Nostradamus und die Insel des Teufels. W. A. Castell

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Название Nostradamus und die Insel des Teufels
Автор произведения W. A. Castell
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783745208016



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unzählige Male überprüft und auch täglich neu registriert werden musste.

      Die Sonne warf ihre Strahlen über das Gerüst. Harris schloss blinzelnd die Augen.

      Als er sie eine Sekunde später wieder öffnete, starrte er fassungslos auf das Bild, das sich ihm bot: Der Fremde vor ihm hatte die Sonne im Rücken, dennoch warf sein Körper keinerlei Schatten!

      Die Haltung des Professors verkrampfte sich. Seine Hände schlossen und öffneten sich rhythmisch. Auf die Stirn des Wissenschaftlers trat Schweiß – Angstschweiß.

      Er wich ein paar Schritte zurück. Seiner Kehle entrang sich ein röchelnder Schrei.

      Niemand hörte ihn. Niemand, der ihm zur Seite gestanden hätte. Die Person vor ihm hegte ganz andere Absichten.

      Langsam kam der Unheimliche näher. In seinem unbeweglichen Gesicht standen zwei Augen, die sich auf Harris konzentrierten. Unverwandt blickten sie den Wissenschaftler an.

      Der Professor fühlte sich wie das Kaninchen vor der Schlange. Wie hypnotisiert starrte er den Fremden an. Er versuchte krampfhaft, seine Gedanken zu ordnen, nicht in Panik zu verfallen.

      Es gelang ihm nur ungenügend.

      Er wollte sich abwenden. Abwenden von diesen Augen, von denen eine hypnotische Wirkung ausging, der er nichts entgegenzusetzen hatte. Er wusste, dass ihm nur sehr wenig Zeit verblieb, sich aus der Schlinge zu ziehen. Würde er scheitern, wäre das für ihn das Ende!

      Harris ballte die Hände zu Fäusten. Er fixierte sein Ziel. Unter Aufbietung aller Willenskraft schloss er die Augen, entzog sich so einen Herzschlag lang der Einwirkung der fremden Macht.

      Harris sprang nach vorn.

      Sein durchtrainierter Körper schnellte in Richtung des Unheimlichen. Er würde ihn zu Boden reißen und überwältigen. Noch war er Herr über seine Muskeln, die waren stärker als die seines Gegenparts.

      Der Wissenschaftler überbrückte die Entfernung in der Zeitspanne eines Lidschlags. Er erreichte sein Ziel und – stieß ins Leere.

      Wo der Körper des Unheimlichen ihn aufhalten sollte, war kein Hindernis. Der Angriff des Professors wurde nicht gestoppt. Er trug ihn weiter über die Plattform.

      Mit namenlosem Entsetzen registrierte Harris, dass es ihn auf die flache Umgrenzung der Plattform zutrieb. Er versuchte den Schwung zu bremsen, musste mit Schaudern erkennen, dass es dazu bereits zu spät war. Wie von einem Magneten gezogen, raste er auf den Abgrund zu.

      5

      Sie waren wie gelähmt. Der Schrecken saß ihnen in den Gliedern. Was geschehen war, kam einer Katastrophe gleich. Vor ihnen lag die Leiche des Professors,

      »Es war Mord! Ich habe es mit eigenen Augen gesehen!«

      Einer sagte es, und sie getrauten sich nicht einmal, ihn anzusehen. Zu ungeheuerlich war die Behauptung, die er aufstellte.

      Mord!

      Nein, es war nicht wert, einen Gedanken an etwas so Absurdes zu verschwenden. Unter ihnen gab es keinen Mörder und schon gar nicht einen, der es auf Professor Harris abgesehen hätte. Der Wissenschaftler war ein allseits beliebter Vorgesetzter gewesen.

      Und außerdem, und das war der Punkt, der ein Verbrechen nahezu ausschloss, sie saßen alle in einem Boot, waren unbedingt aufeinander angewiesen. Ein Team von Spezialisten, an der Spitze Professor Harris, der Mann, der sie bisher vor jeglicher Unannehmlichkeit abgeschirmt hatte.

      Ein Mord? Nochmals nein!

      »Und doch ist er getötet worden!«

      Als hätte der Chefmonteur die Gedankengänge seiner Kollegen erraten, sprach er noch einmal aus, was er beobachtet hatte.

      Sie schauten ihn jetzt an. Es stand deutlich in ihren Gesichtern geschrieben, dass sie sich vor dem fürchteten, was der Chefmonteur noch sagen würde. Es war so, als würde man zwei und zwei zusammenzählen. Wer Augenzeuge des Verbrechens war, kannte auch den Täter.

