Der Schneeti. Lissa Lehmenkühler

Читать онлайн.
Название Der Schneeti
Автор произведения Lissa Lehmenkühler
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783401808963



Скачать книгу

      Lissa Lehmenkühler

      Der Schneeti

      Ein Winterwunder für Ole

      Lissa Lehmenkühler, geboren und aufgewachsen im Münsterland, studierte Szenische Künste an der Universität Hildesheim, absolvierte eine Drehbuchausbildung und war Stipendiatin an der Akademie für Kindermedien. Sie schreibt Drehbücher, Theaterstücke und Kinderbücher und lebt in Berlin. Als der Schneeti bei ihr vorbeigeschneit kam, hat sie sofort beschlossen, ein Buch über ihn zu schreiben.

      Heidi Förster zeichnet, seitdem sie denken kann. Nach jahrelanger Übung auf dem Zeichenblock warf sie eines Tages ihren Bleistift beiseite und entdeckte ihre Leidenschaft für die digitale Kunst. Auf ihrem Grafiktablett kreiert sie heute mit viel Kreativität liebenswerte Illustrationen und Figuren. Dabei hegte sie schon immer eine gewisse Faszination für Fantasiewelten und magische Wesen.

       Für Anton und meinen wunderbaren,warmherzigen Großvater, der mir vorgesungenhat, Geschichten liebte und handarbeitenkonnte wie ein Weltmeister

      1. Auflage 2020

      © 2020 Arena Verlag GmbH

      Rottendorfer Straße 16, 97074 Würzburg

      Alle Rechte vorbehalten

      Dieses Werk wurde vermittelt durch die Agentur

      Charlotte Larat – rights & audio, Strasbourg

      Cover- und Innenillustrationen: Heidi Förster

      Lektorat: Daniela Gebhardt

      Umschlaggestaltung: Juliane Lindemann

      E-Book-Herstellung und Auslieferung:

      readbox publishing, Dortmund, www.readbox.net

      E-Book ISBN 978-3-401-80896-3

      Besuche den Arena Verlag im Netz:

       www.arena-verlag.de

      »Sieben!«, »Acht!«, »Neun!«, »Zehn!« Mit Karacho platzt der elfte Schneeball auf Oles viel zu große Opa-Rentier-Strickjacke, die den Achtdreivierteljährigen umhüllt wie ein magischer Zaubermantel. Am liebsten würde Ole jetzt einen dicken, schneemannkopfgroßen Schneeball formen. Ha! Da würden Rocco und seine Bande aber solche Augen machen, wenn Ole den Riesenschneeball in die Luft wuchtet und mit Krawumms zurückwirft.

      Zu gerne würde Ole sich wehren und es Rocco und den anderen fiesen Schneeballwerfern heimzahlen, in deren Klasse er leider, leider seit einer Woche gehen muss. Zu gerne würde er endlich einmal einen riesigen Schneeball zurückwerfen. Doch Ole kann überhaupt nicht gut werfen und gut rennen kann er auch nicht. Ole hat andere Spezialtalente. Ole kann gut:

       basteln und klitzekleine Welten in Kartons und Streichholzschachteln bauen (Vogelhäuser, Vogelhochhäuser, Vogelburgen und ein Iglu, in dem Igel überwintern können, hat er auch schon gebaut),

       Pupsgeräusche mit seinem Arm machen (dazu legt Ole eine Hand in die Achselhöhle und drückt seinen Arm herunter, damit die Luft rausgequetscht wird),

       stundenlang am Telefon mit seinem Opa über die Legenden vom Yeti, Bigfoot und anderen Bergmonstern fachsimpeln,

       mit seinem Superschnitzmesser Holzfiguren schnitzen (111 Figuren hat Ole schon fertig. Nummer 112 soll ein Rentier werden und ist in der Mache),

       komische Ausdrücke aufschnappen (gerade sagt er gerne »Holy Moly«, das heißt so viel wie »Heiliger Bimbam« oder »Heiliger Strohsack«. Von wem er das hat? Von Opa Ottokar natürlich),

       gescheiten Filterkaffee aufbrühen und kanadische Waffeln mit Ahornsirup backen

      und noch so einiges mehr …

      Doch ganz, ganz besonders gut, also praktisch am allerallerbesten, kann Ole etwas, das er am liebsten gar nicht besonders gut können würde: anders sein. Anders als die anderen.

