Die Breitseite des Lebens. Ingo Irka

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Название Die Breitseite des Lebens
Автор произведения Ingo Irka
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783347077140



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was ihnen pausenlos im Kopf herumschwirrt, sind sexuelle Gedanken und irgendwelche Bettphantasien. Und das annähernd alle paar Minuten. Sogar Eure eigenen Männer würden auf andere Frauen hereinfallen, wenn diese nur die richtigen Signale und Reize setzen würden. Ein wenig Augenblinzeln da. Etwas aufreizende Kleidung dort. Und fertig ist das Objekt der männlichen Begierde. Mein Tom ist der lebende Beweis dafür, glaubt mir.“

      Auch Marie klinkte sich wieder ein:

      „Na ja, so unrecht hat Kathy da gar nicht. Wenn man bedenkt, dass bei uns jede zweite Ehe wieder geschieden wird und der Auslöser dafür meistens Untreue und Seitensprünge aller Art sind. Also ich würde für meinen Georg die Hand auch nicht unbedingt ins Feuer legen. Wenn er die Möglichkeit bekommen würde mit einer anderen ins Bett zu springen, wer weiß? Das Geheimnis ist einfach, die Männer an der kurzen Leine und permanent auf Trab zu halten. Man muss die Freiräume ihrer Gedanken kontrollieren und mit eigenen Inhalten auffüllen. Dann kommen sie erst gar nicht auf irgendwelche dummen Ideen. Wie ein Kontrolleur in der Straßenbahn, der auch immer wieder seine Fahrgäste unter die Lupe nehmen muss. Sonst kämen sie noch auf blöde Gedanken und würden anfangen schwarzzufahren. Nicht wahr, Lydia?“

      Marie blickte Lydia schelmisch an.

      Doch Lydia reagierte nicht auf Maries Anspielung. Stattdessen kramte sie unsicher in ihrer Handtasche herum und begann sie nach und nach zu leeren. Eine Sonnenbrille kam zum Vorschein. Nagellack und Lippenstift waren da. Ein kleiner Schminkspiegel, Wimperntusche, Kaugummi. Alle Standardutensilien waren vorhanden. Doch wo waren nur ihr Portmonee und ihr Wohnungsschlüssel abgeblieben? Sie hatte sie in der Straßenbahn doch noch gehabt. Ein erster Schreck fuhr ihr in die Glieder.

      „Das kann doch nicht sein“, stammelte sie leise vor sich hin, während sie ungläubig ihre ganze Tasche auf den Kopf stellte.

      Doch außer etwas Zahnseide, einer Schmerztablette und ein paar Taschentüchern purzelte nichts mehr heraus. Keine Spur von Geldbörse oder Schlüssel.

      „Alles in Ordnung bei dir, Lydia? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen“, fragte Carmen nach. „Wenn du deine Tampons nicht findest, dann kann ich dir ja aushelfen. Ich habe sicher noch einige dabei.“

      Sie griff hektisch nach ihrer Tasche, als Lydia sie plötzlich am Arm packte.

      „Carmen, ich kann meine Geldbörse nirgendwo finden!“

      „Ist doch kein Malheur, dann bezahle ich eben deine Rechnung und du lädst mich dafür das nächste Mal ein“, versuchte Carmen sie zu beruhigen.

      „Nein, nein. Du verstehst nicht! Ich habe sie unter Garantie in die Handtasche gepackt und jetzt ist sie weg. Und mein Schlüsselbund ist auch wie vom Erdboden verschwunden. Entweder sind mir die Sachen irgendwo herausgefallen, oder…“

      Lydia stand der Schreck ins Gesicht geschrieben.

      „…oder man hat dir die Sachen herausgestohlen“, nahm Marie ihr die Worte aus dem Mund. „Du bist doch mit der Straßenbahn gefahren. Vielleicht hat man dich während der Fahrt hierher beklaut. Man hört doch am laufenden Band, dass in den öffentlichen Verkehrsmitteln irgendwelche Langfinger aus dem Osten ihr Unwesen treiben.“

      „Ja, ja, willkommen im neuen Linz“, bekräftigte Kathy. „Seitdem die Bulgaren und Rumänen freien Zugang zu uns haben, kann man sich einfach nicht mehr sicher fühlen. Eine Bekannte von mir hat mir sogar erzählt, dass sie unlängst im Stadtpark von einem dieser kriminellen Subjekte angesprochen worden sei, ob sie nicht Drogen kaufen wolle und… “

      „Das tut ja jetzt wohl nichts zur Sache“, unterbrach Carmen sie. „Erstens, geht es hier nicht um deine Bekannte. Zweitens, handelt es sich um eine Geldbörse und um einen Schlüsselbund und nicht um Drogen. Drittens, ist noch gar nicht klar, ob Lydia wirklich bestohlen worden ist oder ob sie die Sachen nicht einfach verloren hat. Und viertens“, Carmen stellte das leere Weißweinglas zurück auf den Tisch, „könnte es ja genauso gut ein Österreicher gewesen sein. Insofern kann man sagen, dass du, liebe Kathy, nicht nur oberflächlich bist, was dein Aussehen anbelangt, sondern auch in der Beurteilung anderer Menschen. Gerade mit solchen Vorurteilen schürst du nichts anderes als Ablehnung und Angst. Hat dir das dein Sigmund Freud auch gesagt?“

