K.L.A.R. - Taschenbuch Dann bleib ich eben sitzen!. Thorsten Steffens

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Название K.L.A.R. - Taschenbuch Dann bleib ich eben sitzen!
Автор произведения Thorsten Steffens
Жанр Учебная литература
Серия
Издательство Учебная литература
Год выпуска 0
isbn 9783834640642



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      Die Beifahrertür des Nissans quietscht, als ich sie öffne, und ich hoffe, dass wir es in dieser Karre überhaupt bis nach Köln schaffen.

      „Da bist du ja!“, trällert meine Tante.

      Wie immer viel zu gut gelaunt.

      „Hast du dich von deinen Freunden verabschiedet?“

      „Hast du dein Zeugnis bekommen?“

      „Hast du schon was gegessen?“

      Geduldig beantworte ich ihre Fragen. Bei jedem anderen wäre ich genervt von so viel Fragerei, aber sie meint es nur gut. Und dann ist das okay für mich.

      In der Beckstraße holen wir Kati in ihrer Schule ab. Sie geht auf eine spezielle Schule. Ich steige aus und lasse sie auf den Rücksitz (ist überflüssig zu erwähnen, dass Tante Karins Auto ein Dreitürer ist, oder?).

      Kati freut sich. Wie fast immer.

      „Könn wir Benjamin hörn?“, fragt sie aufgeregt. Damit meint sie Benjamin Blümchen.

      „Och Schätzchen, hier im Auto habe ich leider gar keine Kassetten“, sagt meine Tante erleichtert.

      Ja, richtig. Das Auto meiner Tante ist so alt, dass sie ein Kassetten-Radio hat – genau an der Stelle, wo bei anderen Autos das Navi samt Bluetooth-Radio ist.

      „Nichschlimm!“ Kati kramt in ihrem Rucksack und holt eine Kassette heraus, mit der sie meiner Tante auf die Schulter tippt. Wir schauen uns entsetzt an.

      Tante Karin seufzt kurz und steckt die Kassette in die Radioanlage.

      „Törööö!“, hupt es aus den Boxen. Na super, dann fährt der Elefant also mit nach Köln!

      Kati singt aufgeregt den Titelsong mit: „Benjamin, du lieber E-le-fant …“

      Während Benjamin Blümchen sich darüber beklagt, dass es ihm zu heiß ist, und er ein Eis möchte, schaue ich aus dem Fenster. Tante Karin gibt ganz schön Gas in ihrem kleinen Nissan (wahrscheinlich hofft sie so, nur die Hälfte der Kassette hören zu müssen) und ich sehe, wie die Siedlung an uns vorbeirast, in der ich aufgewachsen bin.

      Und tschüss!, denke ich mir.

      2. SECHZEHN

      Nachdem wir Benjamin Blümchens Abenteuer als Bademeister inzwischen drei Mal gehört haben, schaltet meine Tante kurz vor Köln endlich das Radio ein.

      „Einslive“, sagt sie. „Die sitzen sogar hier in Köln! Ist doch aufregend, oder?“

      Nö!

      Ihr Versuch, meine Begeisterung für diese Stadt zu wecken, ist vergebens.

      „Holst du jetzt mal das Navi raus?“

      Ich krame das Navi aus dem völlig überfüllten Handschuhfach und stecke das Kabel in den Zigarettenanzünder.

      „Adresse?“, frage ich.

      Meine Tante sieht mich entgeistert an.

      „Wie? Du weißt nicht mal deine neue Adresse?“

      „Nö!“, sage ich. Als ob es meine Idee gewesen wäre umzuziehen! Vor ein paar Monaten hat meine Mutter Kati und mir beim Abendessen gesagt, dass wir im Februar nach Köln ziehen werden. Wegen des Jobs müsste das sein. Diskussion beendet!

      Ich schaue meine Tante erwartungsvoll an: „Und? Wie lautet die Adresse nun?“

      „Ja, was weiß ich? Ich zieh nicht nach Köln.“ Wir lachen beide. Typisch Tante Karin. Die ist manchmal genauso verpeilt wie ich. Wenn nicht sogar noch schlimmer. Deshalb denke ich mir oft, wenn die ihr Leben auf die Reihe kriegt, dann werde ich das ja wohl auch schaffen!

