Название | Liebe fragt nicht |
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Автор произведения | Bernd Urlaub |
Жанр | Контркультура |
Серия | |
Издательство | Контркультура |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783347092143 |
Doch die Deutschen meldeten sich auch noch einmal zurück. ln der Nacht vom 26. auf den 27 August warfen 50 Flugzeuge der Luftwaffe Bomben über Paris ab. Dabei wurden 593 Gebäude zerstört oder beschädigt. 213 Menschen wurden getötet und 914 verwundet. Eine militärisch völlig sinnlose Aktion.
Frederic Macron und seine Leute hatten nicht mehr unmittelbar an den Kämpfen teilgenommen, Sie waren nach einem Ort namens Thury- Harcourt in der Nähe von Caen verlegt worden. Das Dorf war bei den Kämpfen um Caen fast völlig zerstört worden, eignete sich aber gerade deswegen ausgezeichnet dazu, Häuserkampf zu trainieren. Die Gruppe hatte Quartier in einem unzerstörten Bauernhof außerhalb des Ortes bezogen. Die Eigentümer waren während der Kämpfe ins Landesinnere geflüchtet. Armin hätte, wenn die Voraussetzungen andere gewesen wären, sogar Spaß an dieser Ausbildung gehabt. So aber regte sich des Öfteren sein Gewissen und das Damoklesschwert, dass er eines Tages auf seine früheren Kameraden schießen müsste, hing über ihn. Armin war zwar alles andere als ein überzeugter Nazi, aber es war etwas anderes eventuell gegen seine alten Kameraden schießen zu müssen, als Kritik am Regime zu üben. Armin war gerne Soldat und ein guter dazu. Eigentlich hatte er vorgehabt, nach seinem Abitur zu studieren. Doch dann kam der Krieg dazwischen und er hatte sich freiwillig zur Wehrmacht gemeldet. 1943 hatte er sein Leutnantspatent in der Tasche und wurde Zugführer. Er hatte die missglückte Offensive bei Kursk mitgemacht, die so kläglich scheitere. Schon damals waren ihm Zweifel gekommen, ob es sich wirklich lohnte, für dieses Regime, den Kopf hinzuhalten. Danach ging es im Osten nur noch zurück. Er war Zeuge gewesen, wie die Einsatzkommandos Juden jagden und ermordeten. Auch die Transporte in die Konzentrationslager waren ihm nicht verborgen geblie3ben. Er hatte sich geweigert, bei einer Säuberungsaktion mitzumachen. Einer Degradierung und einer Versetzung in ein Strafbataillon entging er nur, weil die Verlegung seiner Einheit nach Frankreich dazwischenkam. Hier waren ihm nur ein paar Wochen vermeintlicher Ruhe vergönnt. Die Invasion der Westalliierten änderte alles. Von nun an, war für ihn klar, dass dieser Krieg verloren und alles Kämpfen und Sterben sinnlos war. Was war falsch daran, mitzuhelfen, dass dieses Töten und Sterben so bald wie möglich endete? Hatten nicht Stauffenberg und seine Mitverschwörer ihr Leben eingesetzt, um Hitler zu stürzen? Und trotzdem. Er hatte einen Eid geschworen. Er versuchte sich an den Text zu erinnern.
„Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, dass ich dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, dem Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, unbedingten Gehorsam leisten und als tapferer Soldat bereit sein will, jederzeit für diesen Eid mein Leben einzusetzen."
Mit einem Male wurde es Armin klar, dass dieser Eid verlogen und falsch war. Hier wurden Menschen gezwungen, einen Eid auf eine Person abzulegen, die wie es schien, ein Verbrecher war. Der kein Menschenleben etwas bedeutete. Einer Person, die bereit war, ein ganzes Volk für eine gewissenlose Ideologie in den Untergang zu führen. Armin wurde es mit einem Male leicht ums Herz. Frederic kam auf ihn zu und bot ihm eine Zigarette an. „Na, mein Freund, so nachdenklich?" Armin nahm einen tiefen Zug und musste husten. So richtig hatte er sich an das scharfe Zeug noch nicht gewöhnt, das die Franzosen rauchten. Dann beantwortete er die Frage des Elsässers.
„Ja, ich habe nachgedacht. Und bin zu der Erkenntnis gekommen, dass von nun an Schluss ist mit dem Nachdenken. Es ist richtig, dass alles versucht werden muss, diesen Krieg so schnell, wie möglich, zu beenden. Ab heute gehöre ich ganz zu euch." Ein Lächeln stahl sich in Macron's Gesichtszüge.
„lch wusste, dass du eines Tages zu dieser Erkenntnis kommst. Aber genug geredet. Pack deine Sachen zusammen. Wir rücken ab. Paris ist gefallen."