      „Vollkommen egal, was dieser Freud sagen würde“, machte Lydia ihrem Ärger Luft. „Und auch völlig nebensächlich, ob Österreicher, Bulgare, Rumäne oder Mister X aus Entenhausen. Fakt ist, dass die Sachen weg sind. Punkt und Amen. Noch schlimmer hätte der Tag heute gar nicht beginnen können. Zuerst die Kontrolleure in der Straßenbahn und als Zugabe jetzt das. Ich darf gar nicht an die vielen Unannehmlichkeiten denken, die nun auf mich zukommen werden. Ich muss die Kreditkarte sperren lassen. Mein Führerschein ist weg. Die Schlösser bei uns zuhause gehören vielleicht ausgetauscht und was das Schlimmste ist“, sie schleuderte die Tasche wütend auf die Bank, „ich werde das Ganze auch noch Edgar beichten müssen.“

      „Na, der wird sicher begeistert sein von dieser Aktion“, goss Marie gleich Öl ins Feuer. „Der wird sich freuen wie ein Tanzbär, dass er dir auch einmal eine Unzulänglichkeit vorwerfen kann.“

      „Ja, mit Sicherheit. Er wird sich fühlen, als hätte er den Jackpot im Lotto gewonnen. Ich sehe ihn schon triumphierend vor mir, wenn er mir das alles unter die Nase reiben kann. „Aber das kann doch jedem passieren, sogar dir“, wird er sagen. Und das in einem selbstgefälligen Tonfall, dass ich ihm dabei die Augen auskratzen könnte. Und dann wird er seine Augenbraue hochziehen und mich doof anschauen. So herablassend und arrogant. Als hätte ich die ganze Welt verraten. Dabei hat er neulich die bereits dritte Radarstrafe innerhalb von nur einem halben Jahr ausgefasst. „Aber das steht hier nicht zur Debatte“, wird er sagen. Und als Sahnehäubchen werde ich dann noch zu hören bekommen, dass ich doch in Zukunft bitte besser auf unsere Sachen aufpassen solle. Zum Großteil würde ja auch sein hart erarbeitetes Geld darin stecken. Als stehe eine Absicht von mir dahinter, dass sie mir abhandengekommen sind. Ja, so wird es ablaufen.“

      Lydia griff mit einem tiefen Seufzen nach ihrem Smartphone und wählte die Nummer des Kreditinstitutes.

      „Genau in der Tonart.“

      BERICHT 5

       Montag, 3. Juli, 16: 22 Uhr

       Home, sweet home

      Als Lydia den Ersatzschlüssel aus dem Blumentopf im Eingangsbereich hervorgeholt hatte, öffnete sie die Wohnungstüre.

      Edgar hatte die Kinder bereits vom Reitunterricht abgeholt. Er machte sich gerade in der Küche daran, das Essen für Clara und Sophia zuzubereiten. Seine Handgriffe wirkten heute jedoch unkoordiniert, ja, fast schon tollpatschig. Das Öl für die Pommes schwamm nicht nur in der Pfanne, sondern auch auf den Herdplatten. Die Verpackung der Filetstreifen lag neben dem Mülleimer. Die abgehobelten Kartoffelschalen klebten vereinzelt auf dem Küchenboden fest und es roch nach verbranntem Fleisch. Der Raum glich eher einem Schlachtfeld, als einer Küche. Und ein Blick schon reichte aus um festzustellen, dass Edgar mit seinen Gedanken irgendwo anders war, nur nicht beim Kochen. Immer wieder schielte er erwartungsvoll hin zu seinem Computer. Vielleicht hatte er schon eine Rückmeldung von Romana erhalten? Vielleicht fand auch sie Gefallen an seinem Profil? Und vielleicht schlug sie ihm ja sogar schon ein Treffen vor?

      Er fühlte sich in diesem Moment wie ein Teenager. Ein junger Kerl, der gespannt darauf wartete, ob er auf seinen Liebesbrief ein Ja oder doch ein Nein von seiner Angebeteten erhalten würde. Im Gegensatz zu seinen Jugendjahren wäre eine Abfuhr in der jetzigen Situation jedoch als herber Niederschlag zu werten gewesen. Früher verschmerzte man die Abweisungen auf das ohnedies meist halbherzige Werben mit einem Schulterzucken. Man streifte die Schmach einfach ab und machte sich sofort daran, den nächsten prestigeträchtigen Brief an das nächste Mädchen zu schreiben. Warum auch nicht? Die Auswahl an potenziellen Liebschaften war groß und die Absicht einer längeren Beziehung eher noch auf experimenteller Ebene zu verorten. Dementsprechend gleichgültig stand man als junger Mensch diesem ganzen Liebesbrimborium gegenüber.

      Doch nun, dreißig Jahre später, hatte sich alles gewandelt. Zurückweisungen hatten den schalen Beigeschmack einer persönlichen