      Ich nehme mein Handy und rufe meine Mutter an.

      „Raderberger Straße“, sagt sie.

      Aha. Das ist also meine neue Adresse.

      Nach guten 20 Minuten sind wir endlich da. Mein neues Zuhause ist in einer Nebenstraße. Ein riesiges Mehrfamilienhaus mit Betonbalkonen. Direkt vor dem Haus steht der Umzugswagen.

      „Geht schon mal vor“, sagt meine Tante, die so schnell keinen Parkplatz gefunden hat. „Und vergiss die hier nicht!“ Tante Karin hält uns die Benjamin-Blümchen-Kassette hin.

      Und dann murmelt sie leise: „Bevor wir die noch ein viertes Mal hören müssen.“

      Aber ich glaube, Kati hat es nicht gehört.

      Ich lächle meiner Tante kurz zu, ehe ich die Wagentür schließe.

      Kati läuft über die Straße, ohne nach links oder rechts zu schauen. Mist! Zum Glück kam gerade kein Auto, aber ich hätte besser aufpassen müssen. Ich laufe ihr hinterher und nehme sie an die Hand.

      Vor der Haustür bleiben wir kurz stehen.

      „Wow, so viele!“, sagt Kati mit einem Blick auf die vielen Klingeln und die Namensschilder daneben. Sie streckt den Arm aus und will mit der flachen Hand auf alle gleichzeitig drücken. Ich kann sie in letzter Sekunde noch davon abhalten.

      Es sind tatsächlich viele Klingeln. In Münster haben wir in einem Haus mit zwei anderen Familien gewohnt. Hier befinden sich bestimmt 15 oder 16 Klingeln neben dem Eingang.

      „Da seid ihr ja!“, begrüßt uns meine Mutter in der neuen Wohnung.

      Hier herrscht noch das totale Chaos!

      Überall stehen Kisten, Tüten und einzelne Möbelteile, die noch aufgebaut werden müssen.

      „Na, los! Ich zeige euch alles!“

      Meine Mutter geht direkt in das erste Zimmer links neben der Eingangstür.

      „Das hier ist Tims neues Zimmer“, sagt sie stolz in meine Richtung.

      Ich muss zugeben, es ist wirklich ziemlich groß. Viel größer als mein altes Zimmer in Münster. Trotzdem bin ich nicht begeistert, dass wir hierherziehen mussten.

      „Das ist eigentlich das Elternschlafzimmer, aber ich brauche ja nicht so viel Platz“, sagt sie. Danach zeigt sie Kati ihr Zimmer, das winzig klein ist. Ein langer, schmaler Raum, in dem außer einem Schrank und einem Bett kaum etwas anderes hineinpasst.

      Aber Kati freut sich.

      „Kann ich meine Einhorn-Posters aufhängen hier?“, fragt sie und fasst mit ihrer Hand an die rechte Wand.

      Kati und ihre Einhörner! Die mag sie fast so sehr wie Benjamin Blümchen.

      „Aber sicher!“, sagt meine Mutter und scheint ein wenig erleichtert, dass meine Schwester nicht protestiert, weil ihr Zimmer so klein ist. Dann sieht meine Mutter mich erwartungsvoll an: „Und?“

      „Und was?“, frage ich, aber ich weiß schon längst, welche Frage als Nächstes kommt. „Wie sieht dein Zeugnis aus?“

      In den letzten Wochen gab es ja kaum ein anderes Thema. Selbst hier und jetzt!

      Wir sind mitten im Umzugsstress, überall stehen Kartons und Möbelstücke, aber für meine Mutter gibt es wieder mal nur eine Sache, die sie interessiert: Mein Zeugnis.

      „Wie soll’s schon aussehen? Weiß mit schwarzer Schrift“, versuche ich zu scherzen und zucke mit den Schultern.

      „Zeig es mir bitte!“

      Ich krame das Zeugnis aus meinem Rucksack heraus.

      Meine Mutter reißt es mir hastig aus der Hand. „Oh je! Aber … Tim! Das ist ja noch viel schlimmer, als ich dachte! Zwei Fünfen!

      Und dann auch noch in Mathe! Was machst