Wenn das Leben mir Zitronen schenkt. Natalie Meyer

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Название Wenn das Leben mir Zitronen schenkt
Автор произведения Natalie Meyer
Жанр Личностный рост
Серия
Издательство Личностный рост
Год выпуска 0
isbn 9783761567395



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einzuhalten. Aufgrund dessen haben wir eine Verurteilung und sogar Strafe verdient.

      Beim Lesen dieser Worte ist sie wieder ganz real: Meine Furcht vor dem gerechten Gott lässt mich innerlich erzittern. Gleichzeitig halte ich die Luft an, denn ich ahne, dass diese Botschaft nicht das traurige Ende vom Lied ist. Sie könnte vielmehr wie die Diagnose eines Arztes sein: erschütternd, aber dennoch von großer Wichtigkeit und Bedeutung. Vielleicht muss ich erst das ganze Ausmaß meiner »Krankheit« erkennen, um ein passendes Heilmittel zu finden. Ich werde immer unruhiger. Wenn der Bibelvers vom Anfang wahr ist, könnte es tatsächlich Hoffnung geben. Einen Ausweg aus der Ausweglosigkeit, der etwas mit Jesus zu tun hat.

      Und dann lese ich von ihm. Davon, dass dieser Jesus genau das tat, woran ich kläglich scheitere: Im Gegensatz zu mir hat er jede Forderung Gottes erfüllt. Ist jedem Anspruch gerecht geworden, indem er ein moralisch einwandfreies Leben führte. Indem er stets das Richtige tat. Damit ist Jesus so anders als ich. Meine Neutralität ihm gegenüber beginnt einer gewissen Bewunderung zu weichen. Wieso ist Jesus so anders?

      Beim Weiterlesen erfahre ich, dass er kein gewöhnlicher Mensch war, sondern vollkommen Mensch und vollkommen Gott. Zur gleichen Zeit. Ich verstehe nicht, wie das möglich ist, lese aber dennoch weiter. Da Jesus Gott ist, konnte er im Gegensatz zu mir alle Regeln Gottes erfüllen. Zugleich war er aber auch ein Mensch, wodurch er sich mit uns Menschen identifizieren kann. Mit mir. Jesus versteht meine Kämpfe. Mir stockt der Atem. Bisher habe ich ihn in erster Linie für einen vorbildlichen Menschen gehalten. Wenn Jesus allerdings auch Gott ist, muss ich mein Gottesbild noch mehr korrigieren. Der Gott der Bibel ist dann nicht ausschließlich streng und furchteinflößend. Ich erkenne plötzlich, dass Jesus in besonderer Weise die Liebe und das Mitgefühl Gottes verkörpert. Er ist derjenige, der Waisenkinder sucht und nach Hause bringen möchte. Kann er das auch für mich tun? Und wenn ja, wie?

      Jesus ist derjenige, der Waisenkinder sucht und nach Hause bringen möchte.

      Ich lese, dass dieser Jesus ans Kreuz genagelt wurde, obwohl er unschuldig war. Davon habe ich bereits gehört. Neu ist für mich jedoch die Aussage, dass er dort stellvertretend für Menschen gestorben ist. Um ihre Schulden zu übernehmen – die vergangenen wie die künftigen. Um die Verdammnis zu tragen, die ich seit Wochen spüre. Durch sein perfektes Leben war Jesus ohne Schuld. Schuld-los. Sein Lebenskonto weist ein Plus auf, meins hingegen ein dickes Minus. Somit ist er als Einziger in der Lage, meine Schulden zu übernehmen. Für alles zu bezahlen, was ich verschuldet habe. Für mein Versagen, Gottes Ansprüchen gerecht zu werden. Für mein Desinteresse an meinem Schöpfer. Für meinen Wunsch nach Unabhängigkeit.

      Voller Staunen lese ich, dass Jesus nicht nur theoretisch hierzu in der Lage war, sondern es auch tat. Am Kreuz ließ er sich stellvertretend für all jene verurteilen und bestrafen, die an ihn glauben. Freiwillig und aus Liebe bezahlte Jesus für die Schuld all derer, die ihm vertrauen.

      Freiwillig und aus Liebe bezahlte Jesus für die Schuld all derer, die ihm vertrauen.

      Ich spüre, wie die tonnenschwere Last der Verdammnis auf meinen Schultern ins Wanken gerät. Es gibt tatsächlich Hoffnung! Wenn Jesus meine Schulden bezahlen würde, wäre mein Konto ausgeglichen. Ich müsste keine Verdammnis oder Strafe mehr befürchten, denn: Ein gerechter Gott kann eine beglichene Schuld nicht erneut einfordern.

      Jesus zu vertrauen kostet Mut und Überwindung. Ich muss meinen Stolz überwinden.

      Ich werde immer aufgewühlter. Was muss ich also tun, damit Jesus meine Schulden übernimmt? Die Antwort verblüfft mich: »Wenn hingegen jemand, ohne irgendwelche Leistungen vorweisen zu können, sein Vertrauen auf Gott setzt, wird sein Glaube ihm als Gerechtigkeit angerechnet, denn er vertraut auf den, der uns trotz all unserer Gottlosigkeit für gerecht erklärt.«5 Ich muss nur glauben und vertrauen. Ist das alles? Brauche ich ansonsten nichts zu tun? Diese Antwort klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Zu einfach. Aber vielleicht ist genau das der springende Punkt. Bevor ich meinen Glauben und mein Vertrauen auf Jesus setzen kann, muss ich mir meiner Schulden bei dem gerechten Gott bewusst werden. Ich muss zudem meine Unfähigkeit anerkennen, diese selbstständig zu begleichen. Diese Erkenntnis ist schmerzlich und kommt einer Kapitulation gleich. Jesus zu vertrauen, kostet Mut und Überwindung. Ich muss meinen Stolz überwinden.

