörte einfach nur zu, zwischendurch schenkte er sich seinen geliebten Himbeertee ein.
„Erinnerst du dich noch, Mädchen, als du das erste Mal hier warst? Da musste ich dich noch ködern und aufziehen, bis du deine Akademiemädchen-Schauspielerei abgeworfen hast.“
„Aber