Die Breitseite des Lebens. Ingo Irka

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Название Die Breitseite des Lebens
Автор произведения Ingo Irka
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783347077140



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er noch nichts gelesen, das ihn zum Aufhören bewegt hätte. Alles schien soweit ganz gut. Nicht einmal die Tatsache, dass scheinbar eine Tochter mit von der Partie war bereitete ihm Unbehagen. Ganz im Gegenteil. So würden seine beiden Töchter eine ältere Schwester bekommen, die sich glänzend um die beiden kümmern könnte. Und er würde zur Belohnung die Mutter einheimsen. Bis hierher also die besten Voraussetzungen. Seine Augen suchten die nächsten Wörter.

      „Ich reise auch sehr gerne und möchte viel von der Welt sehen. Was ich hingegen gar nicht ausstehen kann, sind Reisen in den hohen Norden. Ich bin eher der Sonnenscheintyp und fühle mich im Süden wohl. Ach ja, eine meiner großen Schwächen ist auch die italienische Küche und wenn ich nicht gerade selbst am Herd stehe, dann suche ich schon einmal den Italiener um die Ecke auf. Soviel nun zu mir. Wenn du ein großer und sportlicher Mann bist, der so in etwa die gleichen Vorlieben hat wie ich, dann würde ich mich freuen, von dir zu hören. Und wenn du noch dazu aus der näheren Umgebung bist, dann würde es mich noch mehr freuen, von dir zu hören. Mach es gut, Romana.“

      Das hatte gesessen. Das war es, was einen guten Morgen ausmachte. Er lehnte sich gelöst zurück, trank einen Schluck Kaffee und ließ seine Gedanken kreisen: Linz, Reisen, Italien, Sonnenscheintyp.

      Dann blickte er nochmals auf das Bild. Musste es nicht irgendwo eine Kontaktadresse geben? Ein Kennwort oder eine Chiffre Nummer? Er fand etwas. „Falls Sie Kontakt mit der Person aufnehmen wollen, dann senden Sie eine E-Mail an “[email protected]“ mit dem Kennwort “Romana, 35, Linz“ und hängen Sie “Ziffer 4“ hinten an. Wir leiten Ihre Mail dann weiter, übernehmen aber keine Gewährleistung, dass die kontaktierte Person sich bei Ihnen rückmeldet.“

      In seinem Kopf begann es plötzlich zu arbeiten. Ein Gedanke begann den nächsten zu jagen. Was würde eigentlich im schlimmsten Fall passieren, würde er wirklich Kontakt mit ihr aufnehmen? Würde seine Frau Verdacht schöpfen? Was, wenn Romana wirklich antworten würde und sich mit ihm treffen wollte? Sollte er absagen? Sollte er gleich in die Offensive gehen? Oder sollte er es einfach nur lassen, um den familiären Frieden nicht zu gefährden? Er blickte erneut zur Türe und fühlte seinen Puls schneller werden. Doch immer noch war alles ruhig.

      Seine Augen wanderten nervös zurück zur Kontaktadresse. Wie fremdgesteuert tippte er die ersten Buchstaben des Kennwortes in seinen Computer: Romana, 35, … er hielt kurz inne. Was sollte er eigentlich genau zurückschreiben? Und vor allem musste er es so schreiben, ohne dabei gleich verzweifelt oder anstößig zu wirken. Seine Finger tippten weiter in die Tastatur.

      „Hallo, liebe Romana! Mein Name ist Edgar und ich bin siebenundvierzig Jahre alt. Beruflich bin ich als Einkaufsleiter bei einer internationalen Maschinenbaufirma tätig und für die Zulieferung der Rohstoffe zuständig. Ich delegiere einen Mitarbeiterstab von rund zwölf Personen und weiß was es heißt in einer leitenden Funktion tätig zu sein. Außerdem teile ich dieselben Vorlieben wie du: Reisen, Golfspielen und Mountainbike. Ich habe zwei aufgeweckte Töchter im Alter von dreizehn und fünfzehn Jahren, die beide das Gymnasium Landwiedstraße besuchen.“

      Er runzelte die Stirn. Sollte er wirklich all diese Informationen preisgeben? Es kam ihm vor wie ein Seelenstriptease, den er gerade beging. Schlussendlich öffnete er sich peu a peu einer bis dato Unbekannten. Sollte er dieser Person überhaupt alles anvertrauen? Er begann alles nochmals im Kopf durchzuspielen. Doch wie er es auch drehte und wendete, jeder Gedanke endete bei einer inneren Stimme, die ihn mit einem bestimmenden “Mach weiter, du Weichei!“ zum Weiterschreiben drängte. Er war schließlich selbst immer noch sein kompetentester Berater. So klopfte er die nächsten Zeilen in die Tasten.

