Название | Italiener-Wochenende |
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Автор произведения | Kathi Albrecht |
Жанр | Триллеры |
Серия | |
Издательство | Триллеры |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347144699 |
„Geht’s ihr zwei heut’ auf die Wiesn? Ich würd’ euch gern auf a Maß einladen, als Dankeschön. Vielleicht so um fünf?“
„Darfst du denn überhaupt aufs Oktoberfest und Bier trinken?“, fragte Jule besorgt.
„Oktoberfest ja, Bier nein. Der dottore sagt, wenn ich nicht sag, woher ich das Zeugl hab, sagns mir aa net, wie langs des dauert und obs da a Problem gäb mitm Bier. Und weil i des aa ned woaß …, also mal sehen. Ich trink halt nix, weil: ich muss nicht heute nochmal zum Sanitäter, mir hat das gereicht. Aber ihr dürft alle. – Nicht zu den Sanitätern, meine ich, sondern Bier trinken. Also, wie schaut’s aus?“
Im Gegensatz zu Jule hatte Vero überhaupt kein Problem mit dem südtiroler Dialekt. Anders als sein Onkel Enzo, der einfach den italienischen Satzbau ins Deutsche übernahm und ansonsten verständlich sprach, war es bei Lorenzo die Aussprache und die Betonung, die Jule ins Schleudern brachten. Während sie immer noch versuchte, einzelne Worte zu erkennen, hatte Vero schon geantwortet und eine Uhrzeit ausgemacht.
Im Rausgehen grinste Vero sie an: „Eer chattso eine-Artdie Wortean ainandertsu rai-hen – uuund wie-der aus ein-an-deeer“ Sie schüttete sich aus vor Lachen. „Ja, das klingt auch dann noch wie Italienisch, wenn er eigentlich Deutsch spricht.“
***
Mit blendender Laune köpfte Vero dann in ihrer kleinen Schwabinger Wohnung erst einmal den Prosecco, den sie am Abend vorher dann doch nicht getrunken hatten. Die Wohnung war wie ihre Bewohnerin: knallbunt und voller Leben, nicht gerade penibel ordentlich, aber mit viel Herz. In der Diele standen und lagen mindestens fünfzehn Paar Schuhe, überall an Schränken und Regalen hatte Veronika ihre Trachtenkleider aufgehängt: Ein langes dunkles Dirndl, wirklich mehr für formelle Familienfeste geeignet als für die Wiesn, dann das knielange Blaue mit der hellen Schürze, das sie in der Woche zuvor getragen hatte, dazu ein knallrotes wadenlanges mit grüner Schürze und eins in lila, knielang und mit buntem Miederoberteil, eher sexy als elegant. Knallrot schied aus, dafür hatte Jule mit ihren mittelblonden Haaren und den hellen, blauen Augen einfach nicht den passenden Teint. Auf dem Sofa lag ein Stapel Dirndl-Blusen mit langem und mit kurzem Arm oder mit Puffärmeln, mit weitem Ausschnitt und mit sehr weitem Ausschnitt, dazu noch eine mit Spitzeneinsatz. Dazu hängten sie Tante Christels Sammlung.
Zwei Gläser Prosecco und eine Stunde später hatten sie sich zumindest grob auf die Kleiderordnung für den Abend geeinigt.
„Super siehst aus!“ Vero kicherte. „Bloß das mit der Schürze müssen wir ändern…“
„Wo ist das Problem?“ Die Schürze war himbeerrot und lang genug war sie auch.
„Die Schleife ist in der Mitte“, grinste Vero. „Nimm’ mir nicht übel, aber das glaubt dir keiner!“
Jule sah sie fragend an.
„Juli, das würde bedeuten, dass du noch Jungfrau bist! Schleife rechts heißt, du bist verheiratet oder zumindest fest liiert. Wenn du eher Kontakt suchst, solltest du die Schleife links binden.“
„Glaubst du eigentlich wirklich, da achtet jemand drauf, wo bei meinem Kleid die Schleife ist?“
„Je nachdem, wie tief dein Ausschnitt ist, schon …“ Vero lachte. „Weil, wenn du jetzt dieses sehr traditionelle Trachtenkleid von meiner Mutter da anziehst – das da mit dem schwarzen Miederoberteil – und diese hochgeschlossene Bluse hier, dann kannst du deine Schleife so weit links binden wie du willst. Da lernst du nette alte Damen aus dem Münchner Umland kennen und feierst einen beschwingten Nachmittag mit rüstigen Senioren, die dich dann fragen, warum denn ausgerechnet du noch nicht verheiratet bist.“
„Ach, und wenn ich jetzt einen Ausschnitt bis zum Bauchnabel hab, dann schaut vielleicht auch mal jemand nach, ob er gleich was auf die Finger kriegt, wenn er mich anfasst? Verstanden.“
Trotz der Auswahl war für Jule keine passende Bluse dabei. Ihr Dekolletee war zwar nicht gerade knabenhaft, aber mit Tante Christine konnte sie es nun wirklich nicht aufnehmen. Vero brauchte ihre eigene Bluse, eine weitere hatte sie vor Wochen an eine Kollegin verliehen und das, was von Tante Christines älteren und kleineren Modellen passte, war eindeutig zu traditionell um irgendwen unter vier Promille anzulocken. Deswegen schauten sie noch beim Trachten-Second-Hand auf der Schellingstraße vorbei, wo Veronika schon diverse Schnäppchen erstanden hatte und die Besitzerin kannte.
