Pistengeier: Berlin Turbo #9. Glenn Stirling

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Название Pistengeier: Berlin Turbo #9
Автор произведения Glenn Stirling
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783745212624



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war. Jedenfalls hatte er hornige Pranken, das spürte Klaus bei der Begrüßung. Was Klaus aber sofort auffiel, war die Fahne von Bierdunst, die ihm bei der Begrüßung entgegenschlug.

      „Ist das der Zug da drüben?“, fragte Paul Rittlinger mit deutlichem Berliner Akzent, und er deutete auf den Magirus 360 M 19 und den Blumhardthänger dahinter.

      „Ja, das ist er“, brummte Klaus nur. „Hast du schon so einen Bock gefahren?“

      Rittlinger winkte ab.

      „Mein Gott, wenn ich die Kisten alle zählen müsste. Der Typ genau war nicht drunter, aber der 320er.“

      „Also gut“, meinte Klaus, „dann komm mal mit, dann sage ich noch ein paar Takte dazu. Kannst du denn sofort abkommen?“

      „Ja, ja, ich hole bloß schnell meine Klamotten. Das dauert höchstens eine halbe Stunde.“

      „Und hör mal“, meinte Klaus mahnend, „trink nichts mehr! Hast du schon viel intus?“

      „Zwei Mollen, mehr nicht“, behauptete Paul Rittlinger. „Ich müsste bloß eine Karre haben, die mich hinbringt.“

      „Zu deiner Wohnung?“

      Rittlinger nickte.

      „Ich regle das. In einer halben Stunde bist du da. Frag Kirchlechner, er kann dich fahren. Ich habe keinen Bock, meinen Wagen aus dem Schuppen zu ziehen.“

      Rittlinger war es zufrieden, verschwand im Büro, und kurz darauf fuhr Kirchlechner ihn selbst weg. Klaus hatte seinen Wagen fix und fertig zum Fahren, aufgetankt bis an den Rand, Öl nachgesehen, Filter gewechselt, auch den Luftfilter erneuert, alles war wieder bereit zur großen Fahrt. Einer der Auszubildenden, die bei Addi Piltz in der Werkstatt arbeiteten, prüfte noch die Luft vom Anhänger. Und als auch das alles geschehen war, kam Addi Piltz und sagte: „Hör mal, Cowboy, wir haben alles abgeschmiert, was abzuschmieren ist. Viel ist das ja heutzutage nicht mehr. Die Lichtanlage ist auch in Ordnung. Nun sieh zu, dass du die Kiste heil zurückbringst. Bevor du das nächste Mal startest, erneuern wir den Kotflügel hinten rechts. Das ist ja bloß noch ein Trümmerhaufen.“

      „Wenn du die Pisten siehst da unten und hörst, wie die Steine fliegen und gegen die Kotflügel donnern, Addi“, meinte Klaus, „dann wunderst du dich auch nicht, wie der Kotflügel nachher aussieht.“

      „Und die Reifen“, meinte Addi, „wechseln wir auch aus, wenn du das nächste Mal zurückkommst.“

      „Ich bin gespannt, ob der Bursche in einer halben Stunde wieder hier ist. Fünf Minuten davon sind schon vergangen“, meinte Klaus.

      „Sieh das nicht so eng! Leg dich was pennen oder komm mit rein, hier draußen ist es zu kalt. Wie warm habt ihr es denn da unten?“

      „Nachts ist es kalt, Addi“, sagte Klaus. „Am Tag schmilzt du so weg. Aber nachts um zwei und zwischen der Mittagshitze ist ein Unterschied von vierzig Grad. Da klappern dir die Zähne vor Kälte nachts.“

      „Du bist jung“, meinte der alte Werkstattmeister, „du wirst es überstehen. Hau dich in deine Koje und penn die halbe Stunde!“

      Es wurde mehr als eine halbe Stunde. Nach etwas über einer Stunde kam Kirchlechner endlich mit Paul Rittlinger an. Der hatte sich wohl auch umgezogen, trug jetzt Manchesterhosen, eine blousonartige Windjacke und ein kariertes Hemd. Auf dem Kopf trug er eine Kappe, wie sie im Winter bei der Bundeswehr üblich ist.

      Mein Gott, mit diesem Kopfschmuck wird er die Vopos richtig in Wallung bringen, dachte Klaus noch, dann sagte er: „Also gut, Paul, dann leg mal den Riemen auf die Orgel!“

      „Du meinst, ich sollte fahren?“

      „Ich dachte, du hättest Klasse zwei, oder hast du die nicht?“

      „Willst du den Führerschein sehen?“

      „Ich hoffe, dass Ralf ihn gesehen hat. Aber zeig ihn mir mal! Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“

      Der Führerschein war zehn Jahre alt.