      Wie sagt Opa Ottokar aus Kanada immer: »Ole, Jungchen, wenn du die Augen weit öffnest und ganz genau hinschaust, sind alle anders. Jeder Stern und jede Staubfluse, jeder Mensch und jede Mücke, jedes Blatt und jede Schneeflocke. Anderssein, mein Junge, ist ein Geschenk des Himmels. Anderssein ist deine Spezialität!«

      Dass Anderssein ein Himmelsgeschenk ist, würde Ole allzu gerne glauben. Doch manchmal, in Momenten wie diesen, fragt er sich: »Entschuldigung, kann man das Himmelsgeschenk vielleicht auch gegen Einfach-ganz-normal-Sein oder besser noch gegen Sogar-richtig-cool-Sein umtauschen?«

      Krawumms! Schon wieder landet ein Schneeball in Oles Rücken. Wie eine Horde wild gewordener Fußballfans hört er Rocco und seine Bande hinter ihm grölen: »Olé-olé-olé-olé, voll auf den ollen Ole, olé!«

      Und da passiert es. Jetzt. Ganz genau jetzt. Haargenau zwischen dem zwölften und dreizehnten Schneeballtreffer formt sich ein Entschluss in Oles Kopf: Heute haut er ab! Ab nach Kanada! Zu Opa Ottokar! Und wenn Ole dafür bis Weihnachten ohne Pause durch Berge, Täler, Eis und Schnee stapfen und sogar den Nordatlantik überqueren muss!

      Uff! Ole schließt seine Zimmertür hinter sich, lehnt sich dagegen und atmet auf. Sachte, als würde er sie streicheln, klopft er den Schnee von seinen neun Strickjacken-Rentieren. Die hat Oles Opa genauso genannt wie die Rentiere des Weihnachtsmanns: Dasher, Dancer, Prancer, Vixen, Comet, Cupid, Donner, Blitzen und Rudolph. Auch von den dreizehn Strickjacken-Eiskristallen, aus denen ja die Schneeflocken bestehen, wischt Ole den Schnee. Alle dreizehn haben ein anderes Muster und sehen fast so aus wie Sterne. Lange bevor Ole auf die Welt gekommen ist, hat Oles Opa sie Masche für Masche in die Jacke gestrickt.

      Ole mummelt sich in seine Jacke ein und schnuppert daran. Wolle riecht so anders, wenn sie nass ist. An einer trockenen Stelle am linken Ärmel kann Ole genau riechen, wie es bei seinem Opa in Kanada in der Küche riecht: nach Waffeln, Holz und Büchern. Und an einer Stelle am rechten Ärmel unterm Ellbogenflicken kann er noch wunderbar riechen, wie es in seinem alten Zimmer in Hellabach immer gerochen hat. Richtig gemütlich gut – nach zu Hause eben. Hier in seinem neuen Zimmer riecht es überhaupt nicht nach zu Hause und es fühlt sich auch kein bisschen so an. Für Ole fühlt sich dieses Zimmer nicht wie sein Zimmer an, sondern nur wie irgendein Zimmer. Wie irgendein Zimmer mit vielen unausgepackten Kartons.

      Ole schnappt sich seinen Rucksack und zieht einen Karton unterm Bett hervor. Es ist der einzige, den er vor dem blöden Umzug von oben bis unten mit Totenköpfen bemalt und mit fetten Warnungen beschrieben hat:

      Ole öffnet den Karton. Da liegen sie – eingeschlagen in Luftpolsterfolie, die er so gerne knacken lässt: Oles Lieblingsschätze. Natürlich hat Ole seine Schätze schon vor Tagen, direkt als sie aus dem Umzugswagen kamen,