Und nun stand Armin mit seinen Kameraden an der Avenue des Champs-Elysee und sah die Panzer der 28. US-Infanteriedivision vorüberrollen. Umgeben von Menschen, die ihrer Begeisterung freien Lauf ließen. Rotweinflaschen wurden herum gereicht und die Frauen warfen den Amis Kusshändchen zu. Wie würde es wohl denjenigen ergehen, die sich zu sehr mit den Besatzern eingelassen hatten? Der Gedanke, was mit ihm geschehen würde, wenn die unmittelbar um ihn herumstehenden Personen wüssten, dass er Angehöriger der deutschen Wehrmacht gewesen war, ging ihm durch den Kopf. Und es schauderte ihm dabei. Frederic hatte ihm zwar erklärt, dass er beileibe nicht der einzige Deutsche sei,der für die Resistance arbeitete. Doch das waren in der Mehrzahl Leute,die Deutschland in den dreißiger Jahren verlassen hatten und nach Frankreich emigriert waren, wo sie nach dem Einmarsch der Wehrmacht Repressalien zu befürchten hatten. Viele waren deshalb in den Untergrund abgetaucht. Heute war jedenfalls nur Freude und Begeisterung zu spüren. ln zwei Tagen würden sie Paris verlassen und den Truppen auf ihrem Vormarsch zum Westwall folgen. Was sie genau erwartete, da wusste vermutlich nicht einmal Frederic.
Thüngersheim9. September 1944
Franzi fühlte sich mit einem Male sehr einsam. Heute war der erste Transport an den Westwall abgegangen. Sechs junge Thüngersheimer waren dabei. Unter ihnen auch Werner. ln zwei Wochen würde der Rest folgen. Als der Zug außer Sichtweite war, hörte sie auf zu winken. Der Arm tat ihr weh, so heftig hatte sie ihn hin und her geschwenkt. Als könnte sie durch ihr heftiges Winken den Zugführer dazu bewegen anzuhalten. Mit hängendem Kopf trottete sie zum Weingut zurück. Nein, sie liebte Werner nicht. Aber es gab Momente, da war sie sich nicht sicher. Und jetzt, wo er die nächsten Wochen nicht mehr da war, merkte sie erst, wie sehr sie ihn vermissen würde. Rene sah die Tochter seines Patrons kommen und merkte, wie es um sie bestellt war. Gerne hätte er sie in die Arme genommen und getröstet. Aber er beließ es lieber bei einigen aufmunternden Worten.
„Er kommt ja wieder. ln sechs Wochen ist er ja wieder zurück, Mademoiselle Franzi. Es wird ihm schon nichts passieren."
Diese Worte gingen ihm nicht leicht von den Lippen Es gab Momente, da wünschte er Werner mit ganzem Herzen zum Teufel. Franz lächelte tapfer. Da wäre ja noch schöner, wenn sie Rene zeigen würde, wie schwer ihr der Abschied gefallen war. Ausgerechnet Rene. Aber sie war trotzdem dankbar für seine Worte.
ln ihrem Zimmer warf sie sich aufs Bett und ließ ihren Tränen freien Lauf. Rene hatte ja Recht. Die Jungs fuhren ja nur zum Schanzen an den Westwall. Panzergräben sollten sie ausheben. Aber schon die Anfahrt war gefährlich. Waren doch Züge, egal ob Güter oder Personenzüge ein begehrtes Ziel der alliierten Jagdbomber. Und noch etwas beunruhigte Franzi. Eine innere Stimme versuchte hartnäckig ihr einzureden, dass sie Werner heute zum letzten Mal gesehen hatte.
Sie ging hinunter in die Küche, um sich ein Glas Milch einzuschenken. Heute Abend war Gruppenabend des BDM. Das würde sie ein wenig ablenken von ihrem Kummer. Obwohl sie manchmal die Sprüche und Parolen der Gruppenführerin nicht mehr hören konnte. Diese andauernden Beschwörungen, dass nur Deutschland den Endsieg davontragen könnte und dass es der Führer schon richten würde, gingen ihr doch oft auf die Nerven.
Hans Geiger hatte den Kopf mit anderen Dingen voll. ln zwei Wochen sollte die Weinlese beginnen und die entsprechenden Vorbereitungen mussten getroffen werden. Er und seine Arbeiter hatten alle Hände voll zu tun. Es würde in diesem Jahr eine überdurchschnittliche Weinlese geben. Die Natur hatte es gut gemeint. Doch er hätte gerne auf einen Teil seiner Erträge verzichtet für die Gewissheit, dass seine Söhne noch am Leben wären. Er zwang sich dazu, nicht daran zu denken. Das Leben ging ja weiter. Alles Grübeln half nichts.
Als er in die Küche kam, sah er sofort, dass mit seiner Tochter etwas nicht stimmte. Dann fiel ihm ein, dass Werner ja heute an den Westwall abgefahren war. Er nahm Franzi in die Arme und drückte sie ganz fest.
„Wird wohl nicht so schlimm werden. Und in ein paar Wochen hast du ihn ja wieder. ln der Zwischenzeit gibt es genug zu tun, um nicht unablässig daran zu denken. Ich brauche deine Hilfe." Franzi sah ihren Vater neugierig an. „Und bei was soll ich dir helfen?" „Das erfährst du schon noch rechtzeitig und du weißt ja, in drei Wochen beginnt die Weinlese. Da kann ich ja mit dir rechnen." „Natürlich, das weißt du doch. Und Unterricht findet ja auch kaum noch statt."
Franzi freute sich auf die Weinlese. Sie mochte es, im Weinberg zu stehen und die