      Aber hier auf dem Sofa bin ich erstmalig und felsenfest davon überzeugt, dass dieser Weg der einzig richtige ist. Dass Jesus der einzige Weg ist. Ich sehe ihn zweifellos als Ausweg aus meinem Verdammnis-Problem und aus meiner Isolation von Gott. Er allein kann mich wieder nach Hause bringen.

      War ich zuvor ein Waisenkind, bin ich nun eine geliebte Tochter Gottes.

      Ich lese die Predigt zu Ende. Am Seitenrand stoße ich auf einen Kasten. Dieser enthält einen Vorschlag für ein Gebet. Fremde, vorformulierte Worte, die dennoch ziemlich genau ausdrücken, was ich in diesem Moment empfinde. Und so mache ich sie zu meinen eigenen. Ich spreche sie laut und ernst und richte sie direkt an Jesus. Es fühlt sich ungewohnt an, das zu tun. Dieses ist wohl mein erstes richtiges Gebet. Denn im Gegensatz zu manch einem Stoßgebet in der Vergangenheit ist das hier von echter Bedeutung. Für mich geht es um alles. Mit diesem Gebet vertraue ich Jesus mein Leben an und somit das Wertvollste, was ich habe. Ich vertraue es ihm an und hoffe dabei inständig, dass er wirklich hält, was er verspricht. In meinem Gebet drücke ich aus, dass ich nicht länger aus eigener Kraft versuchen möchte, Gottes Forderungen zu erfüllen. Ich kapituliere und setze stattdessen all meine Hoffnung auf Jesus. Ich vertraue darauf, dass er meine Schulden begleicht. Als ich das Gebet mit einem Amen beende, passiert das Unglaubliche: Urplötzlich fällt die quälende, erdrückende Last von meinen Schultern. Jene, die mich seit Wochen quält. Meine Angst vor Verdammnis und die Furcht vor dem prüfenden, strengen Blick Gottes sind verschwunden. Stattdessen spüre ich eine tiefe Ruhe. Ich bin erfüllt von einem inneren Frieden, den ich bisher nicht kannte. Dessen Existenz ich nicht einmal erahnt habe. In diesem Moment bin ich mir ganz sicher: Jesus enttäuscht mich nicht! Ihm kann ich wirklich vertrauen. Ich habe nicht den leisesten Zweifel daran, dass meine Schulden ein für alle Mal beglichen sind. Erstmalig fühle ich mich im Reinen mit Gott und kann diese Versöhnung fast physisch spüren. Jesus beendet meine Isolation und bringt mich nach Hause. War ich zuvor ein Waisenkind, bin ich nun eine geliebte Tochter Gottes.

      Von diesem Tag an fühle ich mich angekommen. Endlich zu Hause. Ich habe den Eindruck, innerlich heil zu werden. Heil und vollständig, so als hätte ein Teil von mir auf meine Rückkehr zu meinem Schöpfer gewartet. All die Jahre hielt ich mich für frei und unabhängig. Nun erkenne ich jedoch, dass ich all das in Wirklichkeit gar nicht war. Plötzlich finde ich echte Freiheit in meiner neuen Abhängigkeit von Jesus. Weil er es gut mit mir meint, kann ich ihm vertrauen. Und so wird er mein engster Vertrauter.

      Diese einschneidende Erfahrung auf dem Sofa meiner Eltern bleibt nicht mein einziges Erlebnis mit Jesus. Sie ist vielmehr der Startpunkt einer Reise, die meine Erwartungen bei Weitem übertreffen wird. Denn Jesus ist so viel mehr, als ich jemals erwartet habe.

      2. »Wovon wollt ihr leben?«

      »Verlass dich nicht auf deinen eigenen Verstand, sondern vertraue voll und ganz dem HERRN! Denke bei jedem Schritt an ihn; er zeigt dir den richtigen Weg und krönt dein Handeln mit Erfolg.«6

      Ihre Worte treffen mich direkt und unerwartet. Dabei hätte ich mir denken können, dass irgendjemand diesen Punkt zur Sprache bringen wird. Ihre Blicke sind ernst und besorgt. Wir befinden uns mitten in einem Krisengespräch. Reden über ein Problem, welches keines ist. Zumindest nicht für uns. Ich versuche, mich zusammenzureißen. Fang jetzt bloß nicht an zu weinen!, befehle ich mir. Aber es ist zu spät. Ich kann die Tränen nicht länger zurückhalten und ärgere mich über mich selbst. Warum bin ich immer so emotional? Mein Tränenschleier lässt ihre Gesichter verschwimmen. Wie durch einen Nebel nehme ich ihre eindringlichen Worte wahr. Sie scheinen sich diese gut zurechtgelegt zu haben. Der Versuch, ein Schluchzen zu unterdrücken, macht alles nur noch schlimmer. Mir wird heiß. Ehrlich gesagt kann ich es nachvollziehen, dass wir in ihren Augen noch sehr jung sind, Jonathan und ich. Direkt nach dem Abitur heiraten zu wollen, ist wirklich ungewöhnlich früh. Ich kenne nicht viele Menschen, die zu ihrer Hochzeit noch keine zwanzig Jahre alt waren; aber diese wenigen haben es nicht bereut. Was genau ist eigentlich der Sinn und Zweck dieses Gesprächs? »Wovon wollt ihr