      „Zufrieden?“, fragte Paul und grinste Klaus an.

      Dieses Grinsen, dachte Klaus, geht mir noch eines Tages auf den Keks. Und er sagte: „Nun heiz die Kiste an, dann schieben wir ab!“

      Er stieg auf der Beifahrerseite ein, klappte noch mal den Fahrtenschreiber auf und schrieb den Namen von Rittlinger drauf. Dann erst war Rittlinger eingestiegen, sah sich kurz suchend um, schob, ohne dass der Motor lief, die Gänge hin und her, dann startete er den Motor.

      Als der 360 PS starke Diesel losbrummte, sagte Klaus noch: „Du musst die Kupplung gut durchtreten.“

      Rittlinger hatte es gehört, nickte, und dann trat er doch nicht weit genug durch, und nach Einlegen des ersten Ganges gab es dann prompt einen Ruck.

      „Ich hatte gesagt, gut durchtreten!“, knurrte Klaus und war weit davon entfernt, sich entspannt in die Ecke zu lehnen.

      Dann fuhren sie los. Der Zug war voll beladen, aber gewichtsmäßig nicht bis zur Obergrenze. Diese Fertighäuser, die sie drauf hatten, waren nicht so schwer, dass die Gesamtladung zwanzig Tonnen überstieg.

      Paul fuhr an, als sei er zum Großen Preis vom Nürburgring aufgerufen.

      „Mensch, schieb doch nicht ab wie der Rettungswagen! Du musst das ruhiger sehen, wir kommen schon hin nach Marokko. Du bist nicht Röhrl, und das ist kein Sportwagen."

      „Nun mach dir nicht ins Hemd!“, knurrte Paul Rittlinger. „Der Motor ist etwas stärker als die, die ich gewohnt bin.“

      „Was hast du denn zuletzt gefahren?“, wollte Klaus misstrauisch wissen.

      „DB, 280 PS.“

      „Sattelzug?“, fragte Klaus.

      Rittlinger nickte und starrte verbissen nach vorn. Bei der nächsten Kreuzung ging es besser. An der Grenze zur DDR hatte er dann den Bogen heraus. Aber als sie dort weiterfahren konnten, legte er um ein Haar den Schlagbaum um.

      Unmittelbar danach fuhr er so dicht an einem stehenden holländischen Sattelschlepper vorbei, dass Klaus die Luft anhielt, weil er dachte, jetzt geht die Plane fliegen. Aber es klappte. Man hätte aber kaum noch eine Hand zwischen Plane und Spiegel des Holländers und den des eigenen Zuges legen können. Auf der DDR-Autobahn drehte Rittlinger dann auf.

      „Mensch, mach halblang, die Vopos legen uns still!“, mahnte Klaus. „Du kannst doch hier nicht mit hundert volle Pulle dahinsegeln! Mit hundertfünf! Bist du vom Affen gebissen?“

      Rittlinger fuhr dann langsamer, fünfundachtzig. Das ließen sogar die Vopos durchgehen.

      Klaus war hundemüde, er hätte am liebsten geschlafen, aber er traute sich nicht. Irgendwas warnte ihn. Dieser Rittlinger fuhr nicht sicher. Und er hatte auch nicht das Gefühl, es könnte daran liegen, dass Rittlinger nur mit diesem Zug nicht vertraut war. Der fuhr einfach unsicher. Aber nach zehn Jahren Klasse zwei? Dann ging es doch etwas sicherer, als sie durch die DDR fuhren, und er hielt sich auch an das Tempo. Doch Klaus, der hundemüde war, traute sich nicht zu schlafen. Er verfluchte den Einfall Kirchlechners, ausgerechnet so eine Type auf den Zug zu setzen, und dann bei einer Fahrt, wo es später in Marokko drunter und drüber gehen würde.

      An der Grenze zur Bundesrepublik nachher wieder der übliche Zirkus, und diesmal gab es wenigstens keine Zwischenfälle, dass Rittlinger irgendwo so haarscharf vorbeigefahren wäre wie in Berlin.

      Weil die Fahrerei so halbwegs gutging, wagte Klaus nun doch ein Nickerchen. Er blieb aber auf dem Sitz, schlief im Sitzen, schreckte aber plötzlich wieder auf, und er hätte nicht sagen können, ob er nun lange oder nur ein paar Minuten geschlafen hatte.

      Paul Rittlinger hatte scharf gebremst. Und er schimpfte laut auf den Vordermann. Sie standen etwa einen halben Meter hinter einem Anhänger.

      „Näher dran konntest du wohl nicht?“, fragte Klaus verschlafen und rieb sich die Augen. „Was ist denn los?“

      „Dieser Rohrkrepierer