Im Laden war es laut, eng und voll. Wie eigentlich zu erwarten. Was Jule allerdings nicht erwartet hatte, war dass der Laden so klein war. Auf knapp 25 Quadratmetern waren alle Wände und sogar das Fenster mit Hunderten von Dirndln bedeckt, in allen Größen von Baby bis Walküre, von Bodenlang bis Schambeinkurz – und in allen Farben. Und hätte das allein nicht schon gereicht, so gaben die zwölf japanischen Mädchen mit ihren Piepsstimmen Jule den Rest. Da aber Vero furchtlos hineinstürmte, musste sie wohl oder übel hinterher. Trotz Enge, Gepiepse und Blasmusik aus dem Radio. Vero hatte gleich nach Bussi links, Bussi rechts mit der Ladenbesitzerin ein intensives Gespräch begonnen, unter anderem über den Ausschnitt einer Bluse, die Vero irgendwann anprobiert, aber doch nicht gekauft hatte. Jule betrachtete mit großen Augen die vielen, vielen Dirndl. Draußen vor der Tür waren doch auch noch welche gewesen, oder? Dort war es zwar nicht leiser, weil sich eine Schlange Anwohner in Autos wortreich und hupend darüber aufregte, dass ein Lasterfahrer das Café gegenüber mit größeren Mengen Klopapier belieferte. Trotzdem, hier war wenigstens ein bisschen Platz, außerdem hingen an einer Stange ungefähr fünfzig weiße Dirndlblusen. Darüber ein Schild „Jedes Teil 10 bis 30 Euro“. Gutes Argument, da mal zu stöbern.
In Veros Schnellkurs hatte sie ja gelernt, worauf zu achten war: Nicht zu viele Knöpfe und keine hohen Rüschen, wenn man etwas erleben will. Puffärmel hatte sie schon als Kind nicht ausstehen können, weil das Gummi am Ärmel immer einschnitt. Die Auswahl der infrage kommenden Blusen reduzierte sich damit erheblich. Von den zehn übriggebliebenen sahen nur drei so aus als könnten sie passen. Eine mit Spitze, eine andere eher im Landhausstil, dann noch eine mit Schneewittchenkragen. Die Größenschilder waren entweder herausgetrennt oder unleserlich verblasst, sie musste sich auf ihr Augenmaß verlassen. Jule nahm die drei Blusen und betrat wieder den Laden. Vero führte immer noch ihr Gespräch mit der Verkäuferin fort, die sich aber nicht weiter stören ließ und nebenbei den Japanerinnen Kleider, Blusen und Schürzen in die Umkleidekabine reichte. Vero hatte sich weiter in den Laden vorgearbeitet und befingerte während des Redens Lederhosen. Ohne Inhalt.
Da überhaupt kein Mann im Laden war und die Japanerinnen zu viert die einzige Kabine mit Beschlag belegt hatten, ließ sich Jule von der Besitzerin in eine Ecke des Ladens schieben, wo diese ihr bedeutete, sie solle hier probieren.
Jule entblößte sich obenrum weitgehend, um in die Blusen einzusteigen. Das Spitzenmodell schnitt leider so erbärmlich ein, dass das Atmen problematisch wurde, die Landhausbluse saß perfekt, sah aber ein wenig langweilig aus. Und ob sie zu dem Kleid passte, was sie sich ausgesucht hatte? Die mit Schneewittchenkragen, die Jule am besten gefiel, saß irgendwie nicht hundertprozentig, fand sie und zupfte unentschlossen am Ausschnitt herum.
Gleich stand die Verkäuferin wieder vor ihr. „Gehst ja net so auf’d Wiesn. Des wird scho’ passen.“
„Ja, sicher. Ich wollte natürlich ein Kleid drüberziehen … “
„Naa, des mein i net. Wirst was G’scheits drunter ziehn. So einen …“ Beherzt packte sie Jule seitlich bei den Rippen, quetschte ihr den Busen zusammen und rief fröhlich: „So einen Push-up, gell!“
Jule blieb die Luft weg, Vero lachte schallend und die japanischen Mädchen kicherten mit roten Ohren. Die Verkäuferin ließ Jule noch immer nicht los, sondern rief: „Veronika, schau, da haben wir was gefunden!“
Wir. In der Tat. Vero kam näher und nickte. Endlich ließ die Verkäuferin von Jule ab. Die atmete erleichtert ein. Dafür beugte sich nun aber ihre Cousine sehr nah an ihren Ausschnitt und piekte mit dem Finger an ihrem Busen herum.
„Maria, schau, da ist ja so ein Fleck … Der ist beim Waschen wohl nicht rausgegangen. Direkt am Ausschnitt, das ist aber