      „Ich wohne am Römerberg in einer Dachterrassenwohnung und bin dort abends bevorzugt bei einem guten Gläschen Wein am Balkon anzutreffen. Ich blicke dabei über die Dächer auf die Donau. Ich könnte mir jedoch sehr gut vorstellen, das nächste Glas in deiner netten Gesellschaft beim Italiener mit dir zu trinken. Nachdem auch ich ein Fan der mediterranen Küche und Kultur bin, würde sich so ein netter Abend doch anbieten, oder? Wenn du also mit einem sportlichen und sympathischen Mittvierziger ein paar unvergessliche Stunden verbringen möchtest, dann würde ich mich riesig freuen, von dir zu hören bzw. zu lesen. Bis dahin wünsche ich dir alles Liebe und Gute, Edgar.“

      Geschafft! Er hob seinen Blick und ließ ihn über das Geschriebene wandern. Alles passte. Keine Rechtschreibfehler. Keine Überlänge in den Sätzen. Und vor allem keine plumpen Floskeln oder abgedroschene Phrasen. Er hasste solche verbalen Banalitäten. Sätze, wie “Ich möchte mit dir im zarten Mondschein in den

      Sonnenuntergang segeln.“ oder “Ich habe ein Leben lang nur auf dich gewartet.“ In diesen Sätzen spiegelte sich keinerlei Echtheit wider, keine Authentizität. Nur Ideenlosigkeit und der Unwille, einer gewissen Kreativität Raum zu geben. Diese Ecke wollte er jedenfalls nicht bedienen. Und sein Spruch mit dem Italiener schien ihm auch passender, als ein langweiliges “Willst du mit mir einmal essen gehen?“ Insofern passte alles zusammen. Das Einzige, was jetzt noch fehlte, um die Sache ins Rollen zu bringen, war das Drücken der Entertaste.

      Doch plötzlich hörte er Schritte draußen im Flur, die immer näher in Richtung Esszimmer kamen. Schlurfend und laut hörbar die Pantoffel hinten nachziehend. Einmal flappte der eine, dann der andere. Bis nur noch ein dunkler Schatten das Glas in der Tür verdunkelte und die Klinke sich langsam nach unten bog.

      „Guten Morgen!“, drang es an sein Ohr. „Nur damit du es weißt, du musst die Kinder heute nach der Schule zum Reitunterricht bringen und um spätestens vier Uhr wieder abholen. Clara muss noch die letzten Vokabeln lernen und Sophia kennt sich bei den Bruchrechnungen nicht aus. Vielleicht kannst du ihr ja bei ein paar Beispielen helfen. Du kennst dich ja so gut aus mit Mathematik. Gott sei Dank ist bald Ferienzeit. Dann hat der ganze Stress ein Ende. Ich treffe mich heute mit den Mädels und komme erst gegen neun. Also braucht Ihr mit dem Essen nicht auf mich zu warten. Die Rinderfilets sind noch im Tiefkühler. Vielleicht kannst du den beiden ja ein paar Pommes dazu machen. Du weißt ja, das mögen sie so. Die Kartoffeln dazu sind in der Speise. Oder du machst ihnen einfach Reis. Das überlasse ich dann dir.“

      Die Esszimmertüre fiel wieder in das Schloss. Ein Zucken huschte über sein Gesicht. So, als hätte er vergessen, die Herdplatte vor einer Reise abzudrehen.

      „Oder nein, mach ihnen lieber Pommes“, hörte er es nochmals vom Flur, ehe die Schritte in Richtung Badezimmer verhallten.

      Das war knapp. Ein Schritt weiter in das Esszimmer und sie hätte direkt auf den Bildschirm geblickt und die ersten unangenehmen Fragen des Tages gestellt. Doch er kam mit dem sprichwörtlichen Schrecken davon. Nochmals starrten seine Augen auf die Eingabetaste. Sollte er drücken oder nicht? Sollte er das Risiko eingehen? Konnte er seiner Frau und den Kindern noch in die Augen sehen, wenn eine Notlüge nach der anderen seine Lippen verlassen würde? Oder würde es ihm egal sein? Würde ihm ein flüchtiges Treffen mit einer schönen Unbekannten mehr wert sein, als seine Ehe? Italienische Vulkanausbrüche oder Bruchrechnungen? Golf oder Reiten? Pasta oder Pommes? Edgar blickte nochmals zur Türe. Dann drückte er Enter.

      BERICHT 2

       Montag, 3. Juli, 7: 32 Uhr

       Mit einer neuen Frau im Haus, tauscht man nur den Teufel aus

      Nachdem Edgar den Laptop zugeklappt hatte, erledigte er die letzten Handgriffe zuhause. Dann schloss er alles ab, stieg in den Aufzug und fuhr in die Tiefgarage hinunter. Als er im Auto am Weg zur Arbeit saß, wirkten Lydias Worte aus der Küche noch nach. Er fühlte, dass erneut ein Tag der Fremdbestimmung für ihn begonnen hatte. Wie so oft. Das Gedudel aus dem Radio tat das Übrige für seine Stimmung.

      „Always look at the bright side of life“, schallte es durch das Auto.

      Er drehte den Lautstärkeregler zurück. Wenigstens hielt der Verkehr sich an diesem Morgen in Grenzen. Nur ein paar vereinzelte Autos hier und da. Ansonsten kein gröberes Aufkommen. Es war vielerorts Betriebsurlaubszeit und das machte sich auch auf den Straßen bemerkbar.

      Ursprünglich hätte auch er jetzt bereits