      Der Monteur schüttelte langsam den Kopf, dann sagte er: »Es war keiner von uns, der es getan hat. Ein alter Mann, viel näher kann ich ihn nicht beschreiben. Ich stand seitwärts eine Etage tiefer. Einige Querstreben verdeckten mir die Sicht, und ich konnte nur wenig über den Rand der Plattform hinaus erkennen. Aber den alten Mann habe ich gesehen. Er blickte in die Tiefe, als der Professor noch am Stürzen war.«

      Ein hochaufgeschossener Mann trat auf den Chefmonteur zu. Er war Experte auf dem Gebiet der Elektronik und in dieser Funktion eine wichtige Person auf dem Raketengelände. Allen war bekannt, dass er eine besonders gute Beziehung zu Harris gehabt hatte. »Sie müssen sich irren. Es gibt im Umkreis von zwanzig Kilometern keinen Menschen, auf den Ihre Beschreibung passen würde. Das Gebiet ist hermetisch abgeriegelt, und nicht einmal eine Maus könnte ungesehen das Raketengelände betreten, geschweige denn ein ausgewachsener Mann. Wenn ein Mord geschehen ist, dann befindet sich der Mörder unter denen, die hier um die Leiche stehen!«

      In der Kehle des Chefmonteurs bildete sich ein Kloß. Er schluckte schwer, doch die Behinderung blieb. Er spürte, wie seine Handflächen feucht wurden.

      »Gut. Schalten wir die Polizei ein. Ich sehe keinen anderen Weg. Zunächst aber verständigen wir Ralph Candel, der sich in seinem Büro befindet. Er dürfte, so schätze ich, nach dem Ausfall des Professors, vorläufig hier das Kommando übernehmen. Soll er die Kripo anrufen!«

      Wie von Nostradamus beabsichtigt, war ein weiterer Mosaikstein auf dem Wege zur Vollendung seines Planes hinzugekommen.

      6

      Gary Dano hatte es aufgegeben. Aus den beiden Beamten, die ihn zu Hause in Lancashire abgeholt hatten, war kein Wort herauszubringen. Nur die lapidare Bemerkung, sie hätten die Anweisung, ihn, Gary Dano, unverzüglich zum Yard zu bringen.

      In dieser Richtung waren sie jetzt mit dem Dienstwagen der Beamten unterwegs. Der Privatdetektiv saß im Fond des Autos.

      Gary hielt ein Zwiegespräch mit seinem zweiten Ich. Aber auch Corell konnte ihn nicht darüber aufklären, um was es hier ging. Er wusste nur, dass Inspektor Samuel Morley sie erwartete.

      Zwei Stunden später war es soweit, und Gary saß seinem Freund in dessen Büro gegenüber.

      Etwas umständlich zündete sich der Inspektor eine Zigarette an und blies den Rauch in kunstvollen Kringeln gegen die Decke. Schweigend starrte er ihm nach.

      »Bin ich verhaftet?«, stellte der Privatdetektiv leidenschaftslos die entscheidende Frage.

      Morley fuhr leicht zusammen. Dann schüttelte er bedächtig den Kopf. »Verhaftet ist ein unschönes Wort. Ich habe nur dafür gesorgt, dass Sie nicht unvorbereitet mit Dingen konfrontiert werden, die man Ihnen vielleicht fälschlicherweise zur Last legen wird.«

      »Hoppla, Inspektor, Sie machen mich richtig neugierig!«

      Samuel Morley zog eine Akte zu sich her und schlug sie auf. Auf seiner Stirn erschien eine steile Falte. »Es handelt sich um einen gewissen William Harris, seines Zeichens verantwortlicher Leiter des Projektes Europarakete.«

      Gary lachte lauthals. »Was soll ich mit dem? Die Sache spielt sich doch in Deutschland ab. Dort war ich schon seit über einem Jahr nicht mehr, was also …«

      »Warten Sie doch ab. Jedenfalls ist dieser Harris ermordet worden. Ein bisher noch Unbekannter hat ihn von einem Gerüst gestürzt. Der Clou an der Geschichte ist nun, Ralph Candel, der Assistent von Harris, behauptete bei seiner Vernehmung, sein Chef hätte mit Ihnen Kontakt gehabt, ja, er wäre sogar davon überzeugt, Sie hätten William Harris bedroht!«

      Gary Dano war dermaßen verblüfft, dass es ihm für den Moment die Sprache verschlug. Dann erhob er sich so heftig, dass der Stuhl nach hinten kippte.

      »Der feine Ralph Candel lügt, daran führt kein Weg vorbei. Bleibt zu klären, weshalb der Mann die falsche Anschuldigung aufgestellt hat. Und darüber hinaus frage ich mich, woher kennt Candel meinen Namen?«